Essen-Kray. „Glückauf“ steht auf Feuersäulen aus Stahl oder auf dem Fahrrad: Dahinter steckt ein Essener Bergbau-Zulieferer. Der stellt beim Zechenfest aus.
Ob Stahl-Zechenuhr, Edelstahl-Teelicht mit der Aufschrift „Glück Auf“ oder Feuersäule mit Schlägel und Eisen, im Krayer Gewerbegebiet Bonifacius entstehen die Andenken in den Hallen, in denen einst vor allem Maschinen für den Bergbau hergestellt worden sind. Auch Trekking-Fahrräder und E-Bikes werden hier zusammengebaut, verkauft und repariert, wo ehemals Grubenfahrräder gefertigt und instand gesetzt worden sind. Hinter alledem steckt Maschinenbauer Werner Rittmann (61), der seit mehr als vier Jahrzehnten als Bergbau-Zulieferer arbeitet.
Angefangen hat Werner Rittmann mit sechs Mitarbeitern, hat die Altenessener Firma, die er belieferte, übernommen. Die Zahl der Mitarbeiter stieg seinerzeit auf 60, schrumpfte und wuchs auch wieder. Während die Pumpen nicht mehr das Hauptgeschäft sind und bei Bedarf gefertigt werden („sie dienen der Wasserhaltung“), sei die Wettertechnik nach wie vor sehr gefragt. Die Produktion ist inzwischen in die Masuren nach Polen verlagert worden, in Kray sind Management, Planung und Teile weiterer Produktion angesiedelt. Zum Essener Unternehmen zählen damit insgesamt 100 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Blickfang Bergbau und Fahrradwerkstatt auf dem Zechenfest
Wenn auf der Zeche Zollverein von Freitag, 22. September, bis Sonntag, 24. September, das 32. Zechenfest auf Zollverein steigt, dann beteiligt sich auch die Rittmann GmbH aus Kray. Mit ihren Sparten Blickfang Bergbau und der Fahrradwerkstatt präsentiert das Unternehmen Teelichter, Blumenkübel oder Zechenuhr mit Zechenmotiven sowie Fahrräder (Marke Poison).
Auf dem Gelände der Zeche Zollverein werden sie am Samstag von 14 bis 22 Uhr sowie am Sonntag von 10 bis 18 Uhr sein. Weitere Infos und Kontakt: 0201 8156751,shop@rittmann-gmbh.de sowie www.rittmann-gmbh.de, https://fahrradwerkstatt-am-mechtenberg.de
„Überall, wo Menschen unter Tage sind, kümmern wir uns um die Regulierung der Wetter“ – sie beschäftigten sich also europaweit mit der Luftregulierung in Berg- und Salzbergwerken, in Tunneln und Atomlagern, erklärt der Chef zu seinem Unternehmen Wettertechnik GmbH, das etwa die leuchtend gelben Wettertüren produziert. Er arbeite mit großen Firmen zusammen, derzeit unter anderem beim Tunnelbau von Fehmarn nach Dänemark. Seine Produkte sind im Trainingsbergwerk in Recklinghausen ausgestellt, eine Präsentation, die er Märchenwelt nennt, weil es so täuschend echt an unter Tage erinnert.
Möchte man wissen, was Bergbau-Zulieferer heute sonst noch tun, entdeckt man eben auch seinen Erfindergeist. Immerhin stehen Dreh- und Schleifmaschine, Stanzen, Pressen und 3-D-Drucker in Kray bereit. Zu der ganzen Technik, der Fachkenntnis, den zahllosen Zertifikaten sowie der Spezialisierung gesellen sich dann Ideen dazu, um Sulkys zu bauen, mit denen man Ascheplätze glättet. Daneben steht ein Markierungswagen, in Gelsenkirchen werden mit solchen Wagen Linien auf Fußballplätzen gezogen.
Gelagert werden Ventilatoren, so groß wie VW-Busse. Weihnachtssterne für Laternen liegen in einer der Hallen ebenso wie ein Poffertjes-Automat. In der „Entwicklungswerkstatt“ werden Motoren auf Wasserstofftechnik umgebaut, auf einem Tisch steht ein Prototyp für einen Schredder – und daneben sein Lieblingsstück: ein Bratwurst-Bratgerät, auf das Werner Rittmann schmunzelnd zeigt. Um einen Sauna-Heizstab drehen sich mit Hilfe einer Fahrradkette Würste, die Bergbau-Brandzeichen bekommen.
Solche Erfindungen setzt Werner Rittmann mit Maschinenbau-Studenten um. „Wir haben Maschinen, die Metall verarbeiten und wir prüfen, was wir mit diesen noch machen können“, erklärt der Chef das Potenzial in den Krayer Hallen. Das trieb ihn schon früh um, sicherte seinerzeit mitunter das Unternehmen, als das Ende des deutschen Steinkohlebergbaus nahte und Sparten wie die Pumpenproduktion einbrachen.
In die Firma stieg inzwischen seine Frau Ariane mit ein, die zuvor 30 Jahre in der Werbung gearbeitet hat, die letzten 20 bei Karstadt. Als absehbar war, dass es in der Hauptverwaltung nicht mehr weitergeht, wechselte sie nach Kray. „Als Mädchen für alles“, sagt sie lachend. Gleichwohl kümmert sie sich ganz konkret um den Zweig „Blickfang Bergbau“, in dem die Dekoration für Haus und Garten entsteht. Die gibt es mit den Bergbaumotiven („Wir haben fast jede Zeche“) oder nach Wunsch hergestellt, dann landet schonmal ein Hundeporträt auf einer riesigen Gasflasche, die als Skulptur einen Vorgarten schmücken kann.
Mit diesen Produkten haben sie ein ehemaliges DRK-Einsatzfahrzeug ausgestattet, haben das Blaulicht auf dem Dach gelassen („Dafür haben wir eine Genehmigung“), haben es mit Teelichtern, Tassen und Frühstücksbrettchen bestückt und rollen damit am 23. und 24. September zum Zechenfest auf Zollverein.
Im Essener Norden werden sie auch die Fahrräder ausstellen, die sie in Kray in ihrer Fahrradwerkstatt am Mechtenberg anbieten. „Wir arbeiten mit dem Hersteller Poison zusammen, bei dem sich Kunden ihr Fahrrad individuell gestalten können“, erklärt Werner Rittmann, dessen Rad die Aufschrift „Glückauf“ auf dem Rahmen trägt, während Ali Demir gerade ein weiteres im Kundenauftrag zusammenbaut und sich sonst auch um Reparaturen aller Räder kümmert.
Vier Mitarbeiter sind bereits ausschließlich in der Fahrradwerkstatt beschäftigt, die inzwischen ebenso dazugehört wie einst die Produktion und Wartung der Grubenfahrräder. Seit den 1990er Jahren sind diese am Bonifaciusring gebaut und instandgehalten worden. Unter Tage rollten sie auf Schienen, dienten den Bergleuten als nützliches Fortbewegungsmittel, um etwa Werkzeug oder kleine Pumpen zu transportieren. Die letzte Lieferung aus Kray landete 2018 in Bottrop, dann war Schluss mit dem Bergbau und der Grubenfahrrad-Produktion.
„Die Grubenwehr der Zeche Prosper Haniel erhielt noch zehn Stück“, erinnert sich Werner Rittmann an diese roten Räder. Seinen heutigen Mitarbeiter Heiko Bess (55) kannte er damals schon, der als Mitglied der Grubenwehr im Sattel saß und nach dem Aus der Zeche noch ein Jahr lang auf dieser beschäftigt war.
Heiko Bess hatte seinerzeit als junger Mann nach dem Hinweis seiner Nachbarin nicht nur seine Ausbildung auf Prosper gemacht, diese Notlösung in Zeiten rarer Ausbildungsplätze war rasch sein Traumjob geworden. Dabei war sein Vater Landschaftsgärtner, seine Mutter hatte vor allem Angst um ihren Sohn: Der wurde dennoch Bergmann, lernte auf Prosper Haniel und blieb bis zum Vorruhestand.
Denkt er an die schöne Zeit und den kameradschaftlichen Umgang zurück, macht ihn das auch traurig. Gleichzeitig freut er sich über seinen Nebenjob. Denn beim früheren Bergbauzulieferer fertigt er jetzt in Kray unter anderem Zechen-Andenken sowie Accessoires mit Fördertürmen – und steigt manchmal noch aufs Grubenfahrrad, das vor den Hallen nur noch zur Deko zählt.
Umso dankbarer ist er, dass er sich heute beruflich nach wie vor mit dem Thema Bergbau beschäftigen kann – wenn auch über Tage. Steigt er aber in den firmeneigenen Linienbus „401 Glückauf“ mit ein, mit dem sein Chef Gäste nach Recklinghausen ins Trainingsbergwerk bringt, fühlt es sich ein wenig an wie früher. „Dann bin ich wieder glücklich.“
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