Essen. . Er brachte über drei Jahrzehnte Menschen Tanzen und Benimm bei: Kurt Thielemann wurde 79 Jahre alt. Die Tanzschule galt 87 Jahre als Institution.

Im Alter von 79 Jahren ist Kurt Thielemann verstorben. Sein Name stand für eine Institution, die über Jahrzehnte das Freizeitleben in Essen geprägt hat und ein Teil der Stadtgesellschaft war – die Tanzschule Thielemann, die bis 2012 an der Goethestraße in Rüttenscheid ansässig war.

Generationen von Essener Jugendlichen hat der beliebte Tanzschullehrer die Schrittfolgen in Standard- und Lateinamerikanischen Tänzen beigebracht – von Rumba über Cha-Cha, Rock‘n‘Roll, Slowfox und Tango bis hin zum Wiener Walzer. Auch Trends wie Mambo und Salsa verschloss er sich selbst im gesetzteren Alter nicht.

Die Tanzschule war 1970, als Kurt Thielemann sie übernahm, schon ein Begriff in der Stadt Essen: Sein Onkel Hans hatte sie 1925 begründet. Es gehörte damals für junge Menschen zum guten Ton, Tanzunterricht zu nehmen – und dabei auch gutes Benehmen zu lernen.

Gala-Bälle im früheren Saalbau waren ein Ereignis

Die Tanzschule Thielemann zählte über lange Jahrzehnte zu den führenden Tanzschulen in Essen. Beliebt waren neben den saisonalen Abschlussbällen auch die Gala-Bälle im alten Saalbau, wo sich die Essener Bürgerschaft zu einem gesellschaftlichen Ereignis traf.

Getanzt wurde bei den sonntäglichen Tanztees auch draußen auf der Terrasse.
Getanzt wurde bei den sonntäglichen Tanztees auch draußen auf der Terrasse. © Repro: Dinah Büssow

Kurt Thielemann war, wie man heute sagt, ein Gentleman alter Schule: stets höflich und zuvorkommend, charmant, unterhaltsam, dabei unaufdringlich. Es gelang ihm stets, die Tanzschüler zu motivieren. Dabei ging es ihm im Unterricht nicht nur darum, dass sich die Heranwachsenden sicher auf dem Tanzparkett bewegen sollten, sondern auch auf dem gesellschaftlichen Parkett.

Den Jugendlichen gefiel offensichtlich diese Atmosphäre, etliche blieben mehrere Kurse über, die jungen Männer hospitierten oft über Jahre. Und nicht wenige hielten der Tanzschule später als Erwachsene in den Gesellschaftstanzkreisen die Treue.

Über drei Jahrzehnte gab Kurt Thielemann den Takt an

Gemeinsam mit seiner Frau Christa gab Kurt Thielemann über drei Jahrzehnte den Takt in der Tanzschule an. Bis 2004, dann übergab er die Führung an den Bochumer Tanzschulinhaber Wolfgang Brand. Dieser behielt den traditionsreichen Namen, musste den Essener Standort aber 2012 schließlich aufgeben. Das Gebäude an der Goethestraße 89 wich einem Büroneubau – zum großen Bedauern von Kurt Thielemann, der in der Nähe seiner alten Wirkungsstätte lebte.

Die Tanzschule Thielemann in der Goethestraße 89 wich 2012 einem Büroneubau.
Die Tanzschule Thielemann in der Goethestraße 89 wich 2012 einem Büroneubau. © Dinah Büssow

Geblieben von der Tanzschule Thielemann ist ein filmisches Dokument: Die Künstlerin Sabine Bürger begleitete die letzten drei Wochen Tanzbetrieb mit der Kamera. „Ich hätte niemals gedacht, dass einer Tanzschule eine derart große Bedeutung und Nachhaltigkeit zugesprochen wird. Das ist schön; der Kult lebt damit weiter“, sagte damals Kurt Thielemann.

Am 9. März starb er nach schwerer Krankheit. Die Beerdigung hat im Familien- und Freundeskreis stattgefunden.

>> VON 1954 BIS 2012 AN DER GOETHESTRASSE

  • Die Tanzschule Thielemann war 1925 zuerst im Börsenhaus (Haus der Technik) ansässig. Das spätere Domizil in der Bismarckstraße wurde im Krieg zerstört. 1943 ging es in der Semperstraße mit „Luftwaffenhelferkursen“ weiter.
  • 1954 wurde das Gebäude an der Goethestraße errichtet. Hier fand bis Ende April 2012 der Tanzunterricht statt.