Essen-Byfang. Auf dem Breddehof in Essen-Byfang leben Hühner, Waldschafe, Kaninchen, Minischweine, Wachteln. Wie eine Familie den Hof zum Leben erweckte.

Auf dem Breddehof in Byfang betreiben Britta Stiller und ihr Mann Jochen Harding seit 2019 Landwirtschaft im Nebenerwerb. Die alten Flächen der Vorfahren sollten sinnvoll genutzt werden und nicht brach liegen. Nach dem Motto „Schützen durch Nützen“ möchten die Studienrätin für Englisch und Erdkunde und der promovierte Bauingenieur Biodiversität erhalten.

Die vierfachen Eltern wollen die genetische Ressourcen alter Tierrassen bewahren für nachfolgende Generationen. Als erste offiziell anerkannte „Nutztier-Arche“ in Essen hält der Breddehof vom Aussterben bedrohte Hühnerrassen, Waldschafe und Marder-Kaninchen. Es gibt Mini-Schweine, Wachteln, und jede Menge Lebensraum für Insekten, Kröten, Molche, Schwalben und Fledermäuse.

Die Bergleute waren Stammgäste in der Gaststätte „Zur Bredde“ und durstige Gesellen

Britta Stillers Urgroßvater Heinrich Lüttenberg senior betrieb Land- und eine Gastwirtschaft. Als er vor 70 Jahren starb, trennte sich der Sohn vom bäuerlichen Betrieb und verkaufte Land an die Zechengesellschaft. Ende der 1950er Jahre wurde der Schacht Carl Funke IV niedergebracht. Christa Stiller-Lüttenberg erinnert sich: „Bis dahin waren hier Nutzgärten und Obstwiesen für sieben Familien. Für uns Kinder war es eine Mutprobe, wer sich am weitesten in den Stolleneingang traute. Später kamen Zechengerüst und Förderkorb.“

Zum Breddehof gehören seltene Tierrassen wie das seltene Marderkaninchen, das Britta Stiller auf dem Arm hat.
Zum Breddehof gehören seltene Tierrassen wie das seltene Marderkaninchen, das Britta Stiller auf dem Arm hat. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die Bergleute waren Stammgäste in der Gaststätte „Zur Bredde“ und durstige Gesellen, weiß Britta Stiller: „Die klopften nachts bei meiner Oma Änne ans Fenster und fragten nach einer Kiste Bier.“ Spannend wurde es am Zahltag. Schafften die Kumpel es vom Lohnbüro bis an den Tresen, um endlich ihre Deckel zu bezahlen? Oder waren die Ehefrauen schneller?

Das aufgegebene Gelände war zunächst eine Mondlandschaft

Die Gaststätte ist inzwischen an Nicole Hahn verpachtet. 1973 wurde der Schacht stillgelegt, das Gelände an RWE verkauft und eine Umspannanlage installiert. Vor elf Jahren kaufte die Familie das Land zurück. Fast zeitgleich zogen Britta Stiller und Jochen Harding aus Bochum nach Byfang: „Wir hatten Drillinge bekommen und die Nähe zur Familie gesucht.“

Das aufgegebene Gelände war eine Mondlandschaft, das Betriebsgebäude steht heute noch als Mahnmal, darf höchstens als Lager genutzt werden. Britta Stiller blickt festentschlossen: „Es ist es mir Lebensaufgabe, Tierrassen vor dem Aussterben zu bewahren. Nutztiere werden zu oft gequält, ausgebeutet und verletzt.“

Das seltene Vorwerk-Huhn zeigt Jochen Harding, der in Essen-Byfang auf dem Breddehof lebt.
Das seltene Vorwerk-Huhn zeigt Jochen Harding, der in Essen-Byfang auf dem Breddehof lebt. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Jochen Harding stürzte sich mit ins Abenteuer: „Die städtische Verwaltung fiel aus allen Wolken, als ich einen Businessplan für mobile Legehennen-Haltung vorlegte. Ich hatte Seminare der Landwirtschaftskammer besucht und unsere Idee mit Zahlen hinterlegt.“ Die Gattin seufzt: „Wir haben gegen Windmühlen gekämpft. Es müssen auf jeden Fall über 300 Hühner sein, die Hälfte des Futters muss vom Betrieb selbst produziert werden. Wir dürfen keinen Hofladen betreiben.“

Nach zweieinhalb Jahren zähen Ringens flatterte 2019 die Genehmigung ins Haus

Selbst im Familien- und Bekanntenkreis gab es Skepsis. Doch nach zweieinhalb Jahren zähen Ringens flatterte 2019 die Genehmigung ins Haus. Das Projekt „Breddehof“ konnte starten. An den Rand des Aussterbens gedrückte alte Hühnerrassen wie Bergische Schlotterkämme und Kräher, Vorwerk Huhn oder Deutsches Reichshuhn leben in kleinen Gruppen in Mobilställen. Sie haben täglich Auslauf und können auf der grünen Wiese scharren und picken.

Diese Hühner leben auf dem Breddehof, darunter sind vom Aussterben bedrohte Rassen.
Diese Hühner leben auf dem Breddehof, darunter sind vom Aussterben bedrohte Rassen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Auch die Bruderhähne dürfen mitaufwachsen. Anders als hybrid gezüchtete Hennen legt Rassegeflügel mehrere Jahre lang. Die Althennen werden nicht geschlachtet, sondern unentgeltlich der Hühnerrettung überlassen, die sie an tierliebe Menschen vermittelt. Da kommt „Pummelchen“ angewatschelt: Einer der heimlichen Stars des Breddehofes. Dass es sich um ein Deutsches Lachshuhn handele, erkenne man unter anderem an der fünften Zehe.

Die Kinder wissen das alles. Sie lernen viel dazu im verantwortungsvollen Umgang mit den Tieren, findet Jochen Harding: „Das vermittelt Werte.“ Dazu gehöre dann auch, wenn ein Huhn krank werde und erlöst werden müsse, sagt Britta Stiller. Oder wenn der Fuchs sich sogar die schweren Hähne hole: „So ist der Kreislauf der Natur. Tiere sterben.“