Essen. Ernste Zwischenfälle bei der Bomben-Evakuierung im Südostviertel: 50 Personen wollten mit Gewalt zurück und verzögerten die Entschärfung lange.

Ungewöhnlich lange Verzögerungen hatte es am Dienstagabend (23.5.) gegeben, als die Entschärfung einer Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg an der Bredowstraße wegen massiver Schwierigkeiten bei der Evakuierung mehrfach verschoben werden musste. Tatsächlich waren die genauen Umstände im Südostviertel dramatischer als zunächst bekannt: „An der Steeler Straße versuchten rund 50 Personen sich mehrfach gewaltsam Zutritt in den inneren Sperrkreis zu verschaffen“, berichtete Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf Anfrage am Tag danach.

Mit Stoßen, Schubsen und provokantem Auftreten sei versucht worden, die Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes zu überwinden, die an den Absperrungen Wache standen. Der KOD musste schließlich die Polizei hinzuziehen, um den Widerstand zu brechen und die Vorschriften durchzusetzen.

Personenkreis wollte die Vorschriften einfach nicht akzeptieren, so die Stadt

Am Ende konnte die Bombe von Frank Stommel (re.) und seinem Team unschädlich gemacht werden.
Am Ende konnte die Bombe von Frank Stommel (re.) und seinem Team unschädlich gemacht werden. © Stadt

Diese Vorschriften besagen, dass bei einer Fünf-Zentner-Bombe ein Sperrkreis von 250 Metern um den Ort der Entschärfung aus Sicherheitsgründen menschenleer sein muss, bei einer Zehn-Zentner-Bombe sind es sogar 500 Meter: Anwohner müssen ihre Häuser und Wohnungen verlassen, Gastronomien und Einzelhändler ihre Kunden wegschicken und schließen. „Der besagte Personenkreis wollte das einfach nicht akzeptieren“, berichtete Kromberg.

Sprachprobleme spielten keine Rolle bei der Renitenz

Dabei hätten Sprachprobleme – dass also die Anweisungen der Behörden vielleicht nicht verstanden wurden –, keine Rolle gespielt. Ethnisch sei die Gruppe „querbeet“ gewesen, so Kromberg, aber auch die Migranten unter ihnen hätten ausreichend Deutsch verstanden. „Die wussten ganz genau, was wir gemäß der Vorschriften durchsetzen müssen.“ Längst seien die Lautsprecherdurchsagen zudem mehrsprachig. Irgendwelche nachvollziehbaren Gründe für die Renitenz – Sorge um gehbehinderte Angehörige etwa – habe es nicht gegeben. „Dann hätten wir ja geholfen.“

Polizei musste anrücken, sogar die Bundespolizei mit Hunden unterstützend eingreifen, um die Menschen aus dem Evakuierungsbereich fernzuhalten. „Personalien konnten nicht ermittelt werden“, bedauert Kromberg. Das robuste Einsatzgeschehen habe dies nicht möglich gemacht. „Deswegen bleibt dieses Verhalten straffrei, und ich sage ausdrücklich: leider!“ Weil derlei Widerstand nicht zum ersten Mal geschieht, wurden die möglichen Strafen für die Renitenz erhöht. Bußgelder bis zu 1000 Euro pro Person kann die Stadt verhängen – wenn sie denn weiß, an wen sie den Bescheid schicken muss.

Ausgerechnet an der Bredowstraße hatte sich eine Familie regelrecht verschanzt

Aber die Vorfälle an der Steeler Straße waren nicht alles. Ausgerechnet an der Bredowstraße, nur wenige Meter neben der Bomben-Fundstelle, habe sich eine ganze Familie mit Kindern in ihrer Wohnung regelrecht verschanzt. „Gerade als Feuerwerker Frank Stommel anfangen wollte mit der Entschärfung, machten sich die Leute bemerkbar“, so Kromberg.

Wieder musste alles auf Halt gestellt werden, Einsatzkräfte mussten anrücken. Die Familie habe sich zu allem Überfluss zunächst sogar geweigert, die Tür zu öffnen. Als die Feuerwehr mit einer startbereiten Motorsäge der Forderung nach Evakuierung Nachdruck verlieh, gab sie dann auf. „Hier haben wir natürlich die Namen, alle Erwachsenen erhalten ein saftiges Bußgeld“, kündigt Kromberg an.

Fernzüge standen zweieinhalb Stunden auf dem Gleis – mit vielen Tausend Betroffenen

Rund zwei Stunden später als geplant, gegen 20.30 Uhr ging die Entschärfung dann endlich über die Bühne. Zu diesem Zeitpunkt war die A 40 schon zweieinhalb Stunden gesperrt, ebenso die Hauptbahnstrecke zwischen Bochum und Essen, auf der neben den Regionalbahnen auch der ICE und die anderen Fernzüge verkehren.

Tausende, letztlich vielleicht sogar Zehntausende Menschen warteten vor allem in den Zügen, vereinzelt auch in Autos darauf, dass es endlich weitergehen möge. „Wenn im Ruhrgebiet die Züge stehen, setzen sich die Verspätungen fort in ganz Deutschland, sowas hat weitreichende Konsequenzen“, so der Ordnungsdezernent. Das alles an einem Tag, wo ohnehin schon wegen der Messe-Veranstaltungen der Verkehr in Essen gestört war.

Nicht zuletzt mussten auch rund 3500 evakuierte Anwohner weit länger ihren Wohnungen fernbleiben als nötig. Kromberg: „All das ist denen, die hier meinen, ihren Widerstand ausleben zu müssen, aber offenbar gleichgültig.“