Essen-Rüttenscheid. Das Essener Helmholtz-Gymnasium testet, wie Informatik-Unterricht in der 7. und 8. Klasse aussehen könnte. Warum besonders Mädchen profitieren.

Sie lassen Drohnen durch die Luft fliegen und programmieren Roboterautos: Schülerinnen und Schüler des Helmholtz-Gymnasiums haben seit Beginn dieses Schuljahres die Möglichkeit, in lockerem Rahmen ihre Informatik-Fähigkeiten auszubauen. Das Gymnasium nimmt am Modellvorhaben „Informatikunterricht in den Jahrgangsstufen 7 und 8 des Gymnasiums“ teil, in dem getestet wird, wie Informatik-Unterricht in der 7. und 8. Klasse am Gymnasium aussehen könnte.

Aktuell wird das Fach an dieser Schulform nur in der 5. oder 6. Klasse unterrichtet, danach können es die Schülerinnen und Schüler in der 9. Klasse als Differenzierungsfach wählen. Der Test am Helmholtz-Gymnasium hat die Form einer AG, das heißt, Schüler der 7. und 8. Klasse können freiwillig daran teilnehmen. Ein Drittel der Kinder je Jahrgangsstufe macht laut Schule mit.

Informatik-AG in Rüttenscheid: Schüler arbeiten eigenständig

Das kann in der Praxis so aussehen: Informatiklehrer Daniel Schepers gibt ein Arbeitsblatt mit der Überschrift „Staubsauger-Roboter“ heraus. Die Aufgabenstellung lautet wie folgt: „Der Roboter soll die Fläche vollständig abfahren. Dabei muss er innerhalb der schwarzen und roten Linien bleiben. Als zusätzlichen Effekt kann er an der roten Linie stehen bleiben, um den Akku zu laden.“ Empfohlen wird, sich zur Bewältigung der komplexen Aufgabe einen Stufenplan zu überlegen. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden also selbst, wie sie die Herausforderung angehen. Der Lehrer soll lediglich als eine Art Coach fungieren und bei Problemen Hilfestellung geben.

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Anna (13), Ilira (13), Zevanna (12) und Matilda (12) aus der 7. Klasse haben die Aufgabe gelöst. Sie haben einen Roboter programmiert, der nun in einem vorgegebenen Rechteck hin und her fährt. „Es macht Spaß, mit den Robotern zu experimentieren“, sagt Anna. Ilira ergänzt: „Man kann kreativ sein und austesten.“ Das Programmieren hätten sie ganz gut gemeistert, schließlich gebe es schwierigere und einfachere Programmiersprachen. Sie hätten eine blockbasierte Struktur gewählt.

Auch so kann eine Stunde der Informatik-AG in Essen-Rüttenscheid aussehen: Mattis und Max arbeiten an einem Lego-Freizeitpark. Lehrer Dennis Großkamp gibt Hilfestellung.
Auch so kann eine Stunde der Informatik-AG in Essen-Rüttenscheid aussehen: Mattis und Max arbeiten an einem Lego-Freizeitpark. Lehrer Dennis Großkamp gibt Hilfestellung. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Rüttenscheider Helmholtz-Gymnasium hat einen MINT-Schwerpunkt

Als die Anfrage der Bezirksregierung kam, habe man nicht lange überlegt, erklärt Schulleiterin Nadine Lietzke-Schwerm. Das Helmholtz-Gymnasium hat einen MINT-Schwerpunkt (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), unter anderem kann man dort mit dem Abitur-Zeugnis das sogenannte MINT-EC Zertifikat für besondere Leistungen im MINT-Bereich erwerben. Auch deshalb sei man wohl „prädestiniert“ als Projektschule, sagt Lietzke-Schwerm.

Die AG könne einen wichtigen Lückenschluss zwischen dem Unterricht in der Unterstufe und der 9. Klasse leisten, betont Dennis Großkamp, Informatik- und Techniklehrer sowie Fachvorsitzender des Bereiches. „Überall werden Daten erhoben und verarbeitet“, sagt er. Eine fundierte Grundausbildung auf diesem Gebiet sei daher wichtig. Die Erfahrung zeige, dass die Schülerinnen und Schüler die Scheu vor dem vermeintlich schwierigen Fach schnell verlören, wenn man sie schon in der Unterstufe dafür gewinnen könne.

Zum Equipment der Informatik-AG am Essener Helmholtz-Gymnasium gehört eine kleine Drohne, die die Schülerinnen und Schüler im Schulflur fliegen lassen können.
Zum Equipment der Informatik-AG am Essener Helmholtz-Gymnasium gehört eine kleine Drohne, die die Schülerinnen und Schüler im Schulflur fliegen lassen können. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Mit Informatik-AG will Essener Schule für das vermeintlich schwierige Fach begeistern

„Damit sie erst einmal einen Zugang finden, ist es wichtig, dass das Fach schon vor der Pubertät unterrichtet wird“, so Großkamp. Das bestätigt MINT-Koordinatorin Anke Berresheim: „In jüngerem Alter sind die Schüler noch experimentierfreudiger.“

Eine besondere Chance biete sich für die Mädchenförderung, sagt Schulleiterin Lietzke-Schwerm: „Sie lernen hier, dass Informatik auch ein sehr kreatives Fach ist.“ Laut Großkamp habe man früher mit steigendem Alter immer mehr Mädchen für Informatik verloren. Und auch, wenn sich das dank des Unterrichts in der Unterstufe schon gebessert habe: „Es fehlen Rollenvorbilder.“ Wie viele weibliche CEOs von großen Technologieunternehmen kenne man?

Rüttenscheider Lehrer: Mädchen gehen Aufgaben oft strukturierter an

Außerdem seien Jungen öfter überzeugt von ihrem eigenen Können, Mädchen dagegen zweifelten häufiger an sich. Dabei bewältigten sie die Aufgaben oft besser. „Jungs stürzen sich oft schnell auf die Aufgaben, haben dann aber einen Fehlversuch nach dem anderen“, ist die Erfahrung des Informatiklehrers. Mädchen dagegen gingen die Sache strukturierter an, überlegten erst einmal, brauchten deshalb zuerst etwas länger, seien aber am Ende schneller fertig. Die Erfolge in der AG gäben ihnen Selbstbewusstsein.

In der Informatik-AG des Essener Helmholtz-Gymnasiums können Schülerinnen und Schüler verschiedene Programmiersprachen lernen. Nikita und Richard üben sich in Scratch, einer visuellen Programmiersprache.
In der Informatik-AG des Essener Helmholtz-Gymnasiums können Schülerinnen und Schüler verschiedene Programmiersprachen lernen. Nikita und Richard üben sich in Scratch, einer visuellen Programmiersprache. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Acht Gymnasien in Essen machen mit

Im Gebiet der Bezirksregierung Düsseldorf beteiligen sich 75 Gymnasien an dem Modellvorhaben „Informatikunterricht in den Jahrgangsstufen 7 und 8 des Gymnasiums“.

In Essen sind es acht Gymnasien (Carl-Humann-Gymnasium, Städtisches Mädchengymnasium, Grashof-Gymnasium, Helmholtz-Gymnasium, Leibniz-Gymnasium, Marien-Gymnasium, Gymnasium an der Wolfskuhle und das Burg-Gymnasium).

Das Modellvorhaben hat in diesem Schuljahr begonnen und läuft zwei Schuljahre lang.

Ein großer Vorteil sei, dass man die Inhalte durch die AG-Struktur selbst bestimmen könne, erklärt Großkamp. Es gibt kein Curriculum, die Schülerinnen und Schüler können Dinge ausprobieren, entscheiden, was sie am meisten interessiert. Sind sie eher der visuelle Typ oder möchten sie mit Text programmieren? Reizt sie der Roboter oder die Drohne? Wollen sie lieber ein Spiel programmieren oder einen autonomen Mini-Wagen, der einen Rettungseinsatz fährt? Dank der Unterstützung der Firma GFOS mbH könne man mehr Equipment bereitstellen als es normalerweise der Fall wäre.

Schulleiterin Lietzke-Schwerm ergänzt einen weiteren Vorteil: Programmieren ist international. Auch Schülerinnen und Schülern, die noch nicht so gut Deutsch sprechen, können mitmachen. Elyas (13) ist zum Beispiel vor zwei Jahren aus Afghanistan nach Deutschland gekommen. Er lernt noch die Sprache und wollte unbedingt bei der Informatik-AG mitmachen. „Ich mag es, meinen Kopf anzustrengen und will alles mit Computern ausprobieren“, sagt er. Das sei auch schon in seiner Heimat so gewesen: „Zu Hause repariere ich alles, was kaputt geht.“

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