Die Häuser Zinkstraße 10 bis 20 in Essen-Bochold sind ein sozialer Brennpunkt. Nach mehrjährigem Ringen ist die Stadt ihrem Ziel nahe.

Der erbittert geführte Kampf der Stadt Essen gegen die Schrottimmobilien Zinkstraße 10 bis 20 in Essen-Bochold geht schon ins achte Jahr, jetzt hat sie das Licht am Ende des Tunnels endlich vor Augen: Von den 48 Eigentumswohnungen in den fünf Mietshäusern befinden sich bereits 45 im Besitz der Stadt. Die Chance, die Problemhäuser endlich abreißen zu können und durch schicke Neubauten zu ersetzen, ist zum Greifen nahe.

Am 5. Februar 2018 sind die Schrottimmobilien Zinkstraße 18 und 20 für unbewohnbar erklärt und von der Stadt geräumt worden. Das Bild zeigt die Rückseite.
Am 5. Februar 2018 sind die Schrottimmobilien Zinkstraße 18 und 20 für unbewohnbar erklärt und von der Stadt geräumt worden. Das Bild zeigt die Rückseite. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Bezirksvertretung IV und der Planungsausschuss haben dieser Tage die Weichen gestellt für den Erwerb von zwei weiteren „Miteigentumsanteilen“, den Wohnungen Nr. 47 und 48. Kostenpunkt inklusive Nebenkosten: fast 130.000 Euro. Jetzt muss die Stadt an der Zinkstraße nur noch drei Wohnungen in ihren Besitz bringen.

Fast sechs Jahre später, Anfang Dezember 2023, hat sich das Bild kolossal gewandelt. Die Schrottimmobilien sind weitgehend leergezogen und die Müllberge verschwunden.
Fast sechs Jahre später, Anfang Dezember 2023, hat sich das Bild kolossal gewandelt. Die Schrottimmobilien sind weitgehend leergezogen und die Müllberge verschwunden. © WAZ

Seit der Razzia vom Dezember 2016 sind schon sieben Jahre vergangen

Ankaufen, abreißen, neu bauen: Das mag so leicht erscheinen, aber die Wahrheit sieht im Fall Zinkstraße völlig anders aus. Das verdeutlicht der Blick in die Historie. Man schreibt das Jahr 2016, als die Verwaltung den Auftrag erhielt, die Häuser Zinkstraße 10 bis 20 anzukaufen und niederzulegen.

Der erbittert geführte Kampf gegen die Schrottimmobilien Zinkstraße 10 bis 20 geht schon ins achte Jahr. Dieses Foto ist bei einer Razzia am 8. Dezember 2016 entstanden. Die Einsatzhundertschaft der Polizei rückte im Morgengrauen an, um den Behördenvertretern den Rücken zu stärken.
Der erbittert geführte Kampf gegen die Schrottimmobilien Zinkstraße 10 bis 20 geht schon ins achte Jahr. Dieses Foto ist bei einer Razzia am 8. Dezember 2016 entstanden. Die Einsatzhundertschaft der Polizei rückte im Morgengrauen an, um den Behördenvertretern den Rücken zu stärken. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Damit die Städte im Kampf gegen Schrottimmobilien ein scharfes Schwert führen können, greift das Land NRW den am häufigsten betroffenen, meist klammen Städten des Ruhrgebiets kräftig unter die Arme. Beim „Modellprojekt Problemimmobilien“ trägt Düsseldorf beim Ankauf allein 95 Prozent des Verkehrswertes. Doch selbst das reicht nicht aus, wie die jüngste Zockerei an der Zinkstraße gezeigt hat.

Die Verwaltung legt detailliert Rechenschaft ab, wie energisch, aber auch wie stockend und zeitraubend der mittlerweile millionenteure Ankauf von inzwischen 45 Wohnungen abgewickelt worden ist. Es ist eine beinahe ritualisierte Abfolge von Wertauskünften und Kaufpreisangeboten, von zum Teil drastischen Aufschlägen und intensiven Verhandlungen, von Verträgen und Beurkundungen.

Seit der ersten Groß-Razzia im Dezember 2016 vergehen mehrere Jahre bis zum Ankauf der ersten Wohnungen: Zuerst kauft die Stadt 14 Wohnungen im sogenannten „freihändigen Erwerb“, im Mai 2020 folgen weitere acht Wohnungen, im Herbst 2021 noch mal elf und danach abermals acht. Der vorerst letzte Geschäft über zwei Wohnungen wurde in diesem Herbst abgewickelt. Macht zusammen mit den aktuellen beiden (47 und 48) zusammen 45.

Bezirkspolitiker sprechen von „Erfolgsgeschichte“ und atmen auf

Razzia an der Germania-/Ecke Zinkstraße im Oktober 2017: Die Problemhäuser sind längst von der Bildfläche verschwunden. Der Zaun links im Bild grenzt an den Borbecker Mühlenbach, der jetzt renaturiert wird.
Razzia an der Germania-/Ecke Zinkstraße im Oktober 2017: Die Problemhäuser sind längst von der Bildfläche verschwunden. Der Zaun links im Bild grenzt an den Borbecker Mühlenbach, der jetzt renaturiert wird. © FUNKE Foto Services | Sebastian Hetheier

Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig (CDU) zieht nach siebenjährigem Kampf gegen die Schrottimmobilie Zinkstraße 10 bis 20 optimistisch (Zwischen-)Bilanz: „Wir sind dabei, einen Schandfleck zu beseitigen, es ist eine Erfolgsgeschichte.“ Ulrich Schulte-Wieschen, SPD-Fraktionschef in der BV IV, räumt ein, dass sieben Jahre eine lange Zeit waren und dicke Bretter gebohrt werden mussten. Aber auch er atmet auf. „Unterm Strich ist ein sozialer Brennpunkt beseitigt worden.“

Hinter den Problemhäusern Zinkstraße renaturiert die Emscher Genossenschaft gerade den Borbecker Mühlenbach. In der Baustelleneinfahrt standen früher die Schrottimmobilien Germaniastraße.
Hinter den Problemhäusern Zinkstraße renaturiert die Emscher Genossenschaft gerade den Borbecker Mühlenbach. In der Baustelleneinfahrt standen früher die Schrottimmobilien Germaniastraße. © WAZ

Weil die Emscher Genossenschaft direkt nebenan obendrein gerade dabei ist, den Borbecker Mühlenbach umzukrempeln von einer verrohrten Köttelbecke in einen natürlichen Bach, träumt die Kommunalpolitik in Bochold bereits vom idyllischen „Wohnen am Wasser“. „Der Abriss der Problemhäuser und der renaturierte Borbecker Mühlenbach werden das Quartier anspruchsvoll aufwerten“, hofft Schulte-Wieschen.

Bereits jetzt, beim Ortstermin an diesem kalten Dezembermorgen, gibt die Zinkstraße ein angenehm friedliches Bild ab. Die fünf Haustüren sind verriegelt, die Fenster zum Teil vergittert und die Kellerfenster mit großen Blechplatten zugeschraubt. Wo Schrotthändler einst mit Sperrmüll bepackten Sprintern vorfuhren und junge Frauen aus Südosteuropa in schmuddeligen Bademänteln und Schlappen übers Trottoir flanierten, herrscht nun Ruhe. Eine ungewohnte Ruhe nach so viel Radau.

Anwohner berichten von Pistolenschüssen und Messerattacken

Eine Anwohnerin aus der Häuserreihe direkt gegenüber atmet spürbar auf. Wenn sie über das Kriminalitätsgeschehen der vergangenen 14 Jahre vor ihrer Haustür berichtet, kommt in ihrer verstörenden Auflistung das halbe Strafgesetzbuch vor. „Es gab Messerattacken, Einbrüche, Brandstiftung in vollgemüllten Kellern, Rattenplagen, Kakerlaken, geklaute Fahrräder, Schlägereien, Prostitution, Diebstähle, Drogen, Pistolenschüsse“, berichtet sie. Im Haus Nummer 14 hätten sie einen Mann angeschossen, daraufhin seien seine Freunde mit Messern bewaffnet aufgekreuzt. „Das war vor vier Jahren, die ganze Straße war voller Polizei.“

Nicole Heitmann war 2017 Hausverwalterin für die Problemhäuser Zinkstraße und musste mitansehen, wie die Häuserzeile zusehends verfiel.
Nicole Heitmann war 2017 Hausverwalterin für die Problemhäuser Zinkstraße und musste mitansehen, wie die Häuserzeile zusehends verfiel. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Regelmäßig kamen Monteure der Energieversorger vorbei, um Strom und Gas abzusperren, weil Rechnungen nicht bezahlt waren. „Wenn nicht mehr mit Gas geheizt werden konnte, haben sie die Wohnung mit dem Backofen geheizt“, sagt die Anwohnerin. Gut könne sie sich auch daran erinnern, dass Tische, Stühle und Fernseher im hohen Bogen aus der zweiten Etage auf ein geparktes Auto geworfen wurden.

Aktuell würden sich in einer Wohnung in der „14“ Monteure aufhalten und in der „20“ seien noch zwei Wohnungen vermietet. Obwohl alles verriegelt sei, würden immer noch junge Männer in die Häuser gelangen. „Man vermutet, dass Drogenverkäufer am Werk sind“, berichtet sie. Abends aus dem Haus zu gehen, sei immer noch gefährlich.

Zum städtischen Arsenal im Kampf gegen die Schrottimmobilien Zinkstraße gehörten Razzien „mit großem Besteck“ ebenso wie die Ordnungsverfügung, die Problem-Wohnungen für unbewohnbar erklärt und Räumungen nach sich zieht.

So zocken Eigentümer beim Eigentümer beim Verkauf an die Stadt

Doch so machtvoll und breitbeinig der geballte Auftritt der Staatsmacht - Dutzende Vertreter von Melde-, Jugend-, Sozial-, Umwelt- und Ordnungsamt mit der Einsatzhundertschaft der Polizei im Rücken - auch wirken mag: Wenn um den Preis der jeweiligen Eigentumswohnung gefeilscht wird, sitzen die Behördenleute plötzlich nicht mehr am langen Hebel.

Zu wissen, dass die Stadt seine Wohnung unbedingt kaufen will, spielt dem Wohnungseigentümer in die Karten. Das zeigt die jüngste Pokerpartie um die Wohnungen Nummer 47 und 48. „Ein Gutachten zum Stichtag Oktober 2022 ermittelte einen aktuellen Verkehrswert der Wohnungen von 64.000 Euro“, heißt es im Dossier der Verwaltung. Gezahlt werden musste am Ende - samt Kosten für Makler und Ersatzwohnung mehr als das Doppelte: 129.125 Euro. „Der Verhandlungsspielraum war ausgeschöpft“, formulieren sie es in der Verwaltung achselzuckend.

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