Essen-Holsterhausen. Ein Modellprojekt zur Verkehrswende soll dauerhaft in Essen-Holsterhausen etabliert werden. Warum Parkplätze entfallen und wie es weitergeht.
Vier Mobilpunkte sind im Rahmen des Verkehrswende-Projektes „Be-Move“ der Grünen Hauptstadt Agentur in Holsterhausen errichtet worden. Drei davon haben die gut zehnmonatige Testphase offenbar zufriedenstellend gemeistert: Die Stadtverwaltung zumindest zeigt sich von den bisherigen Ergebnissen überzeugt – und schlägt der Bezirksvertretung III die Verstetigung des Angebots im Stadtteil vor. So genannte Mobilpunkte verbinden Fahrradabstellanlagen mit nachhaltigen Mobilitätsoptionen wie Leihrädern, E-Scootern und Carsharing. Die Standorte: bisherige Kfz-Stellplätze. Und genau das stößt in der Ortspolitik teilweise auf heftige Kritik.
Radabstellanlagen in Holsterhausen bieten auch Sharing-Angebote
Die mobilen Fahrradplattformen finden sich derzeit an der Gemarkenstraße 50, an der Keplerstraße 98, der Menzelstraße 26 sowie an der Böcklingstraße vor der dortigen Gesamtschule. Eine weitere Plattform wird an der Rottstraße 5 in der Innenstadt getestet. Erst in diesem Frühjahr hatte die Grüne Hauptstadt Agentur die Anlagen gemeinsam mit der Ruhrbahn, mit Metropolrad Ruhr, Stadtmobil Carsharing und Tier-Scooter zu Mobilpunkten ausgebaut. Das heißt: Neben dem privaten Radparken können dort auch Räder oder E-Scooter ausgeliehen und abgestellt werden. Die Station Menzelstraße wurde zudem um ein Carsharing-Fahrzeug ergänzt.
Ob und wie genau die jeweiligen Stationen in den vergangenen Monaten angenommen wurden, hat das Institut für Mobilität und Stadtplanung der Universität Duisburg-Essen im Zuge einer Umfrage evaluiert. Zwar stehe, so die Stadt, der entsprechende Abschlussbericht noch aus, doch die bisherigen Rückmeldungen „weisen auf eine insgesamt positive Resonanz hin“.
Ausleih-Zahlen von Metropolrad Ruhr liefern Richtwerte
Und das gilt laut Vorlage für die Bezirksvertretung III vor allem für drei Testpunkte: „Die Standorte Gemarkenstraße, Keplerstraße und Menzelstraße werden von den Teilnehmenden am besten wahrgenommen.“ Eine Aussage, die sich auch in den Ausleih-Zahlen von Metropolrad Ruhr widerspiegelt. „An jeder dieser Stationen werden im Durchschnitt über den Zeitraum Januar bis Juni 2023 über drei Buchungen pro Tag verzeichnet.“
Anders sieht es an der Böckling- und Rottstraße aus: Hier kommt Metropolrad Ruhr auf weniger als zwei Buchungen pro Tag. Zu wenig für einen dauerhaften Betrieb. Diese Stationen sollen deshalb aufgegeben werden.
An den übrigen Standorten jedoch, so der Vorschlag der Verwaltung, biete sich eine Verstetigung der Mobilstationen an, also der Austausch der mobilen Plattformen gegen fest eingebaute Bügel. Die Standort Menzelstraße ist bereits als Metropolrad-Ruhr-Station genehmigt; hier wird derzeit geprüft, ob der Leihrad-Anbieter dort selbst neue Abstellanlagen installieren kann.
Vorschläge, die Bezirksbürgermeisterin Doris Eisenmenger unterstützt: „Die Zahlen sind eindeutig und zeigen, dass das Angebot wahrgenommen wird.“ Eine Verstetigung der drei Stationen – und damit eine „Favorisierung“ des Rad- statt des Parkangebotes – ist für die Grünen-Politikerin daher schlussendlich eine „logische Konsequenz“.
CDU im Bezirk III bemängelt „Strauß an Maßnahmen“ für Holsterhausen
Parkplätze allerdings sind in Holsterhausen rar gesät. Gerade erst hat das Thema Kurzzeitparken auf der Gemarkenstraße hohe Wellen im Stadtteil geschlagen. Dietrich Ostermann, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der BV III, bemängelt in einer Stellungnahme gar einen „ganzen Strauß an Maßnahmen“, aufgrund derer sich die Umgebung vor allem um die Gemarkenstraße in den vergangenen Jahren „stark verändert“ habe, darunter den Radentscheid, das „Be-Move“-Projekt, „das Aufstellen von Fahrradbügeln an vielen Stellen“ und „die Einrichtung von Fahrradstraßen und Fahrradachsen“.
Alternativen zum Pkw
Grüne Hauptstadt Agentur und Ruhrbahn testen unterschiedliche Standorte in Essen als mögliche Mobilpunkte. Diese sollen die großen Mobilstationen an ÖPNV-Haltestellen sinnvoll ergänzen. Mobilpunkte liegen bewusst unmittelbar in Wohnquartieren, um Anrainern nachhaltige Alternativen zum privaten Pkw aufzuzeigen und problemlos zugänglich zu machen.
Die fünf temporären Fahrradplattformen, die nun frei werden, sollen deshalb an neuen Standorten im Bezirk III getestet werden.
Auch hier stehen die Vorschläge der Stadtverwaltung bereits: Die mobilen Abstellanlagen sollen demnächst an der Brunnenstraße im Südviertel, an der Witteringstraße/Von-Schmoller-Straße in Rüttenscheid, an der Cranachhöfe in Holsterhausen sowie an der Frohnhauser und Berliner Straße in Frohnhausen getestet werden.
Auch in der anstehenden Sitzung behandle die Bezirksvertretung gleich mehrere Themen, die in die gleiche Richtung zielten – neben den Mobilstationen beispielsweise auch eine Vorlage zur Einrichtung von Stellplätzen für Lastenräder, für die ebenfalls Parkplätze entfielen. Anwohner der Gemarkenstraße, so Ostermann, erlebten, „wie ein Pkw-Abstellplatz nach dem anderen verschwindet“. Die Fülle an Maßnahmen, so das Fazit des CDU-Politikers, sei letztlich zu viel für den Stadtteil, selbst wenn man einzeln betrachtet etwa bei den Mobilstationen zu einem positiven Ergebnis komme.
Zugleich betont Ostermann, dass die CDU im Bezirk nicht allein die Interessen von Autofahrern vertreten wolle – Kritik an „zugestellten Bürgersteigen“ oder Gefahrenstellen im Verkehr seien „zutreffend und berechtigt“. Deshalb habe sich die CDU 2021 auch dem Radentscheid Essen angeschlossen. Dennoch müssten die Belange aller Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt verfolgt werden, auch die der Pkw-Nutzer. Stattdessen jedoch „muten all diese Maßnahmen, die für sich genommen sinnvoll erscheinen, als Salamitaktik an, allmählich das Auto aus den Wohnquartieren zu vergrämen und zu verdrängen“.
Sinnvoll aufgefangen werden könnte das Thema Parkdruck in Wohnvierteln dabei durchaus: „Wir schlagen vor, einen Teil der Fläche an der Planckstraße, die für ein zukünftiges Berufskolleg vorgesehen ist, für die Errichtung eines Quartierparkhauses zu reservieren.“
SPD: „Wer die Verkehrswende will, muss auch etwas dafür tun.“
Deutlich entspannter sieht Klaus Persch, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bezirk III, die Situation. Innerhalb der gut zehnmonatigen Testphase seien keine Beschwerden wegen wegfallender Stellplätze an ihn herangetragen worden – „da scheint es kein Problem zu geben“. Genau hier setze das Konzept „Erst ausprobieren, dann verstetigen“ an: „Es ist sehr gut, dass man zunächst einmal testet, ob das Angebot angenommen wird und dann erst den nächsten Schritt geht.“ So komme man tatsächlichen Bedarfen auch nach. Dennoch will Persch einen Blick auf konkrete Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Evaluation werfen, „schon, um Vergleichsmöglichkeiten für die Zukunft zu haben“. Sollte diese zur Sitzung am Donnerstag nicht vorliegen, „würde ich für meine Fraktion eine Verschiebung des Tagesordnungspunktes beantragen“. Sein generelles Fazit jedoch lautet: „Wer die Verkehrswende für Essen will, muss auch etwas dafür tun.“
Die Bezirksvertretung III tagt am Donnerstag, 17. August, ab 17 Uhr im Lighthouse (ehemalige Pfarrkirche St. Mariä Geburt) an der Liebstraße 1 zu diesem Thema. Die Vorlage steht am Donnerstag, 14. September, dann noch auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses.