Essen-Werden. Für Jochen und Julia Hüls ist Weihnachten Schluss: Sie geben ihr Delikatessen-Geschäft mitten in Essen-Werden ab. Ein Blick ins Familienalbum.
Seit 50 Jahren ist „Delikatessen Hüls“ im Herzen von Werden eine feste Adresse für den speziellen Gaumengenuss: mit Feinkost, hausgemachten Salaten, ausgesuchten Weinen, Spirituosen, Teesorten, dem hauseigenen Traditionssekt, exquisiten Süßwaren wie den beliebten Pralinen. Dazu ein Partyservice und das Angebot eines täglich frisch gekochten Mittagstischs. Jochen und Julia Hüls führten das Geschäft in vierter Generation. Nun gehen sie in Ruhestand.
Da keines der drei Kinder den elterlichen Betrieb fortführen möchte, gab es am 18. Dezember mit dem legendären Grünkohleintopf zum letzten Mal ein Mittagessen aus dem Hause Hüls. Am nächsten Samstag, 23. Dezember, schließt das Traditionsgeschäft die Pforten. Zunächst einmal.
Täglich für 70 bis 100 Kinder des Gymnasiums Essen-Werden gekocht
Doch schon Anfang 2024 werden Stefanie und Patrick Jabs von der renommierten Kochschule „Lecker Werden“ das Geschäft an der Heckstraße übernehmen, alles renovieren und ein Feinkostgeschäft eröffnen. Der 64-jährige Jochen Hüls freut sich über die Nachfolger: „Wir sind froh, dass der Laden weiterhin in unserer Schiene läuft. Ich habe es immer gerne gemacht. Mit Berufung.“ Gattin Julia berichtet: „Wir hatten etliche Interessenten für eine Ladenübernahme. Aber das Konzept von Stefanie und Patrick Jabs ist einfach optimal und hat uns voll überzeugt. Sie werden unseren Geist weitertragen.“
Die 60-Jährige freut sich schon sehr darauf, demnächst ausspannen zu können, und gibt ehrlich zu: „Wir spüren unsere Knochen ganz schön. Die schweren Platten schleppen, die Teller, das Besteck. Das werde ich nicht vermissen. Aber es war eine schöne Zeit.“ Jochen Hüls blickt ernst: „Die Lebensmittel-Branche ist Knochenarbeit. Das muss man wissen. Über 13 Jahre haben wir die Schulverpflegung fürs Gymnasium übernommen. Das hieß täglich für 70 bis 100 Kinder Essen kochen, bringen, ausgeben und hinterher alles spülen.“
Urgroßeltern Steinmann begründeten das Familiengeschäft
Die eigenen Kinder hätten stets eifrig mitgeholfen, zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt, bei der traditionellen Suppe zur Ludgerus-Prozession oder beim Neujahrskonzert in Haus Fuhr. Sie gehen aber andere beruflichen Wege: „Da haben wir auch nie Druck gemacht.“ Freie Samstage kannten die beiden Werdener nicht. Selbst zur Kegeltour sei man erst sonntags hinterhergereist, sagt Jochen Hüls: „Und am Montag ging es schon wieder heim.“
Er blättert im alten Familienalbum. Seine Urgroßeltern Steinmann mit einer Pferdedroschke: Sie führten ab 1929 ein Milchgeschäft an der Ecke Velberter Straße und Kellerstraße. Prompt kamen der große Börsencrash und in seiner Folge viele Firmenbankrotte und Massenarbeitslosigkeit. Jochen Hüls schüttelt den Kopf: „Das waren schwere Zeiten damals und meine Urgroßeltern hatten es wirklich schwer.“ Mit großem Fleiß wurden die Krisen überstanden.
Der Laden befand sich erst in der Eiergasse, dann in der Grafenstraße
Auf einem weiteren Foto werden die Milchkannen schon motorisiert kutschiert. Es zeigt Alois Hüls, der die Steinmann-Tochter Maria geheiratet hatte. Das Paar übernahm den Laden und zog mit ihm an die Eiergasse, später in die Grafenstraße 58. Das nächste Bild: Alois lehnt lässig vor dem Geschäft, das zum Ludgerusfest geschmückt ist.
Lustig ging es dort zu, so Enkel Jochen: „Mein Opa Alois war sehr aktiv im Karneval. Wenn es närrisch wurde, räumte er den Laden komplett aus und verkaufte nur noch Bier und Würstchen. Einmal hat der Opa seinen Kopf kahl rasiert und sich bei den Maskenbildnern an der Folkwang auf der Rückseite ein zweites Gesicht aufmalen lassen. Das war noch vor dem Krieg.“
Jochen Hüls arbeitete nach der Ausbildung auch in der Schweiz
In den letzten Kriegstagen schlug eine amerikanische Granate in die vor dem Milchgeschäft wartende Kundenschlange ein. Es starben mehr als ein Dutzend Menschen. Dann zog „Feinkost Hüls“ gegenüber in die Hausnummer 51. Sohn Willi Hüls und seine Uschi stiegen mit ein und übernahmen später. Eine Verkaufsszene mit Uschi Hüls und einer Kundin zeigt, wie gut bestückt die Regale damals waren.
Am 23. Februar 1973 wechselte „Delikatessen Hüls“ in die Heckstraße 4. Seitdem stand das Geschäft für erlesene Getränke, feinste Speisen und erstklassigen Partyservice. Gelernt hatte Jochen Hüls von der Pike auf: „Nach meiner Ausbildung bei Feinkost Köhler in Dortmund war ich bei Feinkost Rack in Berlin und bin dann um 1983 nach Zürich. Dort in der Delikatessabteilung des Warenhauses Globus war ich Traiteur. Lachs, Kaviar, Hummer, Gänseleber, die absolute Feinkost. Das war eine Riesenabteilung mit 18 Leuten im Verkauf und zwölf weiteren in der Küche.“
Der Partyservice wurde in den 1990er Jahren ausgebaut
Dann rief die Heimat. 1985 trat er ins elterliche Geschäft ein und heiratete 1988 seine Julia, geborene Wittrock: „Wir sind beides waddische Kinder.“ Nach einem Praktikum in Düsseldorf stieg Gattin Julia mit ein ins Geschäft, um 1990 schieden die Eltern Willi und Uschi aus. Lediglich der Partyservice wurde ausgebaut, so Jochen Hüls: „Aber sonst haben wir gar nicht viel verändert. Die Kundschaft wollte es auch gar nicht anders.“
Ausdrücklich möchten die beiden sich für die jahrzehntelange Treue ihrer Mitarbeiter und Kunden von Herzen bedanken. Der soziale Kontakt mit all‘ diesen freundlichen Menschen werde schon fehlen, denkt sich Julia Hüls: „Aber wir sind ja nicht aus der Welt und werden weiter hier wohnen bleiben. Wir kennen hier so viele Leute, und viele kennen uns. Man wird sich weiterhin sehen.“
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