Essen. .

Das Bahnhofsklo hat seinen Namen und seinen schlechten Ruf abgelegt, doch der Wandel hat seinen Preis: Für die Benutzung des blitzsauberen WC-Centers muss man nun 70 Cent berappen.

Ganz besonders ärgert das die Kunden der Bahnhofs-Gastronomie, denn die Gaststätten kommen neuerdings ohne eigene Toiletten aus - und verweisen auf das kostenpflichtige WC-Center. Nicht nur im Bahnhof gibt es eine lautstarke Diskussion ums stille Örtchen, auch in der City vermissen viele Essener kostenlose Toiletten.

„Wie? Sie haben keine? Bei so vielen Sitzplätzen muss ein Gastronomiebetrieb doch Toiletten haben”, fragt der ungläubige Bahnreisende, den die halbstündige Verspätung seines Zuges zu einer Caffè-latte-Pause in Essen gezwungen hat. Doch der Kunde irrt. Jene Gaststättenbauverordnung, die noch dem kleinsten Imbiss ein Kunden-WC vorschrieb, sofern er Sitzplätze anbot, sei schon vor Jahren der europäischen Harmonisierung zum Opfer gefallen, erklärt Guido Krekeler, der beim Ordnungsamt für Gaststätten zuständig ist. Die strengen deutschen Richtlinien seien damals gelockert worden. „Toilettenfragen werden seither im Rahmen der Baugenehmigung geklärt.“

Einen Anspruch auf kostenlose Klos gibt es nicht

Für die ist Krekelers Kollege Detlef Robrecht, Abteilungsleiter im Bauordnungsamt zuständig. „In der Bauordnung heißt es lediglich, Toiletten sind in ausreichender Zahl vorzuhalten.“ Eine dehnbare Definition. So könne bei Mini-Gaststätten ganz auf WCs verzichtet werden, sagt Robrecht. „Es sei denn, sie schenken Alkohol aus, dann muss es Toiletten geben.“ Allerdings lasse sich aus dem Baurecht in keinem Fall ein Anspruch auf einen kostenlosen Klogang bleiten. „Die Leute erwarten das trotzdem“, weiß Robrecht. Er habe mal einen irritierten Bürger am Apparat gehabt, der von ihm wissen wollte, wie er nur das großräumige McDonald’s im Bahnhof ohne WCs habe genehmigen können. „Gar nicht“, sprach Robrecht. „Der Bahnhof ist allein Sache des Eisenbahnbundesamtes.“

Das bestätigt Bahn-Sprecher Udo Kampschulte, der die Entscheidung des Bundesamtes so zusammenfasst: „Es sind öffentliche Toiletten in zumutbarer Nähe vorhanden.“ Seines Wissens hätten daher sämtliche 15 gastronomische Betriebe im Hauptbahnhof Essen auf eigene sanitäre Anlagen für Gäste verzichtet. Die meisten Reisenden seien froh, dass das von einem Pächter betriebene WC- Center tiptop sei. „Dafür zahlen sie gern 70 Cent, Drogensüchtige und Kleinkriminelle werden ferngehalten, und der Pächter deckt seine Kosten.“

Gutschein-System wie an Autobahn-Raststätten

Kampschulte räumt ein, dass es immer mal Beschwerden von Gaststättenbesuchern gebe, die meinen, die Toilettennutzung müsse bei Bier oder Burger doch eingepreist sein. „An den Bahnhöfen Hannover und München laufen daher Tests mit Wertbons wie es sie an den Autobahn-Raststätten gibt.“ Sprich: Der Kunde erhält vom WC-Center einen Gutschein über die 50 bis 70 Cent Gebühr, den er bei einem Lokal im Bahnhof als Zahlungsmittel nutzen kann. Auch für Essen sei ein solches Modell denkbar, dazu müssten jedoch die betroffenen Gaststätten zustimmen. „Da könnte sich 2011 etwas tun.“

Die Frau, die in Nordrhein-Westfalen die Öffentlichkeitsarbeit für McDonald’s macht, weiß davon noch nichts. „Aber ich fasse das mal als Anregung auf“, sagt Dagmar Burger. McDonald’s betreibe bereits vereinzelt Filialen mit Gutschein-System. Verpflichtet sei man im übrigen nicht, in Bahnhöfen oder Shopping-Centern eigene Toiletten vorzuhalten.

Freiwilliger Obolus für die Toilettenfrau

Immerhin bieten große Einkaufszentren wie das am Limbecker Platz ihre Toiletten - anders als der Bahnhof - kostenlos an. „Wer mag, kann den Mitarbeitern einen Obolus auf den Teller legen“, sagt Center-Manager Ulrich Schmitz. Auf das Prinzip Freiwilligkeit setzt auch das alteingesessene Café Overbeck an der Kettwiger Straße: Claudia Happke, die hier im Wechsel mit ihrer Mutter für Sauberkeit sorgt, freut sich über ein Trinkgeld. Solche Regelungen hält auch die Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Christiane Behnke, für sinnvoll; zumal an einer belebten Einkaufsstraße mit viel „Laufkundschaft“. Grundsätzlich sei es „ungeschriebenes Gastronomengesetz, dass man seinen Gästen kein Geld fürs Klo abnimmt“.

Das freilich macht sich auch mancher Passant zunutze, der nicht vorher im Café oder in der Kneipe etwas konsumiert hat; denn öffentliche Toiletten sind gerade in der City Mangelware. Toiletten seien im Unterhalt kostspielig, das könne sich die klamme Kommune nicht leisten, bedauert Stadtsprecher Detlef Feige. „Die sind ein Anziehungspunkt für Vandalismus, da werden im Suff Toilettentöpfe zertrümmert, wird an Waschbecken Wut abreagiert.“ Die 27 öffentlichen WC-Anlagen im Stadtgebiet würden von Evag, EBE, und der Ströer Deutsche Städte Medien betrieben und seien in der Regel kostenpflichtig. Gratis ist die Benutzung der Rathaus-Toiletten, doch auch hier habe man Maßnahmen ergreifen müssen, „damit die nicht zum Druckraum werden“. Blaues Licht solle nicht für eine spacige Atmosphäre sorgen, sondern verhindern, dass Fixer ihre Venen finden.