Essen. Aarchäologe Sebastian Senczek ist begeistert: Mit Helfern konnte er Teile einer mittelalterlichen Burg freilegen - mit faszinierenden Ergebnissen

Ein Stadtarchäologe im Ruhrgebiet hat nicht alle die Tage die Gelegenheit, eine Burg auszugraben. Essens Stadtarchäologe Sebastian Senczek bot sich diese Chance am Pastoratsberg in Essen-Werden, wo er gemeinsam mit Helfern Teile der Alteburg freilegen konnte. Von dem, was dort zutage trat, zeigte sich Senczek im Gespräch mit der Redaktion begeistert.

Bei der Alteburg handelt es sich um eines der bedeutendsten Bodendenkmäler Essens. Im frühen Mittelalter bot die 400 mal 200 Meter große Befestigungsanlage Schutz vor Überfällen; Menschen und Vieh konnten sich hinter Wälle und aus Ruhrsandstein errichteten Mauern zurückziehen. Die ehemalige Fliehburg ist die größte Burganlage Essens. Erste Hinweise auf das Bauwerk finden sich in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 801, also aus fränkischer Zeit. Experten gehen aber davon aus, dass die Ringwallanlage deutlich älter ist.

Diese Skizze zeigt die Umrisse der Ringwallanlage aus fränkischer Zeit.
Diese Skizze zeigt die Umrisse der Ringwallanlage aus fränkischer Zeit. © WAZ | Dr. Detlef Hopp

Noch im 19. Jahrhundert seien Teile der Burg sichtbar gewesen, weiß Sebastian Senczek zu berichten. Heute verbergen sich die Überreste im Erdreich. Wälle und Gräben sind aber nach wie vor sichtbar. Umfangreiche Ausgrabungen fanden bereits in den 1920er und 1930er Jahren durch den damaligen Leiter des Ruhrlandmuseums Ernst Kahr statt. Doch ein Großteil der seinerzeit verfassten Dokumentation ging im Zweiten Weltkrieg verloren und gilt seitdem als verschollen. Nur wenige ungenaue Beschreibungen, Zeichnungen, Fotos und Funde seien erhalten geblieben.

Essens neuer Stadtarchäologe war zuvor im Bochumer Bergbaumuseum tätig

So war es für Essens Stadtarchäologen eine mehr als willkommene Gelegenheit, die Alteburg auf ihre „archäologische Substanz hin zu überprüfen“, wie es Sebastian Senczek formuliert. Der 40-jährige Familienvater ist seit Mai vergangenen Jahres Essens Stadtarchäologe, nachdem er zuvor zehn Jahre im Bergbaumuseum Bochum tätig war. Mittelalter und Frühgeschichte sind dem Archäologen aber alles andere als fremd. Seine Doktorarbeit hat er über eine eisenzeitliche Siedlung in der Oberpfalz verfasst.

Ein Team legte in Essen Teile der Burg frei.
Ein Team legte in Essen Teile der Burg frei. © WAZ | Senczek

Die Chance für Ausgrabungen an der Alteburg bot sich Senczek unvermittelt. Hintergrund: Das Bodendenkmal befindet sich auf privatem Grund. 2021 ließ der Eigentümer auf seinem Grundstück umgestürzte Bäume und Totholz entfernen; Waldarbeiter legten dafür einen forstwirtschaftlichen Weg an. Als altes Mauerwerk zutage trat, schritt die Stadtarchäologie ein aus Sorge, das Bodendenkmal könnte beschädigt werden.

Fasziniert zeigt sich Essens Stadtarchäologe vom Zustand des Steintores

Welchen Eindruck hat Essens Stadtarchäologe von der Alteburg gewonnen? „Es war erfreulicherweise sehr viel erhalten“, berichtet Sebastian Senczek. Auch wenn die Substanz im Laufe der vergangenen 100 Jahre teilweise sehr gelitten habe. Nicht immer sei man rücksichtsvoll mit dem historischen Erbe umgegangen, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren. „Einen Strommast hat man mitten auf die Mauer gesetzt.“ Auch auf Spuren einer Baggerschaufel seien die Archäologen gestoßen.

Fasziniert zeigt sich Senczek hingegen vom Zustand des „Steintores“, eines von einstmals vier Zugangstoren zur fränkischen Ringwallanlage. Auf einer Länge von 15 Metern konnten die Archäologen das Fundament einer Umfassungsmauer freilegen. Oberhalb davon fanden sich zudem Reste der ehemaligen Torkammer.

Eine in den 1930er Jahren angefertigte Rekonstruktion des Steintores.
Eine in den 1930er Jahren angefertigte Rekonstruktion des Steintores. © WAZ | Dr. Detlef Hopp

Die Befestigung war ursprünglich 1,90 Meter breit und 1,80 Meter hoch gemauert. „Es war eine sehr massive Mauer“, sagt Senczek, als er eine Skizze des Steintores anfertigt. Beide Mauerbefunde bildeten demnach schmale, enge Torgasse, die in die eigentliche Burg hineinführte. Auch Angreifer mussten durch die schmale Gasse, wollten sie das Tor erstürmen. Von zwei Seiten ließen sie sich von oben bekämpfen. Lesen Sie hier: Sensationsfund in NRW: Archäologen machen große Entdeckung aus Jungsteinzeit

Der nördliche Teil der Gasse war mit Sandsteinplatten gepflastert. Hier befand sich der Durchgang, mit einer stufig angehobenen Schwelle und einer eckigen, abgerundeten Aussparung im rechten Mauerfundament, die vermutlich einem massiven Holzbalken für ein Holztor Halt gab. In der Mitte der linken Torwange setzte die 1,8 Meter starke Umfassungsmauer an, vor der sich ein etwa 1,8 Meter tiefer Graben befand. Bei der Freilegung des Torbereiches zeichnete sich ab, dass der Zugang zur Burg zeitlich in mehreren Phasen errichtet worden ist. Verschiedene Mauerbereiche wurden erst im Laufe der Zeit ergänzt oder erneuert.

Bei ihren Grabungen in Essen-Werden fanden die Archäologen auch Brandspuren

Bei ihren Grabungen fanden die Archäologen zudem Brandspuren. Sie waren schon bei den Grabungen in den 1920er Jahren erfasst worden und deuten darauf hin, dass die Wehranlage Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war. Eine ebenso schauerliche wie faszinierende Vorstellung. „Es war eine sehr bedeutende Anlage“, sagt Sebastian Senczek, gelegen, wo Franken und Sachsen aufeinandertrafen. Gut möglich, dass sie einst um die Alteburg kämpften.

Die archäologischen Funde wurden beschrieben, fotografiert und dokumentiert. Verlorene Informationen konnten durch die Grabungen somit wiedererlangt werden, sagt Senczek, der sich nur im ersten Moment darüber wundert, dass die Archäologen bei ihrer Arbeit nicht auf ein einziges Fundstück stießen, nicht mal auf eine Scherbe aus Ton. Wahrscheinlich hatten frühere Generationen längst alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Und wohl auch mehr als das. Sollte mancher Mauerstein irgendwo in Werden verbaut worden sein, wäre das keine Überraschung. Dieser Artikel erschien ursprünglich im Januar 2024.

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