Essen. „Solche Schäden kannte ich bislang nur aus dem Fernsehen“: Rolf Metz (72) durfte noch mal kurz in seine Wohnung im beschädigten Haus in Essen.
Nachdem die gezielte Sprengung einer Weltkriegsbombe vor seinem Haus die Wohnung verwüstet hat, in der Rolf Metz seit 2009 mit seiner Frau lebt, muss der 72-Jährige fortan auf unbestimmte Zeit im Hotel leben. „Oder bei meiner Tochter, mal sehen, wir wissen es noch nicht. Wir sind wie in Stockstarre, alles ist wie in einem Film.“
Metz und seine Frau bewohnen eine der zehn Eigentumswohnungen im klinkerroten Haus an der Werrastraße 52 im Essener Stadtteil Bergerhausen. 67 Quadratmeter, zweiter Stock, gute Gegend – zentral und doch ruhig gelegen.
Die Druckwelle breitete sich unterirdisch in zwei Richtungen aus
Das ganze Viertel das im Schatten der mächtigen Hubertuskirche (Töpferstraße) liegt, steht seit der misslungenen Sprengung des Blindgängers am Montagabend unter Schock. Und mancher, der zunächst fand, dass die Evakuierung im Umkreis des Bombenfundes reichlich übertrieben war, wurde durch die Ereignisse, die im Verlauf des Dienstags bekanntwurden, eines besseren belehrt: Die Druckwelle des 125-Kilo-Sprengsatzes fraß sich durch den Boden in zwei Richtungen, das frei stehende Wohnhaus an der Werrastraße 43 und das gegenüberliegende Reihenhaus Nummer 52 aus rotem Klinker müssen für Sekundenbruchteile regelrecht angehoben worden sein. Im Boden unter dem Asphalt der Straße gingen Leitungen und Kabel zu Bruch; wie groß der Schaden an den Häusern ist, ist noch nicht abzusehen.
„Ich kannte solche Bilder nur aus dem Fernsehen“, sagt Rolf Metz, der am Dienstag noch mal kurz in seine Wohnung durfte, um das Nötigste für die nächsten Tage zusammenzupacken. „Es sieht aus wie nach einem Erdbeben.“ Kein Bild hänge mehr an der Wand, keine Lampe mehr an der Decke. Die schwere Marmorplatte auf einem Heizkörper: Heruntergefallen, zerborsten in vier Stücke. Die Platte vom Glastisch im Wohnzimmer ebenfalls.
Ordnungsdezernent: Die Betroffenen brauchen jetzt Geduld
Risse in Wänden und Decken, andere offensichtliche Schäden? „Haben wir noch nicht entdeckt“, sagt Metz. Doch als Nächstes müssen Gutachter die beschädigten Gebäude überprüfen, erst dann wird man sehen, wie es weitergeht. „Das Schlimmste für die betroffenen Bewohner“, sagt Ordnungsdezernent Christian Kromberg am Dienstagabend, „ist, dass keiner weiß, wie lange der Zustand der Ungewissheit andauern wird. Alle müssen jetzt Geduld aufbringen, und das ist sicherlich sehr schwer angesichts des großen Schadens, der entstanden ist.“
Das beschädigte Haus Nummer 52 ist Teil eines Wohnkomplexes. Die benachbarten Reihenhäuser Nummer 50 und 48 sind weiter bewohnbar. „Zwischen den einzelnen Haus-Einheiten sind Trennfugen. Die haben wahrscheinlich dafür gesorgt, dass nur das Haus so massiv beschädigt wurde, das unmittelbar am Fundort der Bombe liegt“, mutmaßt Kromberg.
Offene Fragen: Hat jemand einen Fehler gemacht? Und wenn ja: Welchen?
Die Fragen, die jetzt, rund 40 Stunden nach dem unglücklichen Vorgang, zu klären sind: Hätte man die Druckwelle anders steuern können? Wurde zu wenig Sand angekarrt (75 Tonnen) – oder gar zu viel? War die gezielte Sprengung, von der es zunächst hieß, sie sei „erfolgreich verlaufen“, nicht besser zu regulieren?
Bei der Stadt Essen geht man derzeit davon aus, dass die Gebäudeversicherungen der Eigentümer für den Schaden aufkommen, auch wenn Christian Kromberg klarstellt, dass der gesamte Vorgang – die gezielte Sprengung der Weltkriegsbombe – unter der Verantwortung seines Dezernats steht. Auch, wenn der sogenannte Kampfmittelräumdienst, der die Sprengung durchgeführt hat, rein organisatorisch nicht zu Krombergs Verwaltungseinheit gehört, sondern zur Bezirksregierung Düsseldorf. Hat irgendjemand irgendwann seit dem Fund der Weltkriegsbombe in der Werrastraße einen folgenschweren Fehler gemacht? Diese Frage will derzeit, am Dienstagabend, noch niemand beantworten.
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