Essen-Werden. Das Projekt „Alte Post“ soll in der Altstadt von Essen-Werden Einkaufen, Büros und Wohnungen bieten. Wie sich das historische Ensemble verändert.
Das Bauvorhaben „Alte Post Werden“ nimmt Fahrt auf. Nach jahrelangen Vorverhandlungen hat die Jagi Immobilien GmbH bei der Stadt Essen Antrag auf Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens gestellt. Am 28. November geht die Vorlage zur Anhörung in die zuständige Bezirksvertretung, am 7. Dezember entscheidet der Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen über das Konzept.
Drei Generationen beugen sich über die Baupläne. Der Werdener Unternehmer Horst Giesen lässt sich von den Jagi-Geschäftsführern Franz und Léonard Schleich die Entwürfe zeigen. Giesens Schwiegersohn und Enkel berichten nicht ohne Stolz, dass das renommierte Kettwiger Architekturbüro Kirchner hier einen städtebaulichen Entwurf mit Pfiff vorgelegt habe. Mit aufgelockerter Bebauung rund um einen grünen Innenhof, mit begrünten oder mit Photovoltaik belegten Dächern.
Kombination aus Verbrauchermarkt, Büroflächen und Wohnraum
Franz Schleich spricht von einer „sehr ansprechenden“ Lösung, die allerdings auch nicht billig zu haben sei. Da müsse die Wirtschaftlichkeit abgeklopft werden. Aber man habe unbedingt etwas langfristig Positives schaffen wollen für den Stadtteil. Der 88-jährige Giesen betont: „Unsere Familie lebt in Werden.“ Ihnen liege viel an der Heimat und an diesem Projekt. Dabei gehe es bestimmt nicht primär um Rendite: „Da könnten wir in München, Frankfurt oder Düsseldorf investieren. Aber wir möchten für Werden etwas tun.“
Auf dem 4340 m² großen Gelände soll eine Kombination aus einem Einzelhandelsmarkt mit 1100 m² Verkaufsfläche, Büroflächen und Wohnraum entstehen. Auch sind insgesamt 161 neue Stellplätze geplant. Damit wäre das wegfallende Parkplatzkontingent nicht nur ersetzt, sondern deutlich erweitert. Geschäftsführer Franz Schleich sieht in dem geplanten Nahversorgungsmarkt eine Stärkung der „Zentrumsfunktion“ der Werdener Altstadt. Die Schließung der Aldi-Filiale vor sieben Jahren hatte eine beträchtliche Versorgungslücke gerissen.
Zusätzliche Kundschaft für den Werdener Stadtkern
Es gilt als gesichert, dass ein großer Verbrauchermarkt zusätzliche Kundschaft in den Stadtkern zieht. Die umliegenden Einzelhändler könnten durchaus mit 20 bis 25 Prozent an Umsatzsteigerung rechnen. Welches Unternehmen aber in etwa fünf Jahren einziehen wird, steht noch nicht fest. Horst Giesen berichtet von mehreren Gesprächspartnern. Dass es sich hier um die renommiertesten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland dreht, liegt auf der Hand: „An dieser exponierten Lage besteht natürlich großes Interesse.“
Zusätzlich möchte man der aktuellen Wohnungsnot in Werden entgegnen. Auch das diene der Belebung der Altstadt. In den oberen Geschossen wird mit 500 m² für Büro- und Dienstleistungsnutzung geplant, auf rund 2300 m² sollen sich um einen begrünten Innenhof auf dem Dach des Marktes 25 bis 32 Wohnungen gruppieren.
Öffentlich geförderter Wohnraum an dieser Stelle täte dem Stadtteil durchaus gut, denn die Quote liegt in Werden mit lediglich 88 der insgesamt 5687 Wohnungen (Stand 2022) deutlich unterm Stadtmittel von über fünf Prozent. Laut Prognosen wird sich diese Zahl aufgrund auslaufender Bindungen in den nächsten fünf Jahren ohnehin noch um gut ein Drittel reduzieren. Franz Schleich erläutert: „Wir prüfen das und versuchen, gemeinsam mit der Stadt diesbezügliche Lösungen zu finden. Aber die Auflagen für eine öffentliche Förderung sind schon sehr hoch.“
Parkhaus mit 93 bewirtschafteten Stellplätzen
Die Parkplatzsituation wird sich verändern: Die Stadt Essen würde einen Großteil der Fläche der früheren Parkpalette verkaufen. In einer Tiefgarage entstehen 52 Stellplätze, dazu kommen oberirdisch acht für Kunden und acht für Bewohner, allesamt bewirtschaftet. Zusätzlich wird die Jagi das städtische Gelände des Lehrerparkplatzes gegenüber des Schwimmbades per Erbpacht übernehmen. Dort soll ein Parkhaus mit 93 bewirtschafteten Stellplätzen auf vier Ebenen gebaut werden, mit einer Sonderlösung für Lehrerparkplätze.
Das über 110 Jahre alte, nicht denkmalgeschützte Bestandsgebäude der Alten Post soll weitgehend abgerissen werden. Die „historische und erhaltenswerte Fassade“ aber bleibe bestehen, so Horst Giesen. Neben der bereits seit April 2018 verwaisten Schalterhalle der Postbankfiliale sowie Räumen für Postfächer und Briefverteilung findet sich im Haus eine private Musikschule.
Hier habe man immer mit offenen Karten gespielt, betont Franz Schleich: „Wir haben das unseren Mietern kommuniziert und bieten ihnen alternative Standorte an.“ Noch bleiben an die drei Jahre Zeit. Denn vorher werde das Projekt nicht baureif, befürchtet der Geschäftsführer: „Obwohl wir alles dafür tun werden, damit es schneller geht.“ Und dann kämen ja noch gut zwei Jahre Bauzeit.