Essen. Ausschreitungen zu inszenieren sei ein Wettbewerb unter Jugendlichen geworden, hieß es nach einem Behördentreffen. Gefährderansprachen geplant.
Nach den Ausschreitungen zum Jahreswechsel in Essen werden offenbar weitere Krawalle befürchtet: Es ist davon auszugehen, dass nicht nur die Silvesternacht für regelrechte Wettbewerbe unter jungen Männern missbraucht wurde, sondern weitere Anlässe geschaffen oder gesucht werden. Ziel der Randalierer sei es herauszufinden, welche Jugendgang in welchem Quartier am heftigsten über die Stränge schlagen und die schockierendsten Filme davon aufnehmen und verbreiten kann, hieß es am Freitag nach einem Treffen der Behörden im Rathaus.
„Diese Challenge über soziale Medien, die ist neu“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen, nachdem erste Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse zu dem schlagzeilenträchtigen Jahreswechsel auf seinem Tisch lagen.
Es ist die jüngste und eine besorgniserregende Nachlese des vergangenen Silvesters in Essen - vor diesem Hintergrund mag ein anderer Befund überraschen: „Nach Einschätzung der Polizei und der Feuerwehr war es eigentlich eine relativ ruhige Nacht“, sagte Kufen - wenn, ja, wenn es denn die Randale vor allem in Huttrop und im Bergmannsfeld nicht gegeben hätte.
Ein immer häufiger festzustellendes Phänomen
Der OB zeigte sich nach dem Austausch überzeugt, dass der Trend, Angriffe auf Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste zu planen, sie auch noch regelrecht zu inszenieren und dann als Video auf Internetplattformen zu veröffentlichen, ein immer häufiger festzustellendes Phänomen gerade unter Jugendlichen ist.
Deshalb bereite man sich nach den einschlägigen Erfahrungen zum Jahreswechsel gemeinsam darauf vor, im anstehenden Jahr die sozialen Kanäle genauer zu beobachten, und schon im Verdachtsfall gezielt auf Familien und Jugendgruppen zuzugehen, um nicht gewollte Verabredungen an bestimmten Orten innerhalb des Stadtgebiets zu verhindern. Erkenntnisse sollen möglichst ohne Zeitverzug allen relevanten Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Das müsse besser funktionieren als bisher, hieß es.
Man müsse denjenigen, die provozieren wollen, „zeigen, dass wir sie kennen und ihnen deutlich machen, dass sie zu einer Party eingeladen haben, die wir nicht wollen“, ist Kufen überzeugt.
Das Netz um bestimmte Quartiere enger ziehen
Mit Blick auf die besonders von Randale betroffenen Stadtteile Huttrop und Bergmannsfeld wurden im Rathaus erste Maßnahmen vereinbart. „Wir werden unser Netz um bestimmte Quartiere enger ziehen“, beschreibt das Stadtoberhaupt die geplante Vorgehensweise: „Der Allgemeine Soziale Dienst des Jugendamtes wird in der kommenden Woche mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren auf Stadtteilebene zusammenkommen, den betroffenen Personenkreis identifizieren und gezielt sogenannte Gefährderansprachen vornehmen, um weitere Taten zu unterbinden.“
Schon das werde ein deutliches Signal aussenden, hofft der Oberbürgermeister - mit der warnenden Botschaft: „Wir wissen, wer ihr seid.“
Darüber hinaus wurde vereinbart, die bewährte Struktur der Quartiershausmeister in den Stadtteilen personell zu verstärken, um mehr Füße in die Türen zu bekommen, hinter die man schauen will. Justiz und Staatsanwaltschaft waren an dem ersten großen Austausch über die Silvesterkrawalle noch nicht beteiligt, sollen aber zu weiteren Gesprächen hinzugezogen werden, kündigte der OB an.
Polizei hat erste Videos übers Hinweisportal bekommen
Polizeisprecher Pascal Schwarz-Pettinato berichtete am Freitag, dass die Ermittler erste Videos aus der Neujahrsnacht über das am Donnerstag eingerichtete Hinweisportal bekommen haben. Die Aufnahmen werden nun ausgewertet, um möglichst vielen Randalierern auf die Spur zu kommen - was kein leichtes Unterfangen sein wird, wie das Verfahren nach den Silvester-Ausschreitungen von Altenessen vor zwei Jahren zeigt: Einige der Tatverdächtigen konnten bis heute nicht zweifelsfrei identifiziert werden.
Merklich betroffen gemacht hat Thomas Kufen, dass er erfahren musste: Der 40 Jahre alte Familienvater, der durch eine Feuerwerk-Explosion in Katernberg lebensgefährliche Verbrennungen erlitten hat, wird nach wie vor auf einer Intensivstation behandelt. Die Tochter des Mannes ist in der Silvesternacht schwer verletzt worden.