Essen-Haarzopf/Mülheim. Bei der aktuellen Aktion der Hühnerrettung NRW wurden 175 ehemalige Legehennen an Familien vermittelt. Warum alle Beteiligten davon profitieren.

  • Ausgemusterte Legehennen bekommen ihr Gnadenbrot.
  • Hühnerrettung NRW verteilte die Tiere an Familien.
  • Neue Halter müssen einen Schutzvertrag unterzeichnen.

Auf einem Kotten an der Stadtgrenze Essen-Haarzopf/Mülheim sind jetzt 175 Legehennen und zwei Gockel an Tierfreunde übergeben worden. Familien nehmen die Tiere auf, die in der Eierproduktion ausgedient haben und sonst geschlachtet worden wären. Nicole Urbantat vom Verein Hühnerrettung NRW sieht darin einen Gewinn für Mensch und Tier.

„Die Hühner sind gleich da!“, ruft Thora Fiebig vom Verein Hühnerrettung NRW und startet die Telefonkette. Bald trudeln die ersten Abholer ein und stehen geduldig Schlange. Denn bevor sie ihre Tiere in Empfang nehmen können, müssen Regularien erfüllt werden. Nicole Urbantat bewohnt an der Stadtgrenze Essen-Haarzopf/Mülheim-Heimaterde einen alten Kotten und ist im Verein zuständig fürs Bürokratische: „Wir lassen die Leute einen Schutzvertrag unterzeichnen, dass sie die Tiere nicht schlachten, sondern pflegen. Vorher haben sie nachgewiesen, dass es in ihrem Garten genügend Auslauf gibt. Wir wollen ja, dass es den Tieren gut geht.“

Halter müssen die geretteten Hühner beim örtlichen Veterinäramt anmelden

Der Stall müsse auch gewisse Anforderungen erfüllen: „Zum Beispiel muss er ausbruchsicher sein.“ Zudem müssen die neuen Halter ihre Tiere bei der Tierseuchenkasse und dem örtlichen Veterinäramt anmelden. Ein Pferdeanhänger fährt vor. Heute transportiert er 175 Hennen und zwei Gockel. Jeweils zu zehnt hockt das Federvieh in den Boxen. Natürlich wirken die Tiere angeschlagen, und doch freut sich Andreas Lauterfeld: „Die heute sehen echt noch gut aus.“ Schon oft habe er Hühner gerettet, die deutlich schlechter dran waren.

Theresa (l.) und Gabi Radermacher aus Duisburg nehmen sechs Hühner mit nach Hause.
Theresa (l.) und Gabi Radermacher aus Duisburg nehmen sechs Hühner mit nach Hause. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Tiere stammen aus einem Essener Betrieb. Die Legehennen haben „ausgedient“. Sie werden aber nicht getötet, weil Nicole Urbantat und ihre Mitstreiter der Ortsgruppe der Hühnerrettung NRW mithilfe engagierter Tierfreunde ihnen einen schönen Lebensabend schenken möchten. Dann geht’s auch schon los mit der Verteilung. Katharina Fidorra aus Dellwig und ihrer sechsjährigen Tochter Mia ist die Vorfreude auf die neuen Mitbewohner anzusehen: „Hühner sind bei uns nicht nur Nutztiere. Wir haben schon welche, aber das sind unsere ersten Rettungshühner. Jeder weiß doch, wie groß das Leid ist. Heute schenken wir drei Tieren ein neues Zuhause.“

In der Reihe steht ein Vater aus Erkrath mit seinem dreijährigen Sohn, der tapfer eine Transportbox festhält: „Wir machen das schon seit drei Jahren und haben zurzeit drei gerettete Hühner. Heute kommen noch sechs weitere dazu.“ Natürlich sei es traurig, wenn die Hühner krank würden, wenn wie kürzlich eines sterbe: „Das ist schon mal schwierig. Aber wir machen es gerne.“

Im April brauchen die Tiere keine Wärmelampen mehr

Eine Abholerin hat Sorgen: „Die Woche soll es noch mal knackig kalt werden. Brauchen die dann eine Wärmelampe im Stall?“ Bei winterlicher Kälte vielleicht, aber jetzt im April nicht mehr, weiß Thora Fiebig zu beruhigen: „Die haben ihre eigene Wärme und kuscheln sich aneinander.“

Horst aus Heiligenhaus holt seine Hühner in einem mit Grünzeug ausgelegten Käfig ab: „Mit Löwenzahn. Wenn die den nämlich fressen, bekommen ihre Eier so viel Farbstoff mit, dass damit gebackene Kuchen so richtig safrangelb werden.“ Heute hole er fünf Tiere ab, die kämen zu seinem Bestand von 15 Hühnern: „Die dürfen dann bei mir rumlaufen, bis sie tot umfallen.“ Er habe Landwirt gelernt und wisse, was Massentierhaltung bedeute: „Das ist meine Motivation.“

Auf dem Weg in ein neues Leben: Privatleute ermöglichen geschundenen Hühnern einen entspannten Lebensabend.
Auf dem Weg in ein neues Leben: Privatleute ermöglichen geschundenen Hühnern einen entspannten Lebensabend. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Hühner überraschen ihre neue Besitzer mit Geschenken. Gabi Radermacher aus Duisburg hält ganz gerührt etwas Ovales hoch: „Das erste Ei von unseren neuen Hühnern.“ Daheim warten schon zwei Hennen und ein Hahn auf Verstärkung: „Die anderen hat leider der Fuchs geholt.“ Tochter Theresa ergänzt: „Wir holen heute sechs Tiere. Am liebsten wäre mir gemischt weiß und braun.“ Sarah Hermes und Karin Neumann haben es übernommen, die Hühner aus den großen Boxen in die von den Abholern mitgebrachten Behältnisse zu setzen. Dafür braucht man schnelles Zupacken und gute Handschuhe.

So manches aufgeregte Huhn hackt nämlich kräftig zu, sagt Sarah Hermes: „Die heutige Fuhre ist ganz schön agil.“ Karin Neumann lächelt: „Wir sind schon ewig dabei. Die ersten Transporte haben wir noch im privaten Pkw durchgeführt. Was hat das gestunken.“ So langsam sind alle Hühner abgeholt und Thora Fiebig lacht entspannt: „Wir machen das jetzt schon so viele Jahre und wurden noch nie versetzt. Noch nie ist ein Tier beim Transport gestorben. Das läuft immer toll. Und die Tiere sind sowas von dankbar und zutraulich.“ Ihr Mann Andreas führt hinters Haus: „Wir haben 15 gerettete Hühner und sechs Laufenten. Denen geht es allen prima.“

Die geretteten Hühner können Sandbäder nehmen und die Sonne genießen

Großzügige Stallungen und viel Freilauf: ein Paradies. Die Tiere bräuchten nicht lange, um sich zu akklimatisieren, sagt Andreas Lauterfeld: „Die beginnen sofort zu scharren, Sandbäder zu nehmen und sich in der Sonne zu aalen. Manche haben noch ein Jahr zu leben, manche schaffen fünf, sechs Jahre. Unsere Tiere sind fit. Anfangs hatten wir jedem Tier einen Namen gegeben, aber inzwischen sind das zu viele.“

Nicole Urbantat hakt derweil den letzten Namen auf ihrer Abholerliste ab und lächelt: „Geschafft. Die Landwirte haben ein Problem weniger und wir können Tiere retten. Eine Win-Win-Situation.“

Tierfreunde können auch förderndes Vereinsmitglied werden oder eine Patenschaft für Hühner, Puten und Gänse übernehmen. Sie kostet ab fünf Euro im Monat. Die Paten erhalten Bilder und Informationen über „ihr“ Tier. Der Verein Hühnerrettung NRW sucht immer Menschen, die Tiere bei sich aufnehmen wollen. Die nächste Rettungsaktion findet im Sommer statt, der genaue Termin steht noch nicht fest. Näheres kann auf der Homepage www.huehnerrettung.de einsehen oder per E-Mail unter nachfragen.