Essen-Horst. Sandra Polert nutzt den ÖPNV aus Überzeugung – um die Verkehrswende zu forcieren. Doch oft lässt die S-Bahn sie im Stich. Das sagen VRR und Bahn.
Als im Jahr 2016 die Neubausiedlung am Breloher Steig in Essen-Horst bezugsfertig wurde, da warben Projektentwickler und Bauträger nicht zuletzt mit der guten ÖPNV-Anbindung um die Gunst der Käufer und Mieter. Jahre später wächst sich dieses Pfund zu einem echten Ärgernis aus, denn auf der Bahnlinie S3 zwischen Oberhausen und Hattingen häufen sich die Ausfälle.
Für Familie Polert, die vor rund sieben Jahren von Essen-Stadtwald nach Horst zog und ein Haus am Breloher Steig erwarb, erschien alles perfekt. „Die S-Bahn-Haltestelle liegt fußläufig nur drei Minuten entfernt“, sagt Sandra Polert (55). „Zudem fuhr die Bahnlinie S3 damals im 20-Minuten-Takt.“ Ideal für die Medizinische Fachangestellte, die an vier Tagen der Woche immer morgens zur Praxis nach Rüttenscheid pendelt. „Von Horst aus sind das nur drei Stationen bis zum Hauptbahnhof. Und von dort gibt es mehrere Optionen nach Rüttenscheid. Wenn alles glatt lief, war ich nur eine Viertelstunde lang unterwegs.“ Dies sei damals auch ein wichtiges Kriterium für den Umzug gewesen.
Doch die Zeiten ändern sich. Seit Dezember 2019 wurden beispielsweise die Bahnlinien S2, S9 und eben auch die S3 neu getaktet. Unterwegs sind einige Bahnen seitdem in der Hauptverkehrszeit alle 15 Minuten, in den Nebenzeiten jedoch nur alle halbe Stunde. VRR-Pressesprecherin Sabine Tkatzik: „Wir haben damit auf die unterschiedliche Auslastung unserer Bahnen reagiert und diese den Bedürfnissen unserer Fahrgäste angepasst.“
S3-Bahn wurde von 20 auf 30 Minuten umgetaktet
Die Bahnlinie S3 fährt allerdings, dies beweist ein Blick auf den aktuellen Fahrplan, nur noch alle 30 Minuten. Zum Ausgleich sei das Angebot im stark frequentierten Linienabschnitt zwischen Oberhausen und Essen durch den Regionalexpress RE49 ergänzt worden, wie Sabine Tkatzik erklärt. „Der Regio ist dort im 15-Minuten-Rhythmus unterwegs.“
Sandra Polert nutzt das nichts, „denn der besagte Regionalexpress hält gar nicht an der Station in Horst.“ Aber der neue Takt sei eigentlich sowieso kein Problem. „Nur wenn der Zug ausfällt, dann steht man noch länger auf dem Bahnsteig.“ Und spontane Ausfälle gebe es auf der Linie S3 in der jüngeren Vergangenheit häufig – Tendenz steigend.
Warum dies so ist, darüber kann die 55-Jährige nur Vermutungen anstellen: Die Bahnsteigdurchsagen lauten dann meist: „Kurzfristiger Personalausfall“. Das mag während der Pandemie auch der Fall gewesen sein, „doch so langsam sollte sich der Betrieb wieder normalisieren.“
Ein Bahnsprecher bestätigt: „Die Deutsche Bahn war und ist, wie andere Unternehmen auch, in der zurückliegenden Corona-Zeit von krankheitsbedingten Personalausfällen betroffen gewesen, so dass es hierdurch zu Zugausfällen gekommen ist.“ In Einzelfällen konnten auch die S-Bahnen, die von der Firma Stadler gewartet werden, nicht rechtzeitig an DB Regio NRW übergeben werden, so der Bahnsprecher weiter.
Sandra Polert: „Seit die Deutsche Bahn die Linie übernahm, häufen sich die Ausfälle.“
Für Sandra Polert steht jedenfalls fest: „Seit die Deutsche Bahn die Linie von der Abellio übernommen hat, ist die Situation spürbar schlechter geworden.“ Zudem kamen anfangs gefühlt auch nur noch alte Züge zum Einsatz. Sabine Tkatzik kennt das Problem, bittet jedoch um Verständnis: „Nachdem die Abellio insolvent ging, hat die Deutsche Bahn die Linie S3 übernommen. Die Umstellung fand Anfang letzten Jahres statt.“ Die kurzfristige Übernahme sei für die DB „eine Herausforderung“ gewesen. „Wir wissen, dass es auch auf anderen Linien zu vielen Ausfällen kam“, sagt Tkatzik. Wegen des krankheitsbedingten Personalmangels habe es daher Gespräche gegeben.
Der VRR reagiert auf die Situation rigoros: „Wenn Züge ausfallen, dann zahlen wir nicht“, sagt Tkatzik. „Oder bei Verspätungen entsprechend weniger.“ Doch dies, so gibt die VRR-Sprecherin unumwunden zu, nutze dem Kunden erst einmal wenig. Man habe daher bereits Ende des Jahres 2022 und zum Anfang dieses Jahres an einem Notfall-Plan gearbeitet – mit weniger Bahnen, die dann aber zuverlässiger laufen.
Die Alternative mit dem Bus ist wenig komfortabel und dauert länger
Für Sandra Polert und ihre Familie jedoch bleibt die Situation unbefriedigend, zumal die Alternativen zur S3 eher unkomfortabel und aufwendig sind: „Ich könnte mit dem Bus nach Steele fahren, doch die Haltestelle liegt fußläufig allein schon 15 Minuten von unserem Haus entfernt.“ Hinzu kämen die weiteren Verzögerungen durch die Umstiege.
Was Sandra Polert wirklich ärgert: „Wir versuchen, die so vielzitierte und geforderte Verkehrswende wirklich mit Leben zu füllen.“ Doch dazu müsse der ÖPNV den Kunden auch verlässliche Angebote machen „Zwar haben wir noch unser Auto in der Garage stehen, doch das kommt möglichst wenig zum Einsatz.“ Beispielsweise, als zu Ostern die S3-Linie nur bis Steele-Ost fuhr. „Da ist mein Mann Ingo, der bei der Stadt Essen arbeitet, notgedrungen aufs Auto umgestiegen.“
Die Bewohner der Siedlung am Breloher Steig in Essen nutzen oft das Lastenfahrrad
Viele Bewohner am Breloher Steig denken ähnlich. „In unserer Siedlung sind viele Eltern mit Lastenfahrrädern unterwegs; die Kinder fahren mit“, sagt Sandra Polert. Wegen der häufigen S-Bahn-Ausfälle habe man zwischenzeitlich sogar die Abo-Tickets gekündigt und sei auf das Rad umgestiegen. „Doch wir haben momentan keine E-Bikes. Da bin ich dann eine halbe Stunde unterwegs.“
Im Vergleich zur Wartezeit, die sie immer öfter auf dem Bahnsteig in Horst verbringt, ist dies allerdings ein Klacks: „Ich fahre schon bewusst eine halbe Stunde früher los, damit ich auf der sicheren Seite bin, weil ich um 7.30 Uhr in der Praxis sein muss.“ Doch zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dieser Redaktion sei um 6.43 Uhr wieder einmal die Bahn nicht gekommen. „Das ist dann ein Ein-Stunden-Takt“, seufzt Sandra Polert – und hofft auf Besserung.
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