Essen. Warum die Stadt 350.000 Euro für ein Haus zahlt, das laut Gutachten nur einen Euro wert ist. Weitere „Problemimmobilien“ im Visier
Die Fassade ist heruntergekommen, die Fenster im Erdgeschoss sind verrammelt, der Bürgersteig ist gesperrt: Das Mehrfamilienhaus an der Essener Straße 95/97 in Stoppenberg ist eine „Problemimmobilie“. Als eine solche wird es bei der Stadt Essen geführt. Laut Verkehrswertgutachten ist es gerade mal einen Euro wert. Und doch wird die Stadt 350.000 Euro dafür bezahlen.
Einmal mehr greift die Stadt Essen tief in die Tasche, um einen „städtebaulichen Missstand“ zu beseitigen. Dieses Ziel hat die Stadt sich mit dem Ankauf so genannter Schrottimmobilien gesetzt. Weitere 33 „Problemhäuser“ hat die „Immobilien Entwicklung der Stadt Essen GmbH“ (IEE) bereits identifiziert, um sie im nächsten Schritt zu erwerben. Die städtische Tochtergesellschaft wurde eigens für diesen Zweck gegründet.
An der Essener Straße kam es zu „wiederholten Einsätzen der Ordnungsbehörden“
Zur „Problemimmobilie“ an der Essener Straße 95/97 gibt es eine Vorgeschichte: 2020 hatte die Stadt bereits das Nachbargebäude erworben, nachdem es in den Jahren zuvor immer wieder Beschwerden aus der Nachbarschaft gegeben hatte. Insbesondere über Müll im Hinterhof, was zu „wiederholten Einsätzen der Ordnungsbehörden führte“, wie es in einem Bericht der Stadtverwaltung heißt.
Auch mit dem damaligen Eigentümer des Hauses Essener Straße 95/97 sei die Stadt sich über einen Verkauf bereits handelseinig gewesen. Bis dieser seine Immobilie „mit hohem Gewinn“ an einen anderen Interessenten veräußert habe. Als die Stadt schließlich damit begann, das nebenstehende Gebäude wie geplant abzureißen, seien an der Giebelwand des Hauses Essener Straße 95/97 Risse aufgetreten. Wie es heißt, sei bereits vor Beginn der Arbeiten ein „erheblicher Schiefstand“ des Gebäudes festgestellt worden. Weil die Standsicherheit „ernsthaft anzuzweifeln war“, verhängte das Bauordnungsamt einen Baustopp. Dem Eigentümer wurde auferlegt, den öffentlichen Verkehrsraum vor seinem Haus zu sichern. Deshalb stehen dort Absperrbaken.
Der Abriss der Schrottimmobilie kostet die Stadt Essen weitere 500.000 Euro
Seitdem liegen beide Seiten vor Gericht. Der Hauseigentümer hat die Stadt verklagt. Wie die Sache ausgeht, ist nach Einschätzung der Verwaltung offen. Einen langwierigen Rechtsstreit möchte man lieber vermeiden. Auch deshalb ist die Stadt bereit, für das Haus einen Haufen Geld zu bezahlen. Zuzüglich zum Kaufpreis von 350.000 Euro wären dies 35.000 Euro an Grunderwerbssteuern. Mit weiteren 500.000 Euro schlägt nach Berechnung der Verwaltung der Abriss der Schrottimmobilie zu Buche. Summa summarum eine teure Angelegenheit also.
Drei Jahre blieben der Stadt Zeit, um das Grundstück wieder zu bauen, da es planungsrechtlich an einen sogenannten Außenbereich grenzt. Verfällt die Frist ungenutzt, würde das Grundstück ebenfalls Teil des Außenbereichs, dort zu bauen wäre kaum noch möglich.
Das Beispiel verdeutlicht, welchen Aufwand die Stadt betreiben muss, will sie ihr selbstgestecktes Ziel erreichen und „städtebauliche Missstände“ beseitigen. Schrottimmobilien strahlen im negativen Sinne aus auf die Umgebung. Das Problemhaus an der Essener Straße liegt auf dem Weg zum Welterbe Zeche Zollverein, betont die Verwaltung. Nein, einen guten Eindruck macht das nicht. Aus Sicht der Stadt ist dies ein Grund mehr, zu handeln.
Elf Hauseigentümer wären grundsätzlich bereit, an die Stadt Essen zu verkaufen
Mit Geld allein ist es nicht getan. 14 Eigentümer, deren Immobilien die IEE als „am Markt nicht mehr handelbar“ einstuft und deshalb erwerben will, seien gar nicht erst zu erreichen gewesen, berichtet Dirk Miklikowski, Geschäftsführer der IEE, die unter dem Dach der städtischen Immobiliengesellschaft IME firmiert. Die Post war nicht zustellbar. Vier weitere Eigentümer winkten ab. Sie wollten nicht verkaufen.
Miklikowski berichtet von „komplexen Eigentumsverhältnissen“, mit denen er es zu tun habe, zum Beispiel mit Erbengemeinschaften. Und er erzählt von Hausbesitzern, die ihr Geld guten Glaubens in Immobilien angelegt hätten und plötzlich feststellen müssten, dass ihr Eigentum de facto nur Schrottwert besitzt. Andere wiederum hätten „surreale Preisvorstellungen“, wenn es um den Verkauf ihrer Immobilie geht. Es sei eben ein schwieriges Geschäft.
Dennoch: Mit vier Hauseigentümer sei die IEE über einen Verkauf im Gespräch. Miklikowski hofft, dass die Verträge Anfang des kommenden Jahres unterzeichnet werden. Weitere elf Hauseigentümer hätten erklärt, dass sie interessiert seien, zu verkaufen. Am Ende dürfte es eine Frage des Preises sein.
Sechs Millionen Euro hat der Rat der Stadt der städtischen Tochtergesellschaft für den Ankauf von Schrottimmobilien zur Verfügung gestellt. Geschäftsführer Dirk Mikilikowski ist schon jetzt sicher: „Damit werden wir nicht auskommen.“
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