Essen. Uwe Bottlender hat dank einer Magenverkleinerung sein Gewicht glatt halbiert. Mehr als 40 Jahre sei er in einem Teufelskreis gefangen gewesen.

Der Essener Uwe Bottlender hat den größten Teil seines Lebens gegen überflüssige Pfunde und krankhaftes Übergewicht angekämpft. „Es fing schon an, als ich acht war“, sagt der Kaufmännische Angestellte aus Essen-Schönebeck. Mehr als 40 Jahre war der 52-Jährige gefangen in einem Teufelskreis, aus dem lange es kein Entrinnen zu geben schien.

Am Ende hat er ihn doch durchbrochen: Vor zwei Jahren entschied er sich dazu, sich operieren und den Magen verkleinern zu lassen. Der Erfolg ist enorm: Der Essener hat mehr als 90 Kilogramm verloren und sein Körpergewicht glatt halbiert. Ein Fall, der Mut macht.

Es ist der 30. März 2021. Ein Datum, das sich tief in Uwe Bottlenders Gedächtnis eingebrannt hat. Denn es ist der Tag, als die Ärzte ihn mit einer brutalen Prognose konfrontieren. „Sie werden nicht alt, wenn Sie so weitermachen“, sagen sie ihm schonungslos ins Gesicht. Für den damals 50-Jährigen ein Schock. Er bringt zu diesem Zeitpunkt 177,7 Kilogramm auf die Waage, das sind mehr als dreieinhalb Zentner. Er leidet deshalb an Bluthochdruck, Gelenk- und Hüftschmerzen, Schlafapnoe, Diabetes Typ II und anderen Wehwehchen. „An diesem Tag habe ich mich entschieden, mein Leben grundlegend zu ändern.“

„Die Manta-Platte habe ich regelrecht in mich reingeschaufelt“

Einige Jahre und 90 kg liegen zwischen den beiden Bildern: Uwe Bottlenders Höchstgewicht ist von 177,7 kg . . .
Einige Jahre und 90 kg liegen zwischen den beiden Bildern: Uwe Bottlenders Höchstgewicht ist von 177,7 kg . . . © privat

Er erzählt, dass sie ihn in der Schule wegen seines Übergewichts gehänselt haben. Dabei lief es in Kindheit und Jugend sogar noch einigermaßen rund. Er spielte Fußball bis zur A-Jugend von Grün-Weiß Schönebeck, außerdem Badminton. Aber heute weiß er zu gut, was damals schieflief: Dass er sich falsch ernährt und zu viel gegessen hat und das meistens zu den falschen Zeiten am Tag. „Es gab Nudeln, Pommes, Schokolade, Fast Food, Chips und wenig Gemüse – die Manta-Platte habe ich regelrecht in mich reingeschaufelt.“ Die Gewichtszunahme sei nicht steil bergauf gegangen, sondern stufenweise.

. . .  rapide gesunken auf aktuell 89 kg. Seit der Magen-OP bewegt er sich mehr und hat seine Ernährung komplett umgestellt.
. . . rapide gesunken auf aktuell 89 kg. Seit der Magen-OP bewegt er sich mehr und hat seine Ernährung komplett umgestellt. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Es ist nicht so, dass Uwe Bottlender nie etwas gegen die Fettleibigkeit getan hätte. Im Gegenteil. Er hat zig Diäten hinter sich, hungerte sich 30/40 Kilogramm runter, um sie schon kurz darauf wieder draufzupacken: der berüchtigte Jo-Jo-Effekt.

So wie Bottlender geht es Millionen Deutschen. Schätzungsweise 24 Prozent der erwachsenen Bevölkerung leidet unter krankhaftem Übergewicht. Es ist eine Volkskrankheit. Schon bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 spricht man von Adipositas. Der Essener lag zuletzt weit darüber. Bei einem BMI um die 40 ist eine OP vielleicht noch vermeidbar. Wer aber einen BMI von 50 plus hat, besitzt nur noch eine verschwindend geringe Chance, nachhaltig und ohne Operation abzunehmen.

An jenem schicksalhaften 30. März 2021 entscheidet sich Uwe Bottlender für den „Schlauch“, den Schlauchmagen. Die operative Alternative wäre der Bypass. Statistisch gesehen sind etwa zwei Drittel „Schlauch-Patienten“.

Krupp-Krankenhaus ist Referenzzentrum: 161 Magen-OPs in einem Jahr

Zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositas-Chirurgie: Dr. Joachim Kropff ist Oberarzt in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen-Steele. „Die Operationen sind standardisiert und dauern zwischen 65 und 75 Minuten.“
Zertifiziertes Referenzzentrum für Adipositas-Chirurgie: Dr. Joachim Kropff ist Oberarzt in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen-Steele. „Die Operationen sind standardisiert und dauern zwischen 65 und 75 Minuten.“ © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die Zahl der Magen-OPs ist am Krupp-Krankenhaus in Steele in den letzten Jahren stetig gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es 161, zehn Jahre zuvor lediglich 100. Wer viel und gut operiert, gewinnt an Renommee: Das Krupp-Krankenhaus ist längst vom Kompetenz- zum Referenzzentrum aufgestiegen. Das nächste Level heißt Exzellenzzentrum. In dieser Kategorie gibt es deutschlandweit nur eine Handvoll Kliniken.

Zwei Operationen: Schlauchmagen und Bypass

Bei der Schlauchmagen-Operation wird der Magen um etwa 90 Prozent verkleinert. Der nun in etwa schlauchförmige Restmagen erlaubt nur kleine Essmengen und beeinflusst nachhaltig das Hunger- und Sättigungsgefühl der Patienten. Ein Vorteil des Schlauchmagens liegt in der relativ kurzen Operationszeit, was besonders bei starkem Übergewicht (BMI > 50) ein Vorteil ist.

Bei der Magen-Bypass-Operation verbleibt lediglich ein kleiner Vormagen. Zusätzlich wird der Dünndarm umgeleitet, sodass die Verdauung erst im mittleren Dünndarm beginnt. Der Vorteil des Magen-Bypass ist die Kombination aus geringer Nahrungszufuhr und verminderter Nährstoffaufnahme. Diese führt jedoch auch zu einem gesteigerten Bedarf an Nahrungsergänzungsmitteln.

Im Alfried Krupp Krankenhaus werden Magen-Bypass-Operationen mit Unterstützung des „Da Vinci-Operationssystems“ durchgeführt. Dabei kontrolliert der Chirurg über eine Konsole die Instrumente des „OP-Roboters“. Dieser erlaubt feinere Bewegungen und einen verbesserten Aktionsradius bei höchster Präzision. Patienten profitieren von mehr Sicherheit, besseren Ergebnissen und einer oftmals schnellere Erholung nach der Operation.

„Die Operationen sind standardisiert, sie dauern zwischen 65 und 75 Minuten“, erklärt Oberarzt Dr. Joachim Kropff. Wer sich für eine Magen-OP im Krupp entscheidet, muss sich ein halbes Jahr vorher gewissenhaft darauf vorbereiten. Multimodales Konzept nennen sie diese Phase. „Sie ist total wichtig, weil viele nicht verstehen, dass sich ihr Leben komplett ändern wird“, sagt Bottlender.

Ungewöhnlich: Während die meisten Patienten in dieser Vor-OP-Phase nur minimal oder gar nicht abnehmen, sind die Pfunde bei Uwe Bottlender regelrecht gepurzelt. Als er unters Messer kommt, hat er bereits 27 Kilogramm abgenommen. Der Effekt der Operation: Sogenannte „Schlauch“-Patienten haben ein schnelles Sättigungsgefühl. Aber Bottlender sagt auch: „Die OP ist nur ein Werkzeug, das Wichtigste musst du selbst schaffen: die Ernährung umzustellen und sich zu bewegen.“

Statt Nutella gibt’s Knäckebrot mit Magerquark

Die erhoffte Gewichtsabnahme stellt sich bei Uwe Bottlender nach der OP im Oktober 2021 schnell ein – gleich in der ersten Phase mit drei bis vier Kilogramm pro Monat sogar rasant. Anderthalb Jahre später hat er – bei 1,80 Meter Körpergröße – sein Zielgewicht längst erreicht: 89 Kilogramm.

Früher stopfte Bottlender am Tag 3000 bis 4000 Kalorien und mehr in sich rein, inzwischen sind es nur 1800. Heute achtet er pingelig darauf, was auf den Teller kommt. Die Kalorienangaben von Lebensmitteln und Speisen kennt er mittlerweile auswendig. Eine gesunde Mahlzeit habe 450 Kalorien, ein Cappuccino schon 250 und 90 Gramm Chips gar 560 Kalorien. Außerdem führt er akkurat sein Ernährungstagebuch. Nutella etwa steht bei dem Essener schon lange nicht mehr auf dem Ernährungsplan – stattdessen mehr Eiweiß und Gemüse und weniger Kohlenhydrate. Zu trinken gibt’s stilles Wasser. „Alkohol habe ich auch früher nie getrunken.“

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Vier Mahlzeiten nimmt er jetzt am Tag zu sich. Zum Beispiel: Knäckebrot mit Magerquark zum Frühstück, später Hüttenkäse mit Paprikastreifen, abends Fisch oder Hähnchenbrust, danach eine Melone. Heute esse er viel bewusster und viel langsamer. „Um nicht in eine Heißhunger-Attacke zu laufen, sollte man ruhig auch mal ein Gummibärchen essen“, fügt er hinzu und lacht.

Uwe Bottlender: „So lange wie jetzt habe ich das Gewicht noch nie gehalten“

Gewonnen hat Uwe Bottlender viel. Die behandelnden Ärzte bescheinigen ihm, dass sich seine Lebenserwartung normalisiert hat. Und Sport empfindet er nicht mehr als Mord, sondern als Teil von Lebensqualität. Schwimmen geht er ins Oststadtbad, hinzukommen Aqua-Gymnastik, um die Gelenke zu schonen, und das Fitnessstudio für den Muskelaufbau.

Patientenseminar am 30. Mai in Steele

Das Adipositas-Zentrum des Krupp-Krankenhauses in Essen-Steele bietet ein kostenloses Patientenseminar an. Das Thema lautet: „Adipositas - eine Volkskrankheit aus psychologischer, hausärztlicher und chirurgischer Sicht“. Die Veranstaltung findet statt am 30. Mai um 17 Uhr in der Akademie am Steeler Berg (zweite Etage), Hellweg 94.

Referenten sind Dr. Markus Ebel (Hausarzt, Essen-Kray/Leithe), Dr. Anita Robitzsch (Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, LVR-Klinikum Essen) und Dominik Nagel (Leitung Adipositaszentrum Krupp Krankenhaus). Von ersten Anlaufstellen wie Selbsthilfegruppen und der Hausarztpraxis über die multimodale Therapie bis hin zu einer möglichen Operation wollen die Referenten zeigen, dass es Auswege aus der Adipositas.

Die Teilnahme ist sowohl online per Zoom als auch live vor Ort möglich. Anmeldungen sind online möglich: krupp-krankenhaus.de/adipositas.html

Kontakt: stefanie.hofmann@krupp-krankenhaus.de; Telefon 0201/8052604

Neben Vorträgen und Fragerunden stehen auch die Selbsthilfegruppe und der Adipositasverband an ihren Info-Ständen für Fragen zur Verfügung. Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Essen-Steele zeigt, wo Hilfen angeboten werden. Mehr Infos unter adipositas-shg-essen.de

Vollends über den Berg ist der Essener gleichwohl noch nicht. Denn wie fast alle Schlauch-Patienten besitzt auch er wegen des rapiden Gewichtsverlustes eine sogenannte Fettschürze, die früher oder später operativ entfernt werden muss. Oft legen Krankenkassen den Patienten Steine in den Weg und sträuben sich, die Kosten für Rekonstruktions-Operationen zu übernehmen.

Was aber unübersehbar ist: Uwe Bottlender wirkt aufgeräumt und ist ziemlich gut gelaunt. Seine Erfahrungen und seinen Optimismus trägt er jetzt gerne in die Adipositas-Selbsthilfegruppe Essen-Steele, die sich zwei Mal im Monat im Krupp-Krankenhaus trifft. Bottlender lacht und sagt: „So lange wie jetzt habe ich das Gewicht noch nie gehalten.“