Essen-Werden. Mächtig Kritik der Abteistädter gibt es für den geplanten Abriss der Post in Essen-Werden. Nun nimmt der Eigentümer Stellung zu den Vorwürfen.
Die Post in der Werdener Hufergasse soll bis auf ihre historische Fassade abgerissen werden, um Platz zu machen für einen Neubau mit Tiefgarage, Discounter und Wohnungen. Das ruft viele Abteistädter auf den Plan, die das kritisieren. Nun nimmt der Eigentümer Stellung.
In Leserbriefen und Facebook-Kommentaren wurden Parallelen zum umstrittenen Abriss des Jugendstilhauses Kaiser Friedrich gezogen. Wieder müsse ein historisches Bauwerk einem hässlichen Kasten weichen. Es wird sogar vermutet, hier werde ein schönes altes Haus dem schnöden Mammon geopfert, weil ein Investor den Hals nicht voll bekomme.
Diese harschen Vorwürfe mag der Besitzer des Gebäudes so nicht stehen lassen. Nach einer Phase des Zögerns sieht sich Horst Giesen jetzt zu einem engagierten Appell veranlasst, dem Projekt eine Chance zu geben. Der 85-jährige Giesen ist Werdener in dritter Generation und sieht sich als Lokalpatriot. Ihm liege viel an der Heimat und an diesem Projekt. Ihm gehe es nicht um die Rendite: „Da könnte ich auch in München, Frankfurt oder Düsseldorf investieren.“
Private Musikschule bekommt Alternativen angeboten
Bereits vor 20 Jahren habe er gemeinsam mit seinem Bruder das Postgebäude gekauft. Das Haus stehe nun aber in großen Teilen leer, bald wolle die Deutsche Post AG als bisheriger Hauptmieter ganz ausziehen.
Neben der bereits seit April 2018 verwaisten Schalterhalle der Postbankfiliale sowie Räumen für Postfächer und Briefverteilung findet sich im Haus eine private Musikschule. Seit 15 Jahren wird dort rund 250 Schülern professioneller Gesangs- und Instrumentalunterricht erteilt. Giesen sagt, man habe dem Leiter der Musikschule Unterstützung und alternative Immobilien im Ort angeboten.
Doch warum Abriss und Neubau? Im Juni 2016 wurde die benachbarte Aldi-Filiale aus Platzgründen und wegen zu geringer Zahl an Stellplätzen geschlossen. Eines der letzten noch fußläufig zu erreichenden Angebote fiel weg. Der Aufschrei der Werdener war groß, erinnert sich Giesen: „Man wollte schon eine Bürgerinitiative gründen.“ Für die Altstadt sei der Wegzug von Aldi jedenfalls kontraproduktiv gewesen. Diese Versorgungslücke möchte Giesen wieder schließen.
Neuer Discounter auf 900 Quadratmetern Fläche und mit 14 Stellplätzen
Die Frage nach dem Denkmalschutz
Einige erboste Werdener fordern Denkmalschutz für das über hundert Jahre alte Postgebäude am Ende der Hufergasse. In der Tat hat die nur 175 Meter lange Straße gleich fünf Häuser mit Denkmalschutz zu bieten. Allen voran das Romanische Haus aus dem 12. Jahrhundert, dazu noch ein Stück der 600 Jahre alten Stadtmauer.
In NRW hat der Denkmalschutz zwar Verfassungsrang, ist aber an hohe Hürden gebunden. Das öffentliche Anliegen am „substanziellen, zeugnisgebenden Erhalt historischer Bauwerke“ muss gut begründet mit den Interessen des Eigentümers abgestimmt werden. Eine Gesetzesnovelle soll die Rolle der Denkmaleigentümer noch stärken.
Das Grundstück mit Postgebäude und Betriebshof wäre allerdings zu klein bemessen für einen Lebensmitteldiscounter. Daher soll jetzt das angrenzende städtische Gelände mit 43 Parkplätzen dazu gekauft werden. Der Ausschuss für Stadtentwicklung hat dem Verkauf bereits zugestimmt. Nach der Erweiterung des Grundstücks wäre genügend Platz für eine Tiefgarage mit 50 Stellplätzen, einem 900 Quadratmeter großen Discounter im Erdgeschoss und mindestens 14 weiteren Parkplätzen. Die öffentlichen Stellplätze sollen weiterhin allen Nutzern zugänglich bleiben. Zusätzlich werden Fahrrad-Abstellplätze und E-Ladesäulen installiert, eventuell Solarmodule auf dem Dach.
Das alles kombiniert mit einer Wohnbebauung im ersten Stockwerk: „Wir haben vor, dort kleinere Wohnungen zu erstellen vorzugsweise für Studenten oder Senioren.“ Horst Giesen betont, es habe breite Zustimmung gegeben in den politischen Gremien und auch die örtliche Händlerschaft stehe hinter dem Projekt.
Das kann Werbering-Geschäftsführer Peter Allmang nur bestätigen: „Wir haben unsere Mitglieder im Vorfeld befragt und sehr positive Resonanz erhalten.“ Es gelte als gesichert, dass ein Lebensmitteldiscounter Kundschaft in den Stadtteil ziehe. Die umliegenden Geschäfte könnten durchaus mit 20 bis 25 Prozent an Umsatzsteigerung rechnen.
Eigentümer: „Hier wird kein hässlicher Flachmann hochgezogen“
Den Kritikern hält Horst Giesen entgegen, die dann renovierte und verschönerte Fassade solle stehenbleiben. Sie werde weiterhin den Haupteingang bilden, dann barrierefrei angelegt. Und der neue Komplex werde gewiss kein seelenloser Bau. Er könne diejenigen schon verstehen, die sich Sorgen machten um das städtebauliche Bild. Giesen deutet aber an, dass hier architektonisch ansehnlich gebaut werde. Genau genommen findet er den Gedanken geradezu absurd, dass hier ein hässlicher „Flachmann“ hochgezogen werde: „Das wird kein 08/15-Kasten.“ Dafür stehe schon das namhafte Planungsbüro, welches schon oft städtebauliche Qualität bewiesen habe.
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Wenn denn alle planungsrechtlichen Dinge getan sein, könne in gut zwei Jahren mit dem Bau begonnen werden: „Wir stehen jedenfalls Gewehr bei Fuß.“