Essen-Bredeney. Zwei Essenerinnen haben in Bredeney eine Hebammenpraxis gegründet. Wichtig sei besonders, dass Frauen Vertrauen zum Körper aufbauen.
Ihren Herzenswunsch haben sich Victoria Schara (25) und Christina Backhaus (31) zum Jahresbeginn erfüllt. Die beiden Hebammen haben sich mit ihrer Hebammenpraxis in Essen-Bredeney selbstständig gemacht. Über Auftragsmangel können sie sich nicht beklagen. Hebammen sind gefragt.
„Heute kommen die meisten Frauen, sobald sie den positiven Schwangerschaftstest in der Hand halten“, weiß Victoria Schara. Je später man sich um die Betreuung kümmere, desto schwieriger werde es, eine Hebamme zu finden.
Die beiden Hebammen haben sich für den Standort in Essen-Bredeney entschieden
Die beiden Frauen kennen sich seit Jahren, waren vorher Kolleginnen am Evangelischen Krankenhaus in Mülheim und branchenüblich nebenher auch freiberuflich tätig. „Mir war aber eigentlich immer klar, dass ich nicht ewig im Schichtdienst arbeiten will“, berichtet Christina Backhaus.
Beide wollten sich selbstständig machen und da sie ähnliche Vorstellungen und Arbeitsweisen haben, entstand die Idee, das gemeinsam zu realisieren. „So können wir uns die Miete und weitere Unkosten teilen und uns im Urlaubs- oder Krankheitsfall gegenseitig vertreten“, sagt Victoria Schara. In den ebenerdigen Praxisräumen an der Meisenburgstraße 44 bieten zwei weitere Kolleginnen zusätzlich Trageberatung und geburtsvorbereitende Massagen an.
Schara und Backhaus selbst haben sich auf Vor- und Nachsorge, Wochenbettbetreuung und Kurse verschiedener Art spezialisiert, stehen den Frauen in der Schwangerschaft und rund um die Geburt bei Beschwerden mit Rat und Tat zur Seite.
Hebamme hat Abschluss an der Hochschule für Gesundheit in Bochum erworben
„Der Hebammenberuf hat mich schon immer interessiert“, sagt Victoria Schara. Trotzdem habe sie nach dem Abitur an der BMV-Schule erst einmal ein Jura-Studium angefangen. Nach einem Jahr habe sie gemerkt, dass das nicht ihr Weg sei und sich für den Hebammenberuf entschieden. Ihren Bachelor habe sie dann an der Hochschule für Gesundheit in Bochum erworben.
Die 3000 Praxisstunden, die sie für ihren Abschluss nachweisen musste, seien damals noch unbezahlt gewesen. „Inzwischen hat sich das geändert und die Ausbildung wird als Duales Studium durchgeführt. Deshalb werden jetzt wohl wieder mehr Frauen den Beruf ergreifen“, sagt sie.
Christina Backhaus, die in Mülheim aufgewachsen ist, wusste schon als Jugendliche, dass sie gern Hebamme werden würde. „Mir war schon in der achten oder neunten Klasse klar, dass ich das machen wollte“, sagt sie. Kurzzeitig habe sie die Idee gehabt, Krankenschwester zu werden, doch jeden Tag mit Krankheit und Leid konfrontiert zu werden, wäre nicht das Richtige für sie gewesen. „Dann lieber Hebamme, da überwiegen die positiven Momente, auch wenn es natürlich manchmal schwere Situationen gibt, wenn zum Beispiel eine Frau ihr Kind verliert.“
Der Betrieb in der neuen Praxis ist gut angelaufen. „Wir bekommen sehr viele Anfragen, müssen uns neben der Betreuung der Frauen auch um administrative Angelegenheiten wie Rechnungen, Steuersachen, Dokumentionen und die Planung der Kurse kümmern“, so Schara.
Bei der Geburt im Krankenhaus sind die beiden Essener Hebammen nicht dabei
Normalerweise arbeiten die beiden Frauen, die selbst noch keine Kinder haben, von montags bis freitags, 9 bis 18 Uhr. Da sie nicht als Beleghebammen tätig sind, sind sie bei der Geburt im Krankenhaus selbst nicht dabei. „Wenn aber eine Frau nach der Geburt zum Beispiel kurz vor dem Wochenende entlassen wird, betreuen wir sie natürlich dann auch zu Hause, denn gerade zu Beginn brauchen die Frauen ja Unterstützung“, weiß Victoria Schara.
Viele Mütter hätten Fragen zum Thema Stillen, zur Gewichtszu- oder -abnahme beim Kind, zur Hautbeschaffenheit oder zum Abheilen der Nabelschnur. „Wir beobachten natürlich auch ganz genau, ob es Anzeichen von Gelbsucht beim Neugeborenen gibt“, sagt Christina Backhaus.
Das Problem mit hohen Kosten für die Haftpflichtversicherung, mit dem Hebammen oft zu kämpfen haben, stellt sich für Victoria Schara und Christina Backhaus nicht. „Da wir keine Geburten betreuen, fallen die immens hohen Kosten von 1000 Euro oder mehr im Monat bei uns nicht an“, so Schara.
Im Vorbereitungskurs der Hebammen geht es um Wissensvermittlung
In Kursen, zum Beispiel Rückbildung, ist Platz für zehn Teilnehmerinnen. Die Geburtsvorbereitungskurse, an denen auch die Partner teilnehmen können, werden meist in kompakter Form am Wochenende angeboten. „Da geht es nicht nur ums Hecheln, um Atmung und Entspannung, sondern um Wissensvermittlung rund um die Geburt. Das Wichtigste ist, dass Frauen Vertrauen in ihren eigenen Körper aufbauen“, erklärt die 25-Jährige.
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Ein weiteres Problem sei, dass die Krankenkassen nur die Kosten für ein einziges Vorgespräch übernähmen. „Oft machen Schwangere aber Termine bei mehreren Hebammen aus, um zu schauen, welche am besten passt. Wir nennen das ,Hebammencasting‘“, sagt Schara. Das sei aber nicht nur ein finanzielles Problem, weil die Frauen die Kosten für die weiteren Gespräche selbst tragen müssten, sondern sie blockierten so auch Plätze, die andere dringend benötigten.
Man müsse genau überlegen, wie viele Frauen man betreuen könne. Der Beruf der Hebamme sei nicht auf Massenabfertigung angelegt, sondern auf individuelle Unterstützung. Beide Frauen sind sich einig: „Es ist auf jeden Fall ein superschöner Beruf, der sehr erfüllend ist.“
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