Essen. Frauen mit Lipödem leiden unter teils enorm dicken Beinen, Spott und Schmerzen. Warum ein Essener Chirurg zur Operation im Frühstadium rät.
Sie haben meist voluminöse Beine und schlanke Oberkörper: Bei Frauen mit Lipödem kommt es zu einer Störung der Fettverteilung, die im dritten Krankheitsstadium zu teils grotesk dicken Beinen und in der Folge zu Gangstörungen und Gelenkverschleiß führen kann.
Erst dann zahlen die Krankenkassen eine Operation, bei der überschüssiges Fettgewebe abgesaugt wird. Der Essener Chirurg Dr. Michael Offermann führt die Liposuktion dagegen bereits im Frühstadium aus. Bezahlen müssen die Patientinnen das selbst.
Essener Arzt rät bei Lipödem zur Liposuktion
„Nach unserem Dafürhalten ist die Operation die einzig wirksame Therapie“, erklärt Offermann. Den Nutzen einer Lymphdrainage, die von den Kassen getragen wird, bestreitet der Mediziner mit Praxiszentrum in Rüttenscheid kategorisch. Die ebenfalls als Kassenleistung angebotene Kompressionstherapie kommt bei ihm nicht ganz so schlecht weg: „Wenn die Frauen flachgestrickte Strumpfhosen tragen, lindert das immerhin Beschwerden wie die Berührungsempfindlichkeit.“
Die Druckempfindlichkeit, eine unangenehme Spannung der Haut und sogar starke Schmerzen könne man bei den Patientinnen bereits im Stadium I der Krankheit feststellen – wenn die optisch noch kaum auffalle. „Das sieht harmlos aus, ruft aber schon Schmerzen hervor.“ Und die sind für ihn der Anlass für die OP: Es gehe ihm um eine medizinische Indikation, nicht um das ästethische Problem. Auch wenn es viele Patientinnen erleichtern dürfte, dass auch das durch die Liposuktion nachhaltig gelöst wird. Denn sie leiden oft unter Spott und Sticheleien.
Hormonelle Umstellungen begünstigen die Erkrankung
„Wir können das Lipödem heilen: Nach der OP ist Ruhe“, sagt Offermann. Wenn er einen Oberschenkel erfolgreich operiert habe – wozu je nach Fall auch zwei Eingriffe erforderlich sein können – werde das Lipödem dort nicht mehr auftreten. Dauerhaft garantieren könne er den Erfolg jedoch nur, wenn er möglichst früh operiere: In einem fortgeschrittenen Stadium II oder gar im Stadium III seien die Ergebnisse nicht mehr so durchschlagend.
Info-Abend zur Liposuktion
„Das Lipödem – Behandeln oder Beobachten?“ ist ein Patientenseminar überschrieben, das am Mittwoch, 22. November, von 17 bis 19 Uhr in der Zentrale der Funke Mediengruppe am Jakob-Funke-Platz 1 in Essen stattfindet.
Der Essener Chirurg Dr. Michael Offermann stellt dann Erkenntnisse des Weltkongresses in Potsdam in diesem Jahr vor und spricht über seine Erfahrung mit der operativen Therapie. Dr. Guido Schüftan spricht über die Narkose bei Liposuktion und Rechtsanwalt M. Abdel-Hamid erklärt die Rechtslage zur Liposuktion.
Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, wird um eine Anmeldung gebeten im MVZ Gefäßkrankheiten Rhein Ruhr, Rüttenscheider Straße 199, per Mail: info@gefaesskrankheiten.org oder telefonisch: 0201 - 85 10 60.
„Auf jeden Fall sollten die Patientinnen das vor der ersten Schwangerschaft machen lassen, denn danach könnte es explodieren“, sagt der Chirurg. Auch die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie weist darauf hin, dass hormonelle Veränderungen das Lipödem begünstigen. Es könne zwar grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt des Lebens auftreten, „meist beginnt es aber nach hormonellen Umstellungen wie der Pubertät, einer Schwangerschaft, der Einnahme hormoneller Verhütungsmittel oder seltener mit den Wechseljahren.“ Davon abgesehen seien die Ursachen der chronischen Erkrankung noch immer nicht vollständig erforscht, obwohl diese schon in den 1940er Jahren beschrieben wurde.
Auch die Diagnose eines Lipödems ist heikel: So kann es schwierig sein, es sicher von einer Adipositas abzugrenzen. „Oft sind die Patientinnen zusätzlich auch sehr übergewichtig und müssen erstmal abnehmen“, erklärt Offermann. Denn sonst werde der Behandlungserfolg beeinträchtigt. Außerdem sei es bei starkem Übergewicht schwer, das Stadium der Krankheit korrekt einzuschätzen.
Essener Arzt schickt Patientinnen in die Kältekammer
Persönlichen Einsatz müssen die Betroffenen auch nach der OP zeigen: Oft bleibe viel überschüssige Haut zurück, die sich nicht ohne Weiteres straffe. Michael Offermann schickt die Patientinnen daher post-operativ in die Kältekammer und zum Radfahren im kalten Wasser; statt oder ergänzend zu Aqua-Cycling empfehle er schwimmen. Wer die Tipps für Hautstraffung und Muskelaufbau beherzige, „hat nach sechs bis acht Wochen ein gutes Ergebnis“.
Kein rein optisches Problem: Lipödem ist schmerzhaft
Beim Lipödem handelt es sich laut der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie und Lymphologie um eine chronische Fettverteilungsstörung, die auch als Säulenbein oder Reiterhosen-Phänomen bezeichnet wird. Charakteristisch ist eine Vermehrung des Unterhautfettgewebes vor allem an den Beinen, seltener auch an den Armen. Hände, Füße bleiben unbeeinträchtigt, der Oberkörper ist schlank und steht in Missverhältnis zu den geschwollenen Beinen. Das führt oft zu Stigmatisierung der Betroffenen und kann deren Selbstgefühl beeinträchtigen.
Betroffene neigen auch dazu, vermehrt Wasser ins Gewebe einzulagern, was zur Bildung von Ödemen führt. Ein Lipödem liegt nur vor, wenn regelmäßig auch spürbare Beschwerden bestehen wie eine verstärkte Berührungsempfindlichkeit der Haut, Schmerzen sowie ein unangenehmes Spannungs- oder Druckgefühl.
Welche Ursachen ein Lipödem hat, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Die allermeisten Betroffenen sind Frauen.
So zufrieden äußert sich etwa eine 21-Jährige, die sowohl die Ober- als auch die Unterschenkel hat operieren lassen. Kostenpunkt jeweils einige Tausend Euro. Nun gehe es ihr gut. „Ich hatte vorher starke Schmerzen und nach einem Arbeitstag oder langem Stehen immer geschwollene Beine.“ 1,5 Liter Fett aus jeder Wade, 2 Liter aus jedem Oberschenkel hat Offermann in je etwa anderthalbstündiger OP abgesaugt. Über ihre nun schlanken Beine sagt die Patientin: „Das passt halt viel besser zum Rest des Körpers, vorher stimmten die Proportionen nicht.“
Betroffenen müssen kostspieligen Eingriff oft selbst zahlen
Offermann beeilt sich zu betonen, dass er nur medizinisch begründet operiere. „Es gibt Betroffene, die lange krankgeschrieben sind, manche sind am Ende sogar arbeitsunfähig.“ Er wünschte sich daher ein Umdenken bei den Kassen. Bislang weisen die Kostenübernahmeanträge seiner in Stadium I operierten Patientinnen meist ab. Dabei kommen für mehrere Liposuktionen (an Beinen, Gesäß, Armen) leicht 20.000 Euro zusammen. „Die können sie nur steuerlich geltend machen.“
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