Essen. Neueste Videotechnik, doppelt so viele Einsatzkräfte und besserer Schutz für die Retter: Essener Behörden wappnen sich für den Jahreswechsel.
Der politische Auftrag an die Polizei für den Jahreswechsel in Essen ist so fordernd wie wohl nie zuvor: Eine beweissichere Strafverfolgung potenzieller Randalierer sicherzustellen und die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst vor Übergriffen gewaltbereiter junger Männer zu schützen - das sind im Kern die Aufgaben für das kommende Silvester, sagt Polizeioberrat Achim Kroner. In einem Gespräch mit dieser Zeitung kündigte der Leiter der Inspektion Süd unmissverständlich an: „Wir wollen die Leute kriegen, die uns Ärger machen.“ Dieses Mal soll das besser klappen - mit feinerer Taktik, besserer Technik als auch deutlich mehr Personal auf den Straßen.
Wer meint, so wie an Silvester des vergangenen Jahres oder noch schlimmer über die Stränge schlagen zu müssen und ungeschoren davonzukommen, dürfte diesmal sein blaues Wunder erleben: In Uniform wie in Zivil werden doppelt so viele Kräfte für Sicherheit und Ordnung sorgen als vor zwölf Monaten, sagte Kroner, der nicht nur den Einsatz leitet, sondern auch für die Arbeitsgruppe aus Polizei, Feuerwehr, Stadtämtern und Akteuren des örtlichen Präventionsnetzwerks verantwortlich zeichnet, die sich nach der Silvesterrandale 22/23 zusammengefunden haben.
Denn eins hatte Oberbürgermeister Thomas Kufen damals ziemlich schnell klargestellt: Solche Krawalle dürfen sich in Essen nicht wiederholen und schon gar nicht mangels Beweisen (fast) ohne juristische Konsequenzen für jene Chaoten bleiben, die Einsatzkräfte mit Böllern beworfen und mit Raketen beschossen haben. Bei den Ausschreitungen in sechs Stadtteilen wurden drei Feuerwehrkräfte und ebenso viele Polizisten verletzt. Die Kommission „Rakete“ ermittelte und die Staatsanwaltschaft prüfte, ob die Verdachtsmomente gegen vier junge Männer im Alter von 15, 16, 22 und 24 Jahren ausreichend für gerichtsfeste Anklagen sind. Waren sie in drei Fällen nicht.
Am Ende stand lediglich eine Bewährungsstrafe
Am Ende stand lediglich eine Bewährungsstrafe für einen der Beteiligten. Und das, obwohl Straftaten des Widerstands gegen die Staatsgewalt, gegen die öffentliche Ordnung und die körperliche Unversehrtheit sowie des strafbaren Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen und des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ebenso im Raum standen wie gefährliche Körperverletzung und tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte in mehreren Fällen.
Um erneute Übergriffe und Ausschreitungen am besten verhindern oder - wenn sie passieren - besser ahnden zu können, wollen die Behörden aber nicht nur personell massiv aufrüsten: Kroner bestätigte, dass das Essener Präsidium eine der zehn neuen mobilen Videobeobachtungsanlagen für die Silvesternacht angefordert hat, die Innenminister Herbert Reul jüngst in den Dienst stellte. Deren sechs Kameras an einem mehrere Meter hohen Mast können hochauflösende Bilder mit einem extremen Zoom liefern und so entscheidend dazu beitragen, Randalierer gerichtsfest zu überführen. Noch hat das zuständige Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) über den Antrag aus Essen zwar nicht entschieden. „Ich bin aber optimistisch, dass wir eine Anlage bekommen“, so der Polizeioberrat.
Zudem werden neben Beamten mit Handys auch Kräfte der speziell geschulten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) mit ihren Kameras auf Essens Straßen unterwegs sein, weiß Kroner, der keine genaue Zahl der Einsatzkräfte nennen mag. Eine satt dreistellige Summe dürfte aber unterm Strich stehen, wenn man die Beamten der örtlichen Behörde und die Essen zugeteilten geschlossenen Einheiten wie BFE und Einsatzhundertschaften addiert: „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was wir an Kräften bekommen haben vom LZPD.“
Sozialarbeiter sind in einem eigenen Bus unterwegs
Neben den Uniformträgern werden Beamte in Zivil am Abend und in der Nacht als Silvester-Scouts unterwegs sein wie auch Sozialarbeiter in einem eigenen Bus. Die Polizisten sollen Aufklärung betreiben, wie sich die Lage an den mutmaßlichen Hotspots wie Freisenbruch, Kennedyplatz und Salzmarkt, Katernberger Markt, Altenessen sowie am Wasserturm an der Steeler Straße entwickelt. Streetworker sollen vor Ort sein, bevor eine Lage eskaliert und bereits vor dem Jahreswechsel auf ihre Klientel einwirken, um Randale erst gar nicht entstehen zu lassen. „Wir sind, glaube ich, nah an der Zielgruppe dran“, meint Kroner. Jugendkontaktbeamte, die ihre Pappenheimer genau kennen, sind bereits seit dem Sommer im präventiven Einsatz.
Schon jetzt scannt die Polizei soziale Netzwerke auf der Suche nach Aufrufen zu Krawallen, die einer gewissen TikTok-Klientel vor allem dazu dienen, sich wichtig zu machen und bei Grenzüberschreitungen zu inszenieren. Bislang gibt es die allerdings nicht und ebensowenig Hinweise darauf, dass der Nahost-Konflikt die Bereitschaft zur Gewalt auf den Essener Straßen zusätzlich schüren könnte, sagt Kroner. In der Hoffnung darauf, dass polizeiexterne Beobachter der Selbstdarstellungs-Plattformen auf potenzielle Verabredungen aufmerksam machen könnten, wird in diesem Jahr ein Hinweisportal bereits vor Silvester geschaltet. Nach Neujahr können dort wie schon im vergangenen Jahr weiterhin Videos oder Fotos hochgeladen werden, wenn es einen Bedarf gibt. Die entsprechende Internetadresse will die Behörde noch bekanntgeben.
Einsatzkräfte mit einem speziellen Gehörschutz ausgestattet
Sollte es trotz aller Aufklärung im Vorfeld dennoch zu Bedrohungen oder Angriffen gegen Feuerwehrleute oder Rettungsdienstkräfte kommen, sind auf den Leitstellen an der Büscherstraße und an der Eisernen Hand erstmals Verbindungsbeamte der jeweils anderen Behörde im Einsatz, um möglichst schnell und gezielt reagieren zu können. So will die Feuerwehr den kurzen Draht zur Polizei gewährleisten, sagt deren Sprecher Christian Schmücker. Zudem wird sich ein zusätzlicher Lagedienstführer ausschließlich um silvesterbedingte Aufgaben kümmern.
Um Knalltraumata und Gehörverlust durch explodierende Feuerwerkskörper vorbeugen zu können, hat die Stadt Essen einen speziellen Schutz für die Feuerwehr und den Rettungsdienst angeschafft, der verpflichtend auf der Straße zu tragen ist. Wie Schmücker erklärte, erlauben die Spezialstöpsel eine normale Unterhaltung, schirmen aber vor plötzlichen starken Schallimpulsen ab. Darüber hinaus seien die Einsatzkräfte angewiesen worden, die volle Schutzausrüstung zu tragen, die Jacke immer geschlossen zu halten und den Hals mit dem Schutztuch am Helm abzudecken, um gegen Verletzungen durch Böller und Raketen gefeit zu sein. Diesmal, so scheint‘s, werden eher andere was auf die Ohren kriegen.
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