Essen-Bredeney. Vor etwa drei Jahren beantragte der Essener Gastronom Stefan Romberg die Insolvenz für das „Mittendrinn“. Warum er jetzt offen darüber spricht.
Den Insolvenzantrag einreichen – das war für den Essener Stefan Romberg über viele Jahre ein Schreckensszenario. Als Selbstständiger war er in finanzielle Schieflage geraten und versuchte alles, um das vor der Öffentlichkeit zu verbergen und den Betrieb weiterführen zu können. Nächtelang lag der Gastronom wach vor lauter Sorgen. Die Blöße einer Pleite wollte er sich um keinen Preis geben. Im Nachhinein empfindet der heute 43-Jährige die Insolvenz jedoch als Befreiung. Etwa drei Jahre danach möchte er mit dem Tabu-Thema brechen, um anderen Mut zu machen.
Bis 2019 führte Romberg die Rüttenscheider Kultkneipe „Mittendrinn“. Das Ende kündigte sich schleichend an, lange versuchte er es abzuwenden. „Es fing alles mit einer Betriebsprüfung an, die zu hohen Nachzahlungen führte“, erinnert sich Romberg. Die Ursachen seien eine schlechte Buchführung und eine falsche Personalplanung gewesen, sagt er heute, es sei sein eigener Fehler gewesen: „Da bin ich sehr selbstkritisch.“ Die Nachzahlungen konnte er nicht leisten, er lieh sich Geld, schob andere Zahlungen auf – so sei der Rattenschwanz an Forderungen immer länger geworden. Und auch der psychische Druck wuchs von Tag zu Tag.
Essener Gastronom führt weiterhin die „Heimliche Liebe“ am Baldeneysee
In dieser Phase übernahm Romberg zusätzlich die „Heimliche Liebe“ in Bredeney. Das führte einerseits zu mehr Einnahmen, andererseits wurde es für ihn durch die Doppelbelastung noch schwerer, Buchhaltung und Personalkosten im Blick zu behalten. Der Vater von drei Kindern bekam mehr und mehr Bauchschmerzen, hatte schlaflose Nächte und bei jedem Klingeln an der Tür fragte er sich, ob es Freunde der Kinder sind, die zum Spielen kommen, oder ob es nicht doch der Gerichtsvollzieher sein könnte.
„Ich hatte Angst vorm Scheitern“, sagt Romberg. „Ich dachte, dann stehe ich vor einem Scherbenhaufen und es ist vorbei mit der Selbstständigkeit.“ Irgendwann jedoch kam er um den Insolvenzantrag für das „Mittendrinn“ nicht mehr herum. 2019 entschied er sich zu diesem Schritt. Es folgten unangenehme Gespräche mit Gläubigern, in seinem Fall vor allem Brauereien, Getränkeverleger und Steuerberater. Auch eine Privatinsolvenz musste Romberg anmelden, denn für Pachtvertrag, Darlehen und Dispo-Kredit hatte er als Privatperson unterschrieben. Aushilfen verloren ihren Job, den drei Festangestellten bot er die Übernahme ins Team der „Heimlichen Liebe“ am Baldeneysee an. Denn den Betrieb führt Romberg bis heute weiter, dieser war nicht von der Insolvenz betroffen.
Insolvenz nahm dem Essener finanziellen und psychischen Druck
„Im Rückblick habe ich festgestellt, dass ich schon Jahre vorher an eine Insolvenz hätte denken sollen“, sagt Romberg heute. „Man muss nicht so viel Angst haben vor diesem Schritt. Das schlechte Gefühl und die Sorgen vorher sind schlimmer.“ Mit den Konsequenzen der Insolvenz muss er trotzdem leben, er muss sich aufgrund der Privatinsolvenz einschränken, sie seinen Kindern erklären. Dadurch, dass seine Frau noch außerhalb der eigenen Betriebe berufstätig sei, könne sich die Familie auch weiterhin gemeinsame Urlaube leisten. Dafür habe er aufgrund seiner Lage zwar schon einige böswillige Kommentare erhalten, doch von den meisten Menschen in seinem Umfeld habe er viel Unterstützung erfahren.
So auch zu seiner Entscheidung, jetzt offen über seine Erfahrung mit der Insolvenz zu sprechen. Dazu hat er sich entschieden, um anderen Betroffenen Mut zu machen, ihnen zu zeigen, dass es auch danach weitergeht. „Ich hätte mir ein Jahr voller Ärger und mit wenig Schlaf sparen können, wenn ich mir ehrlich eingestanden hätte, dass ich gescheitert bin“, sagt Romberg. „Es geht mir im Nachgang viel besser, psychisch und finanziell.“ Er habe gelernt, dass ein Scheitern nicht das Ende sei, dass man wieder aufstehen und aus Fehlern lernen könne. So hat er die Buchhaltung für sein Wirtshaus am Baldeneysee nun in andere Hände gelegt.