Essen-Kettwig. Vor fünf Jahren eröffnete Tatjana Schmidt die Malschule „Kunst-Punkt“ in Essen-Kettwig. Warum die Ukrainerin ihren eigentlichen Beruf aufgab.
Vom technischen Zeichnen ist Tatjana Schmidt zur Malerei gekommen. Mehr noch: Vor fünf Jahren hat die gebürtige Ukrainerin ein Atelier mit einer Kunstschule in Kettwig eröffnet. Im „Kunst-Punkt“ an der Ruhrstraße lernen seitdem Jung und Alt in wöchentlichen Kursen und Workshops den kreativen Umgang mit Farben und Pinseln.
„Was ich seit einigen Jahren hier mache, erfüllt mich auf besondere Weise. Künstlerisch aktiv zu sein, bringt Glück und Freude. Beides kann ich in meinen Werken, aber auch in meinen Workshops an andere Menschen weitergeben“, erklärt Tatjana Schmidt beim Besuch in der Kettwiger Altstadt. Dabei zeigt sie lächelnd das kleine Ladenlokal, in dem sie ihre Welten aus Fantasie und Träumen auf Papier und Leinwand bringt: Blumen, Vögel, Delfine oder Engel in leuchtenden Farben, bisweilen menschliche Figuren.
Den Kursteilnehmern die Angst vor dem weißen Blatt nehmen
Mit unzähligen Klecksen sind die einst weißen Tische in der Malschule übersät. „Als sie neu waren, habe ich selbst die ersten bunte Punkte darauf gemalt“, so Schmidt. „Ich wollte den Kursteilnehmern damit die Angst vor dem weißen Blatt nehmen. Denn der erste Strich ist für viele der schwerste.“ Seit der Eröffnung im Jahr 2018 seien etliche Punkte dazugekommen.
Auch selbst hat die aus der Ukraine stammende Künstlerin immer wieder Mut in ihrem Leben bewiesen. 2001 war die gelernte Maschinenbau-Ingenieurin nach Deutschland gekommen, um in Hessen eine Stelle als Au-Pair-Mädchen anzutreten. Sie verliebte sich und heiratete einen Mann aus Castrop-Rauxel. So kam sie als „Frau Schmidt“ an die Ruhr.
2009 nahm sie im Wattenscheider Kunstzentrum (IBKK) mit dem Fachbereich Illustration und Computergrafik ein neues Studium auf, das sie 2017 erfolgreich mit einem Diplom abschloss. In der Ukraine hatte die mittlerweile etablierte Künstlerin technische Zeichnungen angefertigt. „Das hat mir auch Freude gemacht, aber das freie Malen gefällt mir viel besser “, erklärt Tatjana Schmidt.
Für Kettwig, wo sie sich seit 2018 zuhause fühlt, hat sie für das Jahr 2023 zum dritten Mal einen Kalender erstellt, der an die Kettwiger Märchen-Tradition angeknüpft. Denn seit vielen Jahren in der Vorweihnachtszeit verwandeln sich die Gassen im historischen Kettwiger Ortskern mit den Fachwerkhäusern rechts und links in eine Märchenstraße. Ende 2022 waren unter anderem der Gestiefelte Kater, der Fischer und seine Frau, Rapunzel und Dornröschen an den Fassaden vertreten.
Sie gibt Hilfe bei der Umsetzung von Motivwünschen
„Kunst hört man nicht, Kunst sieht man nicht, Kunst fühlt man“, lautet das Motto von Tatjana Schmidt. Mit einem Kinder-Kurs für zwei Vierjährige startete sie im April 2018 in die Selbstständigkeit. „Eines der Mädchen geht immer noch einmal in der Woche bei mir malen.“
Tage der offenen Tür in der Malschule
Die ersten fünf Jahre des Bestehens ihrer Malschule will Tatjana Schmidt noch im April gebührend feiern. Dazu eingeladen sind ehemalige und auch aktuelle Teilnehmende sowie andere Kunstinteressierte.
Es gibt deshalb Tage der offenen Tür am 22. und 23. April sowie am 29. und 30. April (jeweils Wochenenden). Dabei soll an der Ruhrstraße 30 gezeigt werden, was sich aus Kreativität und Freude künstlerisch gestalten lässt. Öffnungszeiten: samstags von 14 bis 19 Uhr, sonntags von 12 bis 16 Uhr.
Auch die Workshops für Jung und Alt fanden schnell Anklang. Abends oder am Wochenende kommen seitdem kleine Gruppen in dem Atelier hinter dem großen Schaufenster zusammen, um in entspannter Atmosphäre zu malen, wobei Themen und Materialien variieren. „Jede Gruppe hat ihre eigene Dynamik.“ Auch Einzelstunden sind möglich, für Kinder und Erwachsene. „Manche Teilnehmende kommen mit bestimmten Motivwünschen, ich helfe ihnen dann bei der Umsetzung.“
Malschule ist Treffpunkt für Geflüchtete aus der Ukraine
Tatjana Schmidt wechselt in ihren eigenen Bildern gern die Techniken – mit Acryl-, Öl- oder auch Aquarellfarben entstehen ihre Werke. Ausgestellt hat die „Kunst-Punkt“-Leitern mehrfach, einzeln oder in einer Gruppe. Die Schönheit der Natur zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Schaffen.
Mit dem Kriegsbeginn in ihrer alten Heimat ist die Kunst-Punkt-Malschule auch ein Treffpunkt für Geflüchtete geworden. Kinder aus der Ukraine haben vor einigen Tagen mit einer ukrainischen, jungen Mutter, die 2022 nach Essen floh, traditionelle Wachs-Ostereier gestaltet. „Solche Aktionen freuen mich natürlich sehr und ich unterstütze sie gern“, so Schmidt. Pläne für die Zukunft hat sie auch: „Am liebsten hätte ich mehr Platz, um zusätzlich Kreativkurse mit Ton oder Stoffen anbieten zu können.“ Falls sie irgendwann ein größeres Atelier in der Nähe finde.