Essen. Essens neueste Baumbilanz fällt aus Sicht der Stadt positiv aus. Weshalb Umweltinitiativen das ganz anders sehen.
Umwelt-Initiativen üben zum wiederholten Mal harsche Kritik an der „Baumbilanz“ der Stadt Essen. Der Öffentlichkeit werde suggeriert, „in Essen sei in Sachen Bäume alles in Ordnung“. Das Gegenteil sei der Fall, heißt es in einer Stellungnahme des Netzwerkes „Gemeinsam für Stadtwandel“, in dem sich 40 Initiativen zusammengefunden haben.
Die von Grün und Gruga vorgelegte Baumbilanz weist für das Jahr 2021 einen geringen Zuwachs auf. Der Bestand auf städtischen Grundstücken erhöhte sich demnach um 125 Bäume auf 209.287. „Dass wir wieder eine positive Bilanz ziehen können, ist eine positive Nachricht“, lässt sich dazu Essens Umweltdezernentin Simone Raskob in einer Pressemitteilung der Stadt zitieren.
Schon im Jahr zuvor vermeldete Grün und Gruga einen Zuwachs an Bäumen an Straßen und in städtischen Grünanlagen – von immerhin 6742 Bäumen. Mit Blick auf die Statistik warnte „Gemeinsam für Stadtwandel“ schon damals: „Der Teufel steckt im Detail.“
Der Zuwachs des Baumbestandes in Essen betrug im vergangenen Jahr 0,05 Prozent
Indem die Stadt diesmal in der Bilanz gar ein leichtes Plus positiv darstellt, sende sie falsche Signale, kritisiert das Initiativen-Netzwerk: „Nein, wir leben in Essen nicht auf einer Insel der Baumglückseligen.“
„Gemeinsam für Stadtwandel“ hebt hervor, dass es sich bei dem statistischen Plus von 125 Bäumen um junge Bäume handelt. Dieser geringe Zuwachs des Baumbestandes in Höhe von 0,05 Prozent sei zudem nicht etwa dadurch entstanden, dass gefällte Bäume ersetzt wurden oder zusätzliche Bäume gepflanzt worden seien, sondern dadurch, dass Bäume auf dem Wege der Naturverjüngung nachgewachsen sind.
„Diese Bäume wachsen jedoch nicht in Baumbeeten, also genau da, wo sie Schatten zur Abkühlung gezielt aufgebaut werden muss“, bemängelt das Initiativen-Netzwerk. Die Bäume wachsen als sogenanntes Straßenbegleitgrün zum Beispiel an Böschungen.
3183 Fällungen standen in Essen 970 Nachpflanzungen gegenüber
Tatsächlich wurden auch 2021 mehr Bäume gefällt als gepflanzt. Laut Baumbilanz standen 3183 Fällungen 970 Nachpflanzungen gegenüber. Nach Angaben der Stadt werden die meisten Bäume im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht gefällt. Die Stadt muss sicherstellen, dass niemand durch abbrechende Äste gefährdet wird.
Vertreter von Grün und Gruga hatten anlässlich eines öffentlichen „Baumspazierganges“ im November vergangenen Jahres eingeräumt, dass die Stadt mit dem Nachpflanzen in Verzug ist. Es könne bis zu eineinhalb Jahren dauern, bis ein gefällter Baum ersetzt wird. „Gemeinsam für Stadtwandel“ weist daraufhin, dass von 2019 bis 2021 insgesamt 10.338 Bäume gefällt, aber nur 3321 Bäume nachgepflanzt wurden.
Grün und Gruga sieht Verlust an Bäumen nach Ela „mehr als ausgeglichen“
Entscheidend für die Bewertung sei nicht die bloße Zahl an Bäumen, sondern deren Qualität. Auch was diese angeht, sieht die Stadt die Entwicklung des Baumbestandes aber auf einem guten Weg. 2021 sei erstmals auch eine qualitative Betrachtung in die Baumbilanz aufgenommen worden. Grün und Gruga hat sich dafür die Baumkronen angesehen und die Fläche, die sie einnehmen. Diese Daten wurden mit denen von vor 2014 verglichen, dem Jahr in dem Pfingststurm Ela Zehntausende Bäume entwurzelte oder beschädigte.
Der Vergleich zeige die eindeutige Tendenz, dass die Verluste durch Ela und durch die sehr trockenen Jahre 2017 bis 2019 „mehr als ausgeglichen sind“, bilanziert Melanie Ihlenfeld, Leiterin von Grün und Gruga.
Christiane Gregor von „Gemeinsam für Stadtwandel“ will das nicht so stehen lassen. Die Betrachtung der Baumkronen und ihres Schattenwurfs verschleiere den Blick. „Es wird zu wenig darauf geachtet, wie geht es dem Baum und was haben wir zu erwarten“, kritisiert Gregor. Im vergangenen Jahr hieß es vonseiten Grün und Gruga, dass jeder vierte Straßenbaum in Essen schwächelt.