Essen. Tierschützerinnen der „Hühnerrettung NRW“ vermitteln Legehennen an tierliebe Gartenbesitzer. Was sie sich davon erhoffen und wer helfen kann.

Renate und Lady Gackgack hatten Glück: Die Hühner haben ein neues Zuhause im weitläufigen Garten von Nadine Soboll und ihrer Familie in Essen-Fulerum gefunden. Hier können sie frei herumlaufen, picken und scharren, wo es ihnen gefällt. Nach ihrer Zeit in einem Legehennenbetrieb wären die Tiere eigentlich im Schlachthof geendet. Doch Soboll und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter vom Verein „Hühnerrettung NRW“ wollen etwas dagegensetzen.

Der Verein Hühnerrettung NRW vermittelt Legehennen an tierliebe Gartenbesitzer. Bei der Übergabe sind die Tiere oft noch in schlechtem Zustand.
Der Verein Hühnerrettung NRW vermittelt Legehennen an tierliebe Gartenbesitzer. Bei der Übergabe sind die Tiere oft noch in schlechtem Zustand. © Hühnerrettung NRW | Hühnerrettung NRW

„Als die Hühner hierher kamen, waren sie fast nackt“, sagt Soboll. Außerdem hatten sie noch nie Tageslicht gesehen, sondern wurden in einem großen Betrieb auf engstem Raum mit anderen Tieren gehalten. „Viele picken vor Langeweile an sich selbst herum“, erklärt Nicole Urbantat. Die Mülheimerin gehört wie Soboll zu den Gründungsmitgliedern des Vereins.

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Sie haben bereits mehrere sogenannte Ausstallungen von Legehennen begleitet. Die Tiere seien oft in schlechtem Zustand, ihnen fehlten Federn, die Krallen seien lang und nach rund einem bis anderthalb Jahren in Bodenhaltung stänken sie stark.

Hühner als Haustiere

Die Ehrenamtlichen adoptieren solche Tiere und geben ihnen bis zu ihrem Tod ein neues Heim. Im vergangenen Jahr haben die Mitglieder nach eigenen Angaben mehr als 1600 Tiere in Nordrhein-Westfalen vermittelt, in diesem Jahr bereits rund 1000. Weitere Ausstallungen folgen in den nächsten Wochen und Monaten – immer in beiderseitigem Einverständnis und in professioneller Schutzausrüstung, um keine Keime einzutragen. „Es gibt einige Betreiber, die uns die Tiere überlassen“, sagt Urbantat. Ansonsten würden die Hühner geschlachtet und oftmals zu Tierfutter verarbeitet.

Tierliebe Menschen für Adoptionen gesucht

Der Verein Hühnerrettung NRW vermittelt Legehennen an tierliebe Menschen, die ihnen ein angemessenes Zuhause bieten können.

Dazu gehören unter anderem ein abgesicherter Stall und mindestens zehn Quadratmeter Auslauf pro Tier.

Die Ehrenamtlichen begleiten mehrmals pro Jahr sogenannte Ausstallungen, wer mindestens zwei Tiere adoptieren möchte, kann sich beim Verein melden.

Ausgeschlossen sind gewerbliche Haltung und Schlachtung der Tiere.

Weitere Informationen und Kontakt unter huehnerrettung.de

Manche Tiere seien nicht mehr zu retten, bei vielen setze die Erholung aber schnell ein. „Alles, was ein Huhn so macht, scharren, Sandbäder nehmen, Sonnenbaden, das machen sie nach wenigen Tagen. Der Instinkt ist da“, sagt Urbantat. Um die Fälle, die mehr Pflege bedürfen, weil sie krank oder verletzt sind, kümmert sich Soboll. Die Essenerin hat ihre beiden Hühner Lady Gackgack und Renate als Haustiere fest ins Herz geschlossen.

„Ich finde es total entspannend, im Garten zu sitzen und die Hühner zu beobachten“, sagt sie. Die beiden Kater der Familie wagen sich nicht nah an die Hühner heran, sie wissen schon, dass sie dann die Schnäbel zu spüren bekommen würden. Die Hühner im Gegenzug nutzen manchmal die offenen Terrassentür, um drinnen etwas vom Katzenfutter zu stibitzen. Nachts sind sie sicher im Stall beziehungsweise einem Gehege untergebracht, damit Fuchs und Co. ihnen nichts anhaben können.

Tierschützerinnen wollen Verbraucher aufklären

Nach wie vor legen die Hühner jeden Tag ein Ei – für Soboll ist das aber nicht der Grund, sie zu halten. „Wenn ich sie nicht hätte, würde ich keine Eier mehr essen“, sagt die 42-Jährige. Schon seit Jahren ernährt sie sich vegetarisch und setzt sich kritisch mit der Massentierhaltung auseinander. „Ich wollte mehr tun, als nur auf Fleisch zu verzichten, so kam ich zum Tierschutz“, sagt sie. Die Aufnahme einzelner Hühner sei in diesem Zusammenhang nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagen die beiden Frauen. Schließlich folgen den „geretteten“ Tiere direkt neue nach.

Die Hühner Renate und Lady Gack Gack sind auf der Terrasse auf Futtersuche. In ihrer neuen Umgebung in Essen haben sie sich schnell eingelebt.
Die Hühner Renate und Lady Gack Gack sind auf der Terrasse auf Futtersuche. In ihrer neuen Umgebung in Essen haben sie sich schnell eingelebt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Tierschützerinnen hoffen vielmehr, über ihre Arbeit auch für ein Umdenken bei Konsumenten zu sorgen. Wer ein Huhn aus einem Legebetrieb aufgenommen habe oder es nach seiner Ankunft in Nachbars Garten gesehen habe, komme dadurch ins Nachdenken, sind sie überzeugt. Im Idealfall sinke so irgendwann die Nachfrage und weniger Hühner würden unter Extrembedingungen gehalten.