Essen-Südostviertel. Bald sollen Flüchtlingsfamilien an der Franziskanerstraße im Essener Südostviertel einziehen. So reagieren Bürger auf die Pläne der Stadt.
- An der Franziskanerstraße im Essener Südostviertel entsteht eine Flüchtlingsunterkunft.
- Die Stadt informierte jetzt die Anwohner über Details.
- Dabei gab es durchaus auch kritische Stimmen.
Wird das Südostviertel in Essen zu sehr belastet? Das war die zentrale Frage für viele Bürgerinnen und Bürger bei der Informationsveranstaltung der Stadt zur neuen Flüchtlingsunterkunft an der Franziskanerstraße 43-47. Dort sollen bald vor allem Familien einziehen.
Durch den Abend unter dem Titel „Flüchtlinge – Herausforderung und Aufgabe der Stadtgesellschaft“ mit anschließender Diskussion führte Ordnungsdezernent Christian Kromberg, der den erkrankten Sozialdezernenten Peter Renzel vertrat. In der gut gefüllten Kirche Heilig Kreuz gab es im Laufe des Abends Applaus für beide Seiten: für Stimmen, die die angekündigten 160 Personen für zu viel für den Stadtteil halten, aber auch für die Bürger, die die Verpflichtung sehen, Menschen in Not zu helfen. So brachte es eine Frau auf den Punkt: „Je mehr wir den Menschen helfen, desto mehr helfen wir uns selbst.“
Einige fürchten den Zuzug von Flüchtlingen im Essener Südostviertel
Christian Kromberg gab zunächst einen allgemeinen Überblick über Flüchtlingsströme, deren Verteilung und die Rolle der Stadt Essen – unterbrochen von einem Bürger, der forderte, diesen Teil der Veranstaltung zu straffen. Er wurde daraufhin vom Ordnungsdezernenten in aller Deutlichkeit aufgefordert, sich zu gedulden. Solche Informationen seien Grundlage, um über das Thema diskutieren zu können.
Derzeit leben laut Kromberg in Essen 8500 Menschen aus der Ukraine, die oft privat untergekommen seien. Die Zahl sei schon höher gewesen, aber rund 1000 Menschen seien bereits zurück in die Heimat gegangen. Insgesamt sei Essen verpflichtet, 1950 Flüchtlinge im Jahr 2023 aufzunehmen, die Mehrheit davon komme aus der Ukraine.
Bei der Veranstaltung ging es um das Gebäude an den Franzikanerstraße 43-47. Es sei vorher von der privaten Hochschule FOM für die Unterbringung von chinesischen Studentinnen und Studenten genutzt worden. Dort gibt es auf gut 3000 Quadratmetern 41 Appartements, jeweils mit Küche. Diese sollen ab Januar als Unterkunft für Familien dienen. „In der Regel werden das erst einmal Frauen mit Kindern aus der Ukraine sein, es ist aber auch möglich, dass dort Familien anderer Herkunft untergebracht werden“, erläuterte Kromberg die Pläne der Stadt. Einziehen sollen 140 bis 160 Personen, was identisch mit der bisherigen Belegung sei.
Derzeit wird der Träger der neuen Einrichtung an der Franziskanerstraße gesucht
Derzeit laufe die Ausschreibung, welcher Sozialträger (Diakonie, DRK etc.) die Unterkunft an der Franziskanerstraße übernehmen werde. Alle Träger hätten viel Erfahrung und könnten dort kurzfristig tätig werden, ist der Dezernent überzeugt. Zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes sollen dort ständig präsent sein.
Zudem soll sich ein runder Tisch im Stadtteil gründen, der die Flüchtlinge im Alltag unterstützt, ihnen hilft, in der Stadtgesellschaft anzukommen, aber auch bei Beschwerden oder Problemen im Umfeld vermitteln kann. Interessierte konnten sich direkt für die Mitarbeit melden. Eine Frau verwies auf Räume des Vereins „Zuhause am Wasserturm“, die ab Januar angemietet werden sollen. Dort könne man sich gegebenenfalls treffen.
Wütenden Zwischenrufen und Redebeiträgen, das Südostviertel sei durch die dichte Besiedlung mit Menschen unterschiedlicher Herkunft sowieso schon sehr belastet, stellten sich andere Teilnehmer entgegen. Einige lobten gerade das „bunte Viertel“, in dem man gut miteinander ins Gespräch komme und sich kennenlerne. Ein Bürger forderte dazu auf, nicht verschiedene Gruppen von Flüchtlingen gegeneinander auszuspielen, indem man sie in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge unterteile nach Kriterien wie weiß, christlich usw.
Laut Kromberg ist die Gesamtsituation beim Thema Flüchtlinge nicht so dramatisch wie 2015, allerdings stiegen die Flüchtlingszahlen weiter an, was die Stadt natürlich vor Herausforderungen stellt. Man wolle schutzsuchende, teils durch den Krieg in ihren Heimatländern schwer traumatisierte Menschen, nicht wieder in Zelten unterbringen und suche deshalb Gebäude für sie.
„Die Anzahl der Immobilien, die der Stadt zum Kauf oder zur Miete angeboten werden und die sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eignen, ist aber sehr begrenzt“, so Kromberg. Man strebe eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge im Stadtgebiet an, versuche verfeindete Nationalitäten zu trennen und mit Angeboten gegenzusteuern, wenn es irgendwo zu Problemen komme. „Aber wir sind froh über jedes Angebot wie das an der Franziskanerstraße und greifen dann natürlich zu.“
Diskussion um gerechte Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt
Eine Rednerin fürchtete – auch mit Verweis auf die Silvesterkrawalle des letzten Jahres – einen weiteren Niedergang des Stadtteils und damit den Wertverfall ihres Betriebes. Andere sorgen sich um fehlende Kita- und Schulplätze oder die Überlastung des öffentlichen Nahverkehrs.
Die Kritik, die Stadt bringe Flüchtlinge vor allem in sowieso schon benachteiligten Stadtteilen mit geringem Einkommen, dichter Bebauung und hohem Migrantenanteil unter und nicht im Essener Süden, wies Kromberg zurück. Er zählte Unterkünfte wie das Kloster Schuir, in Werden und Bredeney auf, wo ebenfalls Flüchtlinge untergebracht seien. Auch in Haarzopf, wo er selbst wohne, habe es viele Jahre Flüchtlingshäuser gegeben.
Den Einwand aus dem Publikum, die Unterbringung in den genannten Stadtteilen erfolge weit weg von weiterer Wohnbebauung, relativierte Kromberg: „Das stimmt im Prinzip, aber die Menschen bleiben nicht den ganzen Tag in ihren Unterkünften, sondern bewegen sich doch ganz normal im Stadtteil und sind dort natürlich auch sichtbar.“
Zu einer weiteren geplanten Flüchtlingsunterkunft an der Königgrätzstraße/Huttropstraße, die Mitte 2024 belegt werden soll, wird es eine weitere Informationsveranstaltung geben.
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