Essen. Was wird aus alten Kunstrasenplätzen? In Essen hat das neu gegründete Unternehmen Formaturf eine umweltfreundliche Antwort darauf gefunden.

Auf Asche spielen war gestern. Heute gibt es kaum einen Sportverein, der sich noch keinen Kunstrasenplatz zugelegt hat oder sich wenigstens einen wünscht. Doch mit dem Wachstum der Plastikplätze in den vergangenen Jahren stellt sich drängender denn je die Frage, was mit all dem Kunstrasen wird, wenn er nach 12 bis 15 Jahren abgenutzt ist.

Bislang wurden die grünen Matten vornehmlich verbrannt oder geschreddert und ins Ausland transportiert. Doch in Essen gibt es nun eine nachhaltigere Antwort auf das Entsorgungsproblem: Das noch junge Unternehmen Formaturf hat im Stadthafen ein 20.000 Quadratmeter großes Grundstück gemietet und recycelt dort künftig ausrangierte Kunstrasenplätze. Formaturf selbst spricht vom ersten Kunstrasen-Recyclingbetrieb Deutschlands. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde die Produktion am Freitag offiziell gestartet und soll in den nächsten Jahren erweitert werden. Ziel ist es, bis zu 200 Großspielfelder im Jahr in Essen wiederzuverwerten. Das wären 1,4 Millionen Quadratmeter Kunstrasen. 40 Arbeitsplätze sind entstanden.

Auf dem Betriebshof des Recyclingbetriebes Formaturf in Essen liegen bereits die ersten Säcke mit Kunstrasenstücken. Jeder wiegt eine Tonne.
Auf dem Betriebshof des Recyclingbetriebes Formaturf in Essen liegen bereits die ersten Säcke mit Kunstrasenstücken. Jeder wiegt eine Tonne. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

Die ersten Säcke mit abgeschälten Rasenbahnen liegen bereits auf dem Betriebshof. Eine buchstäblich schwergewichtige Aufgabe, wie Geschäftsführer Andreas Lenzing deutlich macht. Denn jeder Sack wiegt etwa eine Tonne. Da pro Platz insgesamt rund 200 Tonnen zusammen kommen, landen damit genausoviele Säcke in den großen Silos am Stadthafen. Allerdings: der reine Kunstrasen auf einem Spielfeld selbst wiegt nur 16 Tonnen, der große Rest des Gewichtes sind Sand und Gummigranulat. Und die müssen aus dem Rasen erstmal raus.

Kunstrasen-Recycling in Essen: „Der Kreislauf schließt sich“

Das passiert mit einem überdimensionalen Teppichklopfer. Danach wird der so gereinigte Kunstrasen geschreddert und eingeschmolzen. Parallel werden Sand und Gummigranulat in einer 24 Meter hohen Waschanlage voneinander abgeschieden. Der Sand wird anschließend getrocknet und kann danach wiederverwendet werden – unter anderem in neuen Kunstrasenplätzen. Das Granulat wird wie der geschredderte Kunstrasen eingeschmolzen. Beides kommt zusammen als breiige Masse aus dem Ofen und wird bei Formaturf zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet. Die Maschinen, die in Essen stehen, sind allesamt Spezialanfertigungen.

Das Verfahren hat sich Formaturf patentieren lassen. Das Besondere beschreibt Geschäftsführer Lenzing so: „Hier kommt 100 Prozent Rasen rein und es kommen 100 Prozent Produkte wieder raus.“ Damit sei der Kreislauf geschlossen. Formaturf spricht von einem „wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung“.

Der Sand, der im Kunstrasen war, wird ausgeklopft, gereinigt und kann anschließend wieder verwendet werden.
Der Sand, der im Kunstrasen war, wird ausgeklopft, gereinigt und kann anschließend wieder verwendet werden. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

Was aber kann man aus dem alten Kunstrasen Neues machen? Derzeit werden aus dem eingeschmolzenen Plastik so genannte Nailing Boards geformt. Das sind Kantensteine für Kunstrasenflächen, die Formaturf an das Schwesterunternehmen in die USA liefert. Das Unternehmen hat aber auch Rasengittersteine entwickelt oder Kunststoff-Elemente, die als Bandensysteme bei Kleinspielfeldern zum Einsatz kommen. Die Forschung, welche Verwendungsmöglichkeiten es darüber hinaus gibt, läuft.

Formaturf investiert in Essen zweistelligen Millionenbetrag

Aus dem Gummigranulat und dem geschredderten Kunstrasen werden unter anderem solche Kantensteine gepresst, die für die Anlage von Kunstrasenflächen eingesetzt werden.
Aus dem Gummigranulat und dem geschredderten Kunstrasen werden unter anderem solche Kantensteine gepresst, die für die Anlage von Kunstrasenflächen eingesetzt werden. © FUNKE Foto Services | Foto: Judith Michaelis / Funke Foto Services

Formaturf ist ein Tochterunternehmen der Sport Group aus dem bayerischen Burgheim. Mit rund 2000 Mitarbeitenden weltweit ist die Gruppe der Weltmarktführer für Kunstrasen. Mit dem Aufbau eines eigenen Recyclingbetriebes kann die Sport Group nun vom Platzbau bis zur -entsorgung alles aus einer Hand anbieten. Dass sich das Unternehmen Essen als Standort für das Recycling ausgesucht hat, liegt nicht zuletzt an der Kunstrasen-Platzdichte im Ruhrgebiet und darüber hinaus, erklärt Geschäftsführer Lenzing.

Einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag hat Formaturf für die Recyclinganlage ausgegeben. Wie schnell die Produktion erweitert wird, hängt jetzt vor allem davon ab, wie wichtig den Kunden die nachhaltige Entsorgung ihrer Kunstrasenflächen ist.

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