Essen. Die Produktion im Verallia-Werk in Essen-Karnap soll deutlich zurückgefahren werden. Verhandlungen mit dem Betriebsrat laufen bereits.

Anfang August vergangenen Jahren hatte die Glashütte Verallia im Essener Norden noch stolz ihren 100. Geburtstag gefeiert. 1000 Menschen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren samt Familien zum Jubiläum gekommen, auch Essens Erste Bürgermeisterin Julia Jacob übermittelte ihre Glückwünsche. Der Shanty Chor Leinen Los Bottrop e.V. sorgte für ausgelassene Stimmung. Vielen werden wohl auch die Worte des Werkleiters in Erinnerung sein, der den Beschäftigten ausdrücklich für ihren täglichen Einsatz dankte. Denn sie seien es, die die Glasproduktion 24 Stunden, 7 Tage die Woche, das gesamte Jahr hindurch am Laufen hielten.

Kein Jahr später dürfte die Feierlaune in dem Karnaper Betrieb nicht nur längst verflogen sein, sondern sich ins Gegenteil verkehrt haben. Denn im Werk stehen möglicherweise harte Einschnitte bevor. Die Geschäftsleitung will eine der drei Schmelzwannen dauerhaft stilllegen. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin lediglich: Man sei darüber in Gesprächen mit dem Betriebsrat. Auch der Betriebsrat wollte sich öffentlich nicht zur aktuellen Situation äußern.

Über 450 Mitarbeiter sind bei Verallia in Essen-Karnap beschäftigt

Die Glashütte wurde vor 100 Jahren im noch eigenständigen Karnap als Glaswerke Ruhr AG vom Großindustriellen Hugo Stinnes gegründet. Damals wurde der Name Ruhrglas in Verbindung mit gekreuztem Schlegel und Schwert zu deren Markenzeichen. Nach vielen Namen- und Besitzerwechseln gehört sie heute zur französischen Verallia-Gruppe.

Verallia hat ein Werk an der Ruhrglasstraße 50 in Essen-Karnap.
Verallia hat ein Werk an der Ruhrglasstraße 50 in Essen-Karnap. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

In Karnap produziert deren deutsches Tochterunternehmen weißes, grünes und braunes Behälterglas. Mehr als zwei Millionen Flaschen und Gläser vornehmlich für die Lebensmittelindustrie verlassen täglich die Fabrik. Zum Firmenjubiläum hatte Verallia die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Essener Betrieb mit 455 angegeben. Wie viele Beschäftigte nun von der Stilllegung der Wanne betroffen sind, wollte das Unternehmen nicht sagen.

Spekulationen: Bis zu 100 Jobs seien bei Verallia in Essen-Karnap in Gefahr

In der Mitarbeiter-Postille „Flaschenpost“, einem offenbar linken Blättchen, spricht man von bis zu 100 Arbeitsplätzen, die gefährdet sein könnten. „Wir kommentieren Informationen, die von außen kommen, nicht“, teilte die Verallia-Sprecherin dazu mit. Nach Informationen dieser Redaktion könnte die Zahl eher bei 60 bis 70 Jobs liegen. So oder so wäre das ein deutlicher Aderlass in der Belegschaft.

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Die schlechte Nachricht kennen die Beschäftigten schon länger. Am 25. April, einem Donnerstag, hatte die Geschäftsleitung die Belegschaft über die geplanten Schritte informiert. Die Wanne, die stillgelegt werden soll, soll wohl schon längere Zeit nicht mehr in Betrieb sein. Offenbar fehlen gerade im Grünglasbereich entsprechende Aufträge.

Glashütte in Essen will „grün“ werden

Die Glasindustrie gehört zu den energieintensivsten Wirtschaftsbereichen. Die Schmelzwannen in Karnap werden mit Erdgas bei 1600 Grad betrieben. Im August vergangenen Jahres hatte Vorstandschef Dirk Bissel im Interview mit dieser Redaktion noch beschrieben, wie er die Hütte in Essen klimaneutral und somit zukunftsfähig aufstellen will. Von einer Stilllegung einer ganzen Produktionslinie war damals nicht die Rede gewesen. Was nun die ausschlaggebenden Gründe dafür sind, die Produktionskapazität im Werk um ein Drittel zu kürzen, dazu wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Dem Vernehmen nach wollen Betriebsrat und Geschäftsleitung in den nächsten Tagen ihre Gespräche fortsetzen.

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