Essen-Heisingen. 1973 wurde auf Carl Funke letztmals Kohle gefördert. Die Geschichte der Heisinger Zeche gehört zur Essener Bergbauhistorie. Einige Erinnerungen.

Vor fast genau 50 Jahren fing ein Fotograf den historischen Moment ein: Das Aus für den Kohlebergbau in Heisingen kam am 30. April 1973. Vier Bergleute stehen lässig da, blicken aber doch leicht skeptisch in die Kamera. Zwei große Wagen sind gefüllt mit der letzten auf Carl Funke geförderten Kohle. Das bekannte Logo mit Schlägel und Eisen ist gleich zweimal zu sehen, einmal aber verkehrt herum. Die Jahreszahlen 1773 und 1973 verweisen auf Beginn und Ende des Heisinger Kohlebergbaus.

Jürgen Döhler vom Museumkreis blickt zurück: „Das Verbundbergwerk Pörtingssiepen/Carl Funke wurde geschlossen im Jahr der mit 1,1 Millionen Tonnen höchsten Fördermenge, mit 3000 Mann Belegschaft. Weil die Ruhrkohle AG nur noch eine Anthrazitzeche behalten wollte, die in Neukirchen-Vluyn.“

Carl Funke stieg als findiger Unternehmen in Essen-Heisingen ein

Die Anfänge dagegen waren bescheiden. Im Jahr 1773 hatte die Heisinger Zeche „Hundsnocken“ eine Kohlenkonzession erhalten. Der kleine Stollenbetrieb kam auf eine jährliche Förderung von gerade einmal 1000 Tonnen Anthrazitkohle. Durch den Aufschluss des ergiebigen Flözes Mausegatt konnte die Förderung zwar gesteigert werden. Da ein Stollenbetrieb aber auf Dauer nicht genügend Kohlevorräte lieferte, wurde 1870 die Zeche Hundsnocken mit einigen Nachbaranlagen zur bergrechtlichen Gewerkschaft „Zeche Heisinger Tiefbau“ konsolidiert.

Zur Sammlung des Museumskreises Heisingen gehört dieses Bild, das die Zeche Carl Funke in Essen-Heisingen in den 1950er Jahren zeigt.
Zur Sammlung des Museumskreises Heisingen gehört dieses Bild, das die Zeche Carl Funke in Essen-Heisingen in den 1950er Jahren zeigt. © FUNKE Foto Services/Museumskreis | Foto/Repro: Michael Korte

Als die dann kurz vor dem Bankrott stand, ging sie in den Besitz von Carl Funke über. Der findige Unternehmer hatte früh erkannt, dass die kleinen Zechenbetriebe im Ruhrtal alleine nicht überleben konnten. Funke kaufte Zechen ganz auf oder erwarb die Mehrheit ihrer Kuxen, also Anteile, und legte die Betriebe zusammen. Dann begann ein systematisch aufeinander zugeschnittenen Ausbau der Zechen, ab 1880 auch Heisinger Tiefbau, die 1906 in Zeche Carl Funke umbenannt wurde. Die Zeche konnte damals 200.000 Tonnen Anthrazitkohle jährlich fördern.

Nach der Stilllegung wurde das Heisinger Betriebsgelände ab 1984 abgebrochen

Jürgen Döhler schwärmt: „Anthrazit war allerbester Hausbrand, aus den ältesten Flözen, die unter dem größten Druck standen.“ Ein Verkaufsschlager. 1967 erfolgte der Verbund der Zeche Carl Funke mit der Zeche Vereinigte Pörtingssiepen. Noch zwei Jahre nach der Schließung 1973 arbeitete die Brikettfabrik weiter, da dort noch so viel an Feinkohle lagerte. Erst am 31. März 1975 war auch hier Schluss.

Ein Förderturm der Zeche Carl Funke steht noch in Essen-Heisingen am Baldeneysee.
Ein Förderturm der Zeche Carl Funke steht noch in Essen-Heisingen am Baldeneysee. © FUNKE Foto Services | Ina Carolin Lisiewicz

Nach der Stilllegung lag das Heisinger Betriebsgelände verwaist und wurde ab 1984 abgebrochen. Als Industriedenkmal erhalten blieben nur das Fördergerüstes Schacht Carl Funke 1, das alte Fördermaschinenhaus der Zeche Hundsnocken und die Markenkontrolle. Dem Heisinger Bergbau ein Denkmal setzen wollte ein Kreis geschichtsinteressierter Mitbürger rund um Pfarrer Werner Hamacher. Als 1984 das evangelische Altenzentrum Paulushof erbaut wurde, zog dort im Untergeschoss ein Bergbau- und Heimatmuseum mit ein.

Anschauliche Modelle zeigen im Essener Museum die beachtliche Ausbreitung über Tage

Jürgen Döhler wartet an der Rezeption der Senioreneinrichtung. Treppab geht’s zum Museum, dann bleibt er vor einer unscheinbaren Eisentür stehen. Dahinter verstecken sich liebevoll zusammengetragene Schätzchen aus der Welt unter Tage. Eindrucksvolle Panzerförderbänder, Kohlenhobel, Schrämmschlitten, Uniformen, Modelle, Urkunden, Fotos. Döhler nimmt einen megaschweren Bohrhammer in die Hand: „Und damit dann eine ganze Schicht lang über Kopf arbeiten, zum Beispiel in einer steilen Lagerung.“

Im Heisinger Bergbaumuseum zeigt Jürgen Döhler die Ausstellungsstücke, die etwa von der Zeche Carl Funke stammen.
Im Heisinger Bergbaumuseum zeigt Jürgen Döhler die Ausstellungsstücke, die etwa von der Zeche Carl Funke stammen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Anschauliche Modelle zeigen die beachtliche Ausbreitung über Tage, vor allem aber auch die geradezu verwirrende Unterwelt. Bergwerksdirektor Ernst Hawickenbrauck hat ein Modell gebaut, das die enormen Dimensionen der Schächte und Blindschächten „in die Teufe“ verstehbar macht. Ab 1962 wurde ein fünfjähriger Großversuch zur hydromechanischen Gewinnung durchgeführt. Neueste Technik. Jürgen Döhler hebt die Stimme: „Diese Methode, mit Wasserdruck Kohle zu lösen, wurde in Heisingen erst ausprobiert und dann im Jahr 1968 voll in Betrieb genommen.“

Die Bergleute in Essen-Heisingen waren fehlbare Menschen mit Sinn für Humor

Kontakt zum Museumskreis

Das Museum im Paulushof am Stemmering 18 kann täglich von 9 bis 18 Uhr besucht werden. Schlüssel gibt es an der Rezeption.

Der Museumskreis führt gerne kostenlos durch die Sammlung, wünscht sich dafür mindestens Woche vorher unter E-Mail eine Anmeldung.

Jürgen Döhler berichtet: „Wir sind vielleicht noch 20 Aktive. Interessierte sind herzlich eingeladen. Wer zu uns stoßen möchte, kann gerne mal reinschnuppern.“ Der Museumskreis trifft sich jeden letzten Mittwoch im Monat ab 18 Uhr im evangelischen Gemeindezentrum am Stemmering 20.

Döhler selbst arbeitete als Ingenieur im Bergbau: „Zuvor schon als Lehrling und als studentische Hilfskraft.“ Er sei 1982 ins Dorf gezogen: „Mittlerweile zähle ich wohl als echter Heisinger.“ Der 69-Jährige ist seit 2005 im Museumskreis, dessen Sprecher, leitet Sitzungen und führt Protokolle: „Einer muss halt organisieren.“ Die Schau zeigt aber auch eines ganz deutlich: Die Bergleute waren fehlbare Menschen mit Sinn für Humor. Die Grubenwehr hatte sich ein „Erholungs- und Stärkungsgerät“ gebastelt. Drinnen Asbach, Dornkaat oder Zwetschgenwasser.

Jürgen Döhler kann ein Grinsen nicht unterdrücken und zeigt auf ein Stück Holz: „Ein sogenanntes Mutterklötzchen. Unter Tage wurde das beste Holz verbaut, die guten Stempel ohne Astlöcher. Die wurden dann bearbeitet, unauffällig in ein Tuch eingerollt oder in der Aktentasche an der Markenkontrolle vorbei mit nach Hause genommen. Das war Superanzündholz für den Ofen.“