Essen-Rüttenscheid. Essener Baumpflegerin kritisiert mangelnde Schutzvorrichtungen für die Zierkirschen. Weitere Fällungen seien absehbar.

Sie sind eine Attraktion im Stadtgebiet, beliebte Frühlingsboten, gefragtes Fotomotiv. Jedes Jahr sorgen die rosafarbenen und weißen Blüten der Zierkirschen einige Wochen lang für eine besondere Atmopshäre auf der Rüttenscheider Straße. Doch so schön sie auch blühen mögen: Wirklich gut geht es den Bäumen nicht. So zumindest lautet das Urteil von Baumpflegerin Katharina Mentink.

„Fast jeder Baum in Straßennähe hat Anfahrschäden am Stamm“, sagt die Rüttenscheiderin. Sie ist gelernte Baumpflegerin und zertifizierte Baumkontrolleurin, hat in ihrem Arbeitsalltag ständig damit zu tun, den Zustand von Bäumen zu beurteilen, Schäden zu erkennen und Empfehlungen auszusprechen. Das Problem auf der Rü: Weil die Bäume nicht durch Stahlbügel geschützt oder durch bepflanzte Beete von Straße und Parkraum abgegrenzt sind, würden immer wieder Autos beim Ein- und Ausparken gegen die Stämme stoßen. „Die Autos werden immer größer, länger, voluminöser, die Parklücken aber nicht.“

Essener Baumpflegerin: Zierkirschen sind besonders empfindlich für Schäden

Rolf Krane, Vorsitzender der IG Rüttenscheid, hält die Kritik für „übertrieben“: „Wenn Bäume am Straßenrand stehen, kann so etwas immer mal passieren“. Aber Autofahrer würden schließlich auch nicht wollen, dass sie mit ihrem Fahrzeug irgendwo anstoßen.

Die Baumpflegerin schildert jedoch, dass sie solche Szenen immer wieder beobachte. Eine böse Absicht wolle sie gar nicht unterstellen: Den meisten Menschen sei nicht bewusst, dass der Stoß durch ein rollendes Fahrzeug, oder auch eine Hecklappe oder Autotür, folgenreiche Schäden verursachen könne.

Sie möchte daher auch aufklären: „Wird ein Baum an seinem Stamm verletzt, schottet er den Bereich um die Wunde ab und überwallt die Stelle. Damit soll verhindert werden, dass Pilze und Pathogene eindringen können.“ Je nach Baumart gelinge das allerdings besser oder schlechter: „Die Zierkirsche ist kein sehr guter Abschotter.“

Das bedeutet: Ein Schaden am Stamm macht den Baum anfällig für Krankheitserreger. Sei er zudem ohnehin geschwächt, zum Beispiel durch Abgase, Hundeurin, Müll, Streusalz im Winter, Trockenheit im Sommer, habe er den Erregern noch weniger entgegenzusetzen. Hinzu komme, dass der Standort alles andere als ideal für diese Baumart sei.

Nicht erst ein sichtbarer Pilzbefall sei eine Bedrohung für den Baum, erklärt Katharina Mentink.
Nicht erst ein sichtbarer Pilzbefall sei eine Bedrohung für den Baum, erklärt Katharina Mentink. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Zwar seien Kirschbäume auch unter guten Bedingungen nicht besonders langlebig, doch die Exemplare auf der Rü seien teilweise noch sehr jung und schon jetzt stark geschädigt. Katharina Mentink zeigt tiefe Kerben und Macken an dünnen Stämmen, Faulstellen, fehlende Kronenteile, ausgebrochene Äste: „Fast jeder Baum hier hat Vitalitätseinbußen oder ist schadhaft.“ Dabei sei es nicht erst der sichtbare Pilzbefall, der anzeige, dass ein Baum nicht gesund sei. „Warum wird und wurde an keiner Stelle interveniert?“, fragt sie. Die Probleme seien doch seit Jahren bekannt.

Stadt Essen will bei Neupflanzungen Vorkehrungen zum Baumschutz treffen

Schäden wie diesen weisen viele Baumstämme auf der Rüttenscheider Straße auf.
Schäden wie diesen weisen viele Baumstämme auf der Rüttenscheider Straße auf. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

IGR-Chef Rolf Krane sieht zwar keinen akuten Bedarf, hat aber gegen Stahlbügel oder andere geeignete Vorrichtungen nichts einzuwenden: „Jeder würde zustimmen, dass die Bäume geschützt werden müssen“. Dies sei allerdings nicht immer so einfach. Er erinnert an das Beispiel eines Investors, der gusseiserne Abdeckungen für die Baumscheiben habe finanzieren wollen, die Idee jedoch angesichts der Kosten verworfen habe.

Bei der Stadt habe man den Schutz der Bäume bei Neupflanzungen im Blick, erklärt Stadtsprecherin Maike Papenfuß. Bei ausreichend Platz könnten Bügel, Pfosten oder Findlinge eingesetzt werden. „Ein weiterer Schutz der Bäume erfolgt durch den Einbau des sogenannten Berliner Dreibocks.“ Auch die 20 Zentimeter hohen Gießringe würden dem Schutz der Stämme dienen. Diese jedoch würden zunehmend als Müllsammler genutzt, kritisiert Katharina Mentink. So mancher scheine seine Zigarettenkippe gezielt dort zu entsorgen. Wieder etwas, das den Bäumen zusetze.

Baumpflegerin regt als simple Schutzmaßnahme Bepflanzung der Beete an

Als günstige und gleichzeitig optisch ansprechende Lösung zum Schutz der Bäume regt die Baumpflegerin eine Bepflanzung der Baumscheiben, also des Bereichs unterhalb der Krone an. Das würde vermutlich die meisten davon abhalten, zu nah am Stamm zu rangieren, und zudem die Wasseraufnahme der Bäume verbessern.

Bestand der Zierkirschen laut Stadt stabil

Laut Stadtsprecherin Maike Papenfuß stehen auf der Rüttenscheider Straße über 150 Kirschbäume, „darunter einzelne alte Exemplare, die wahrscheinlich aus der Zeit der Erstbepflanzung stammen“. Baumpflegerin Katharina Mentink hat erst Anfang März durchgezählt: Sie kommt auf 135 Zierkirschen auf der gesamten Rü. „Insgesamt stehen dort 256 Bäume“, darunter Sumpfeichen, Platanen und Baumhasel.

Die Anzahl der gefällten Bäume könne kurzfristig nicht genannt werden, so die Stadtsprecherin. „Wenn Fällungen vorgenommen werden mussten, waren diese aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht oder in wenigen Fällen aufgrund von Baumaßnahmen erforderlich. Sie führten aber stets zu Nachpflanzungen.“

Die Stadt lehnt solche Baumbeete allerdings ab: Da diese fast vollständig mit einem durchlässigen Pflaster ausgefüllt seien, könnten sie nicht zusätzlich bepflanzt werden. Auch die nachträgliche bauliche Absicherung bei älteren Bäumen komme nach Abwägung der Vor- und Nachteile nicht in Frage: „Oberflächennah ist das Baumbeet stark durchwurzelt“, so Maike Papenfuß. „Der nachträgliche Einbau von Pfosten, Bügeln oder Findlingen würde nicht nur die oberflächennahen Wurzeln schädigen, sondern auch den zur Verfügung stehenden Wurzelraum zusätzlich verkleinern.“

Dass beim Einbau von Stahlbügeln viel Schaden angerichtet werden könne, weiß auch Katharina Mentink. „Es braucht Fachkenntnis. Man muss sondieren, wo genau sich die Wurzeln befinden.“ Dennoch bleibt sie bei ihrer Kritik: In den vergangenen Jahren seien so oft Bäume auf der Rü nachgepflanzt, aber nicht mit einem entsprechenden Schutz ausgestattet worden. „Man hätte längst präventiv tätig werden können.“

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