Essen.

In der Debatte um sexuellen Missbrauch von Kindern in Sportvereinen ist der Werdener Turnerbund weit vorgeprescht - und kassiert dafür heftige Kritik aus der Politik. Alle Übungsleiter sollen dem WTB-Vorstand ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

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Von Kai Süselbeck

Alle Übungsleiter und Übungshelfer sollen dem WTB-Vorstand ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, beschloss die Mitgliederversammlung einstimmig. „Mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, kritisiert etwa der Sportausschussvorsitzender Klaus Diekmann (CDU).

Die Vorlage für den WTB-Beschluss hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) geliefert. Das neue Kinderschutzgesetz, das sie erarbeiten lässt, sieht vor, dass Jugendämter und freie Träger der Jugendhilfe von Bewerbern ein „erweitertes Führungszeugnis“ verlangen können: „Leider wissen wir, dass sich Täter ganz gezielt Berufe aussuchen, in denen sie mit Kindern arbeiten können.“

Diese Neuregelung will der WTB nun nicht nur für neues Personal übernehmen, sondern auf alle Ehrenamtlichen ausdehnen und „alle Übungsleiter und Übungshelfer bitten, sich auf Kosten des Vereins ein polizeiliches Führungszeugnis ausstellen zu lassen.“

„Auf die Idee bin ich auch als Vereinsvorsitzender nicht gekommen“, sagt Rudolf Jelinek, sportpolitischer Sprecher der SPD. Er warnt vor einer Zerrüttung des Vertrauens zwischen Vorstand und Ehrenamtlichen: „Wenn dieses Vertrauen zerstört wird, können wir einpacken.“

„Die Diskussion nimmt inzwischen hysterische Züge an“

Viel zu weit geht der Werdener Vorstoß auch dem Sportausschussvorsitzenden. „Bei einer Neuanstellung von Übungsleitern könnte ich das wegen der aktuellen Diskussion nachvollziehen“, sagt Diekmann. „Aber von langjährigen Ehrenamtlichen plötzlich ein Führungszeugnis zu verlangen, das ist starker Tobak. Man fragt sich allmählich, was als Nächstes kommt.“ Diekmann schlägt vor, dass der Essener Sportbund Regeln für die Missbrauchsprävention aufstellen soll: „Der Espo ist die geeignete Schaltstelle dafür.“

Dessen Geschäftsführer Wolfgang Rohrberg ist allerdings gar nicht scharf auf eine solche Diskussion. Die Werdener Turner hätten es mit ihrem Beschluss sicher gut gemeint. Aber der Schuss gehe im Zweifel nach hinten los. „Die Leute fragen sich sofort: Ist da was gewesen? Vielleicht hätten sie uns vorher mal fragen sollen.“

Grundsätzlich sagt Rohrberg: „Auch der Sport ist anfällig für Missbrauch und hat seine schwarzen Schafe. Aber ich weiß nicht, ob wir auf diesen Zug aufspringen müssen. Die Diskussion nimmt inzwischen hysterische Züge an. Mein Rat: Haltet mal den Ball flach.“ So sieht es auch Rot-Weiss Essen-Sprecher Haider Hassan. „In unserem Verein ist diese Debatte noch nicht angekommen. Und das kann gern so bleiben.“