Essen.
Für die neue Fußballarena ist die Hafenstraße der einzig realisierbare Standort. Diese Erkenntnis hätte Oberbürgermeister Reinhard Paß auch ohne zeitraubende Untersuchung haben können.
Still und leise und wieder mal ohne einen Anflug von Kommunikation mit der Öffentlichkeit hat Oberbürgermeister Reinhard Paß seine Stadionprüfung für beendet erklärt. Das Ergebnis ist so, wie es alle erwartet hatten, die halbwegs in der Materie zu Hause sind: Es gibt keinen Alternativstandort. Nur an der Hafenstraße, wo bereits Millionen in die Vorplanung geflossen sind, lässt sich der Neubau einer Fußballarena realisieren. Und genau das wird nun aller Voraussicht nach auch geschehen. Denn es gibt - erstens - einen mehr als deutlichen Ratsbeschluss, den auch Paß’ SPD klar mitträgt. Zweitens hat die Bezirksregierung am Dienstag den Essener Haushalt freigegeben, was in kontrolliertem Maße auch wieder eine Kreditaufnahme für Investitionen ermöglicht.
Was bleibt, ist das Überzeugen großer Teile der öffentlichen Meinung. Das wird keine leichte Übung, denn der Neubau einer Fußball-Arena ist alles andere als unumstritten, ja es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Stadt glatt gespalten ist. Und zugegeben: Die Argumente der Kritiker wiegen schwer und sind keineswegs mit leichter Hand zur Seite zu schieben. Die Stadt ist bekanntlich arm und hat nur deshalb Geld für ein solches Projekt, weil sie wieder begrenzt Schulden aufnehmen darf, was prekär genug ist. Der Verein Rot-Weiß Essen schließlich, der das neue Stadion hauptsächlich nutzen würde, lieferte jahrelang eher den Gegnern als den Befürwortern eines Neubaus Munition.
Auf der anderen Seite: Das Georg-Melches-Stadion ist eine Ruine, ist schlicht und einfach hinüber. Eine neue Arena ist somit streng genommen nichts weiter als eine Ersatzinvestition. Bliebe diese aus, wäre Profi-Fußball in Essen für alle Zeiten tot.
Paß hat nichts erreicht
Das wird diejenigen nicht weiter schrecken, die Fußball eher kalt lässt. Der gesellschaftlichen Bedeutung des Phänomens Fußball, auch der identitätsstiftenden Kraft dieses Sports, wird diese Haltung aber nun einmal nicht gerecht. Rund 6000 Zuschauer in den ersten Heimspielen der fünften Liga (!) haben eindrucksvoll gezeigt, dass RWE offenbar nicht kaputtzukriegen ist - jedenfalls nicht, solange es in Essen ein Stadion gibt, in das eine nennenswerte Anzahl von Zuschauern passt. So soll es bleiben. Eine Stadt von dieser Größe und Bedeutung, eine Kulturstadt zumal, sollte eine wenigstens bescheidene Arena haben. Denn auch Fußball ist Kultur.
Der politische Wille ist eindeutig, im Rat gibt es mindestens eine Dreiviertel-Mehrheit für das Vorhaben, baurechtliche Hindernisse sind längst ausgeräumt. Im Grunde setzt ein demokratisch legitimierter Automatismus ein. Wichtig ist, den Beschluss jetzt schnell, aber mit aller gebotenen Sorgfalt umzusetzen. Kostensteigerungen gehören zwar zum Schicksal fast aller größeren Bauten, die Verantwortlichen sollten aber wissen, dass die ohnehin prekäre Akzeptanz des Stadions weiter litte, wenn der finanzielle Rahmen nicht eingehalten wird. Viel spricht dafür, eine Arena zu bauen, die erweiterbar ist, die mit dem sportlichen Erfolg der Essener Vereine - so er denn kommt - wachsen kann.
Als tragische Gestalt wirkt der Oberbürgermeister, der wieder da ist, wo er startete, als er in seiner Haushaltsrede das Stadion mit knackigen Worten zur Disposition stellte. Erreicht hat er eigentlich nichts, außer den Keil zwischen sich und der SPD zu vergrößern. Es ist manchmal schwer, aus Reinhard Paß schlau zu werden.