Essen. Ungewöhnlicher Auftritt beim Klavierfestival Ruhr: Helge Schneider begleitet Charlie Chaplins Stummfilmklassiker „The Kid“ live in der Lichtburg.
Wie eng Lachen und Weinen beieinander liegen können, demonstrierte Charlie Chaplin in seinem anrührenden Stummfilmklassiker „The Kid“, der 1921 in den USA und 1923 in Deutschland in die Kinos kam, auf meisterliche Weise. Bei den Programmverantwortlichen des Klavier-Festivals Ruhr war die Idee entstanden, für das 100-jährige Aufführungsjubiläum des Films nicht Chaplins Originalmusik in der Lichtburg intonieren zu lassen, sondern dem Film einen neuen musikalischen Rahmen zu geben. „Es gibt nur noch wenige Menschen, die Filme live am Klavier begleiten können, und der, der es am besten kann, ist heute da“, verkündet auf der Bühne nicht ohne Stolz Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr.
Derjenige, dem dieses Lob zuteil wird, ist Helge Schneider, ein musikalisches Multitalent. Mit konzentriertem Blick nach links verfolgt Schneider das Geschehen des Films, den er nach eigener Aussage bei der Schulvorführung am Mittag zum ersten Mal gesehen habe. Vielleicht ist dieser Umstand für seine Improvisation sogar von Vorteil, denn so kommt er nicht in die Versuchung, dem Geschehen auf der Leinwand mit musikalischen Mitteln noch mehr Drama oder noch mehr Lustigkeit hinzuzudichten.
Helge Schneider hat den Film bei der Schulvorführung am Mittag erstmals gesehen
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„Dieser Film erzeugt viel Lachen und vielleicht auch eine Träne“, diese Botschaft schickt Chaplin seinem Film, der gekonnt alle Register des Tragikomischen zieht und selbst philosophische Aspekte und Sozialkritik in urkomische Slapstick-Szenen einbettet, voran. Erzählt wird die Geschichte eines Babys, das von einer überforderten Mutter (Edna Purviance) auf dem Rücksitz eines Luxusautos, das vor einer prestigeträchtigen Villa parkt, ausgesetzt wird. Ein Vagabund (Charlie Chaplin) findet das Kind, und da alle Versuche, das Baby wieder loszuwerden scheitern, nimmt er es schließlich in seine schäbige Mansarde auf. Mit der Zeit entwickeln beide Techniken eines ausgeklügelten Überlebenstrainings. Als das Waisenhaus das Kind gewaltsam abholt, entspinnen sich herzergreifende Szenen, die niemand kalt gelassen haben dürften. Mit einem schönen Happy End finden schließlich Mutter und Kind wieder zusammen.
Helge Schneider entpuppt sich in der Essener Lichtburg als Geistesverwandter Chaplins
Anders als bei seinen grellen Konzerten, entpuppt sich Helge Schneider als Geistesverwandter Chaplins und belässt es häufig bei kleinen Klanggesten, etwa dezent basslastigen Akkordfolgen bei Bedrohungen oder leichtfüßig tänzelnden Melodien, die das liebevolle Zusammenleben von Kind und Vagabund unterstreichen. Begeistert applaudierte das Publikum einer künstlerischen Symbiose, der die 100 Jahre Trennung nicht anzumerken war.
Als Zugaben gab es dann noch einige Appetithäppchen von originalem Schneider-Humor. „Eines wird künstliche Intelligenz niemals können, nämlich so schlecht Klavier zu spielen wie ein Mensch, der nicht Klavier spielen kann“, so der 67-jährige, der dank natürlicher Intelligenz glücklicherweise ganz hervorragend spielt.