Essen.

Als Pfarrer war er außerordentlich beliebt, so sehr, dass das bayerische Örtchen Engelsberg zum Abschied für ihn Spalier stand. In Tracht am Straßenrand, ihm in seinem Auto hinterher winkend. Im September 2008 war das, und niemand im Ort ahnte, weshalb der heute 62-jährige Peter H. damals nach Bad Tölz versetzt wurde. Um so schockierter sind die Menschen in Bayern nun, wo bekannt wird, dass ein neues forensisches Gutachten empfahl, den ursprünglich aus Essen stammenden Peter H. keine Kinder- und Jugendarbeit mehr machen zu lassen.

Die Geschichte des Peter H. geht zurück in das Jahr 1979. Ein junger Kaplan war er da, knapp 31 Jahre jung, und in einer Essener Gemeinde eingesetzt. Bis zu jenem Zeitpunkt, als sich das Bistum mit den Vorwürfen eines Elfjährigen auseinandersetzen musste, Peter H. habe ihn bei einer Ferienfreizeit in der Eifel sexuell missbraucht. Insgesamt wurde H. von drei Elternpaaren beschuldigt, ihre Kinder missbraucht zu haben. „Man muss sich in diese Zeit zurückversetzen. Man empfand das als so etwas Schreckliches, dachte, wenn man ihn in eine andere Gemeinde gäbe, würde er es aus Scham nicht noch einmal tun. Er wurde nach München geschickt, weil es dort einen Arzt gab, der sich mit Pädophilie beschäftigte“, sagt Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen.

Peter H. mag sich geschämt haben, rückfällig wurde er dennoch. Nachdem er trotz Therapie schon 1980 in München wieder in der Seelsorge tätig war, wurde er 1986 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu einer Geldbuße von 4000 Mark verurteilt. Der Missbrauch hatte in Grafing stattgefunden. Der Verurteilte wurde erneut angewiesen, sich in eine Psychotherapie zu begeben.

Doch schon nach kurzer Zeit, die er in einem Altenheim und als Pfarradministrator arbeitete, wurde Peter H. wieder in der Seelsorge eingesetzt. Eben in Engelsberg bei Garching, wo er 21 Jahre tätig blieb. Nun, da die Details von Peter H.s Geschichte und seiner Taten bekannt wurden, räumt die Erzdiözese München „schwere Fehler im Umgang mit der Personalie“ ein. Der frühere Generalvikar Gerhard Gruber übernehme „volle Verantwortung“.

Doch der Fall sorgt innerhalb der Kirche für große Unruhe. Am Sonntag kam es gar in der Bad Tölzer Pfarrkirche Mariahimmelfahrt zum Eklat. Mitten in der Messe, die Pfarrer Rupert Frania zelebrierte, erhob sich ein Mann, der demnächst von Pfarrer Peter H. getraut werden wollte, und machte seiner Empörung Luft. Daraufhin begannen die Menschen in der Kirche zu diskutieren, manch einer applaudierte dem Mann, andere jedoch riefen „Halt den Mund!“.

„Ich war schockiert, als ich am Freitag davon erfuhr“, erzählt Kaplan Quirin Strobl, der H. als „freundlich, hilfsbereit und als einen Menschen, beschreibt, der auf die Leute gut zugehen kann“. Ihm selbst sei die Geschichte H.s bei einer Teambesprechung mitgeteilt worden. Auch Bodo Dreisbach, der Vorsitzende des Pfarrgemeinderates, zeichnet von H. das Bild eines „sehr überzeugenden Priesters, eines Mannes von Format“. Die Gemeinde sei erschüttert, traurig bis wütend. Offenbar werde der Pfarrer von seiner Vergangenheit eingeholt. „Aber ich habe den Eindruck, es geht darum, dem Papst zu schaden“, so Dreisbach.

Ratzinger war Erzbischof

Tatsächlich wurde über Peter H.s seelsorgerischen Einsatz zu einer Zeit entschieden, als Papst Benedikt XVI noch Erzbischof in München-Freising war.

2006 hatte sich eines seiner ersten Opfer, der aus dem Ruhrgebiet stammende Wilfried F., per e-Mail an H. gewandt. Er hatte erfahren, dass H. in Engelsberg wieder mit Jugendlichen zu tun hatte und eine Entschädigung für sich gefordert. Wenige Tage später habe die Polizei bei ihm vor der Tür gestanden. Er solle den Pfarrer erpresst haben.

Das Verfahren gegen Wilfried F. ist 2008 eingestellt worden. Zeitgleich wurde Peter H. als Tourismus-Seelsorger nach Bad Tölz versetzt. Erzbischof Marx hatte ihm nach einem neuen forensischen Gutachten jede Arbeit mit Jugendlichen untersagt. Weil H. sich daran nicht hielt, wurde er in den Ruhestand versetzt.