Essen. Mit der Schließung von Karstadt endet eine Ära in Essen, die vor 120 Jahren begann und den Ruf als Einkaufsstadt entscheidend mitbegründete.
- Dieser Artikel erschien am 13. März 2023, als die Karstadt-Filiale im Limbecker Platz schon einmal geschlossen werden sollte, um dann später doch noch in letzter Minute gerettet zu werden
- Am Samstag (27.4.) wurde offiziell: Galeria will bundesweit 16 der 92 Filialen von Karstadt und Kaufhof schließen. Darunter auch das Haus in Essen (zum Artikel)
- Diese Nachricht haben wir zum Anlass genommen, unseren Artikel vom 13. März 2023 zu aktualisieren noch einmal zu veröffentlichen.
Das Ende der Kaufhaus-Ära in Essen war lange abzusehen, aber wenn es dann so weit ist, lässt es einen doch nicht unbewegt. Seit immerhin fast 120 Jahren war die Stadt Standort von Kaufhäusern, deren Vielfalt vor allem in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg den Ruf als Einkaufsstadt maßgeblich mitbegründeten und trugen. Mit dem Aus für Karstadt im Limbecker Platz, das wegen des fehlenden eigenen Gebäudes strenggenommen schon kein klassisches Kaufhaus mehr war, ist der lange Abgesang dieser Art des Einkaufens in Essen nunmehr besiegelt.
Alles begann im Jahr 1904, als der aus dem Münsterland stammende Kaufhaus-Pionier Theodor Althoff genau in eine wirtschaftliche Boom-Zeit hinein sein erstes Kaufhaus an der mittlereren Limbecker Straße im verspielten Jugendstil errichtete. Der Erfolg war so gewaltig, dass schon 1912 ein ungleich größeres Haus eröffnet werden konnte, und zwar da, wo die Krupp-Stadt und der Stadtkern zusammentrafen: am Limbecker Platz und der unteren Limbecker Straße.
Althoff-Warenhaus setzte mit seiner eleganten Fassade Maßstäbe
Viele Essener nannten das vom bedeutenden Kaufhaus-Architekten Wilhelm Kreis erbaute Gebäude wegen seiner Dimension von 28.000 Quadratmetern Schaufläche und wegen seiner Anmutung „Warenburg“. Es setzte wie so viele Kaufhäuser in deutschen Großstädten auch architektonisch Maßstäbe und wirkt zumal auf Vorkriegsbildern wegen der schlank gestalteten Fassade weniger trutzig als vielmehr ausgesprochen elegant.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts profitierte Althoff davon, dass es abgesehen von Kriegs- und Inflationszeiten immer wieder auch prosperierende Phasen gab, und das Warenhaus den Zeitgenossen im Gegensatz zu den sonst üblichen kleinen Läden ein geradezu berauschendes Konsumgefühl ermöglichte.
Schon 1920 wurde Althoff vom Karstadt-Konzern übernommen, die Umbenennung des Essener Kaufhauses geschah aber nicht zufällig erst 1963. Althoff war in Essen ein eingeführter Markenname, den zu ändern unklug gewesen wäre. Selbst in den 1970er Jahren gingen alte Leute noch oft „zum Althoff“, wenn sie eigentlich Karstadt meinten.
Seine lange, legendäre Geschichte hat dem Gebäude im Jahr 2008 allerdings nichts genützt, als es für das neue Einkaufszentrum Limbecker Platz abgerissen wurde. Zwar war das Haus durch die Bomben des Weltkriegs und auch durch Bergsenkungen geschädigt – wer durch den Haupteingang hinein ging, konnte deutlich das Gefälle spüren; vor allem aber stand es dem neuen Einkaufszentrum im Weg, in das Karstadt dann mit einzog. Als der markante Turm am 1. Juni 2008 als letztes Gebäudeteil gesprengt wurde, waren viele Bürger traurig, auch wenn sie möglicherweise selbst schon länger nicht mehr ein Kaufhaus besucht hatten.
Auch Krupp wollte bei den Großen mitmischen, aber wer Stahl kann, kann nicht unbedingt auch Kaufhaus
Aber Karstadt war nur eines von mehreren Warenhäusern, die die Einkaufsstadt Essen prägten, die in den 1960er und 1970er Jahren ihre goldene Zeit hatte. Auch Krupp, seit jeher über den „Kruppschen Konsum“ im Einzelhandel engagiert, wollte mitmischen und eröffnete im November 1962 gleich neben Althoff/Karstadt ein modernes Kaufhaus, dem mit sieben Jahren jedoch nur ein kurzes Dasein vergönnt war. Wer Stahl kann, kann eben doch noch lange kein Warenhaus. Der Kaufhaus-Konzern Quelle und später Sinn Leffers übernahmen das Gebäude, und schließlich wurde auch dieser Standort vom riesigen Einkaufszentrum Limbecker Platz geschluckt.
Und ja, so sehr identifizierte sich Essen mit Warenhäusern, dass die Stadtväter 1963 sogar das alte, im Krieg stark beschädigte Rathaus, gelegen zwischen Kennedyplatz. Kettwiger Straße und der Marktkirche, auf Abriss an den Wertheim-Konzern verkauften. Was im Nachhinein auf viele wie ein irrsinniger Schildbürgerstreich wirkt, wurde in der Euphorie jener Zeit von den Bürgern ohne größere Proteste hingenommen.
Wertheim wurde auf der Kettwiger Straße allerdings nicht glücklich, das 1966 eröffnete, außen hypermoderne Kaufhaus hielt keine 20 Jahre und 1986 kamen an dieser Stelle der Innenstadt schon wieder die Abrissbirnen zum Einsatz. Der Kipp-Punkt war erreicht, das Warenhaus mutierte langsam, aber stetig vom Traumschiff des Konsums zum Ort mittelmäßiger Beliebigkeit.
Auch der dritte große Kaufhaus-Standort am Willy-Brandt-Platz hat eine wechselvolle Geschichte
Wechselhaft verlief auch die Geschichte des dritten großen Kaufhaus-Standorts am heutigen Willy-Brandt-Platz. Ursprünglich lag hier das Grandhotel Königshof, dem dann 1936 das „Deutsche Familienkaufhaus“, abgekürzt Defaka folgte. 1976 wurde wieder abgerissen, und 1977 eröffnete dann an dieser Stelle das Horten-Warenhaus, dessen architektonisches Merkmal die berühmten, wenn auch wenig geliebten Horten-Kacheln aus Beton waren. Später zur Galeria Kaufhof mutiert und unter das Karstadt-Dach geschlüpft, war hier 2020 dann Schluss.
Für Karstadt im Limbecker Platz gab es schon zweimal eine Gnadenfrist, doch wie es nun aussieht, ist diese vorbei. Bis Ende August will das Unternehmen seine Filiale schließen. Das Warenhaus alter Prägung, das Essens Innenstadt einmal viele Kunden und viel Geld bescherte, es ist dann endgültig Geschichte.
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