Essen. .
Franz-Josef Overbeck verkämpft sich unnötig. Wer Schwulsein offen ablehnt, dem nützt keine Berufung auf Meinungsfreiheit oder die Bibel, er wird - ob er will oder nicht - in die unappetitliche Nähe von Rassisten und Ewiggestrigen gerückt.
Es sind fast lutherische Züge, die Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck derzeit umwehen: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“ Der 45-jährige Theologe mag nicht abschwören von seiner aus der traditionellen Bibel-Auslegung herrührenden Überzeugung, wonach Homosexualität Sünde sei. Mit seinem im Fernsehen vor Millionenpublikum ausgesprochenen Verdikt hat sich der Bischof jedoch mit einer Interessengruppe angelegt, die nach Jahrhunderten verdruckster Heimlichkeit und harter Verfolgungserfahrung inzwischen offensiv und mit großem Sendungsbewusstsein für die Akzeptanz ihrer Lebensform kämpft. Vermutlich war ihm das so nicht klar.
Hier hört der Spaß auf
Wo noch vor 20 Jahren ein Wort wie das des Bischofs ohne große Folgen geblieben, allenfalls kopfschüttelnd belächelt worden wäre, setzt es inzwischen politischen und medialen Gegenwind, der schnell zum Sturm werden kann. Wer Schwulsein heute offen ablehnt, dem nützt keine Berufung auf Meinungsfreiheit oder die Bibel, er wird - ob er will oder nicht - in die unappetitliche Nähe von Rassisten und Ewiggestrigen gerückt. Das erklärt die selbstbewusste Wut, die sich im Dom Bahn brach, aber auch die Hilflosigkeit des Bischofs. Man wurde Zeuge eines Eiertanzes, in dessen Zentrum ein arg schlichter Zirkelschluss steht: Weil es in der Bibel steht, ist es so. Punkt, Aus, Ende.
Nun ist Overbeck natürlich kein Extremist, er lebt aber gewissermaßen in einem Paralleluniversum. Wo die Gesellschaft, jedenfalls in ihren tonangebenden liberalen Kreisen, Schwulsein mindestens als unproblematisch, teilweise durchaus als schick empfindet, wirkt der Traditionsflügel der katholischen Kirche wie aus der Zeit gefallen. Man könnte das nun stehenlassen nach dem Motto: Soll doch jeder denken, was er will. Bei bestimmten Themen, und dazu gehört die sexuelle Selbstbestimmung, hat die libertäre Gesellschaft aber eben einen Missionsdrang, der dem der Kirche in nichts nachsteht. Um es etwas flapsig zu lassen: Beim Schwulsein hört der Spaß auf. Die Kirche darf, ja soll in vielen Fragen widerborstig sein, nicht aber in dieser. Und so prallten im Essener Dom zwei Wirklichkeiten aufeinander, die auch mit gutmeinenden Gesprächsrunden kaum zu versöhnen sind.
Overbeck kann diesen ungleichen Kampf nicht gewinnen. Die Kirche ist nicht mehr in der Lage, den Zeitgeist zu ignorieren. Das haben die letzten Wochen bewiesen, als ein Bischof zurücktreten musste, letztlich weil er Kinder verprügelt hat - noch vor kurzem undenkbar. Overbeck muss nicht zurücktreten, aber er hat seiner Kirche keinen Gefallen getan. Es kann Fragen geben, bei denen man sich unter allen Umständen quer stellen muss. Diese ist - neben allem anderen - nicht wichtig genug. Wird der Kern kirchlicher Werte wirklich von der sexuellen Orientierung gefährdet? Doch wohl gewiss nicht.