Facebook-Gruppe hat Sehnsucht nach dem alten Essener Rathaus
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Essen. Auf Facebook hat sich eine Gruppe gegründet, die den Wiederaufbau der Altstadt propagiert und viel Resonanz bekommt. Spinnerte Idee oder mehr?
Schon in der Vergangenheit gab es immer wieder die Idee, das alte Rathaus oder andere Teile der Innenstadt wieder aufzubauen
Eine Facebook-Gruppe propagiert dies und findet viel positive Resonanz
Auch der OB findet die Aktivitäten der jungen Stadtpatrioten sympathisch
Frankfurt oder Dresden haben Teile ihrer Altstädte wiederaufgebaut und sind sehr glücklich damit. „Warum sollte so etwas nicht auch in Essen möglich sein?“, fragt Andreas Graeff. Was manchem wie eine spinnerte Idee vorkommen mag, hat im sozialen Netzwerk Facebook in kurzer Zeit fast 1000 Freunde gefunden. „Für den Wiederaufbau der Essener Altstadt“ nennt sich die Gruppe, und sie hat bei nicht wenigen Essenern offensichtlich einen Nerv getroffen. „Die Resonanz ist riesig, und viele machen uns Mut“, sagt Graeff.
Verwundern kann das eigentlich nicht. Vor allem der Verkauf des alten Rathaus-Grundstücks gegenüber der Marktkirche an den Warenhauskonzern Wertheim und der Abriss des Gebäudes im Jahr 1964 gilt als Jahrhundertsünde der Nachkriegsentwicklung. Zumal ältere Essener empfinden das immer noch als schmerzlich, wie eine Debatte vor über drei Jahren zeigte.
In einem Fachaufsatz hatte der Essener Architekt Axel Koschany eher beiläufig bemerkt, ein Wiederaufbau des alten Rathauses „würde wohl der Innenstadt den Ort der Identifikation geben, der den Bürgern heute so fehlt“. Als diese Zeitung das damals aufgriff und zum Thema machte, war das Echo gewaltig. Ungeachtet der Tatsache, dass ein solches Projekt aus vielen Gründen sehr schwer zu realisieren wäre, fanden viele Bürger allein die Idee faszinierend – und bestätigten damit Koschanys These.
Die Innenstadt wird trotz mancher Verbesserungen und der hie und da vorhandenen alten Bausubstanz immer noch von vielen als ein eher unwirtlicher Ort empfunden. Ungeliebt blieb etwa das Kaufhaus Wertheim, dem auf dem Rathaus-Grundstück kein langes Leben beschieden war. Schon 1987 wurde es wieder abgerissen und durch den heutigen Zweckbau ersetzt.
Der Wiederaufbau des neogotischen Rathaus aus dem Jahr 1885 ist jedenfalls auch für die Facebook-Gruppe um Andreas Graeff und Felix Aden ein Traum, den man nicht zu früh als unrealistisch abtun solle. „Natürlich könnte die Stadt das nicht leisten“, räumt Graeff ein. Aber warum solle es nicht irgendwann möglich sein, einen Investor zu finden, der einen Nachbau erfolgreich als Mietobjekt für Läden, Gastronomie und Büros entwickelt? Ergänzt vielleicht durch das Standesamt und andere Service-Abteilungen der Stadt?
Gotische Ornamente nicht so teuer wie sie aussehen
„Die gotischen Ornamente sehen teuer aus, aber sie würden nur wenige Prozent der Bausumme ausmachen“, meint Graeff. Manches Originalteil wurde vor dem Abbruch gerettet und könne einer Replik etwas Patina verleihen, etwa die alte Ratsglocke, die historische Rathaustür und Kopf-Skulpturen Essener Bürgermeister. Und im Innern dürfe ein solches Haus ja durchaus moderne Anteile haben.
Historische Postkarten aus Essen
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Ein bisschen stolz ist Graeff darauf, dass Oberbürgermeister Thomas Kufen zu den Freunden seiner Facebook-Seite zählt. Zwar lehnt sich der OB verständlicherweise mit Aussagen nicht allzu weit aus dem Fenster, doch empfindet er den Stadtpatriotismus, der mit der Initiative verbunden ist, als sehr sympathisch. „Viele Essener Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich immer noch mit dem alten Rathaus“, sagt Kufen, der sich vorgenommen hat, die Liebe der Essener zur eigenen Stadt zu steigern. Da ist durchaus noch Luft nach oben.
Die Freunde der Essener Altstadt könnten sich auch andere Rekonstruktion vorstellen, ähnlich etwa wie in Frankfurt, wo mehrere historische Häuserzeilen wiedererstanden sind und neben den Bürgern auch vom Immobilienmarkt begeistert angenommen wurden. Die hessische Metropole ist darüber nicht zu einer nostalgischen, rückwärtsgewandten Stadt geworden, hat aber vermutlich an Wärme und Flair gewonnen. Felix Aden will in Essen bei Stadtplanern und Bauherren zumindest das Bewusstsein für solche Möglichkeiten wecken. „Es gibt einfach das Bedürfnis nach Heimat und Identität.“
So sah die nördliche Essener Innenstadt früher aus
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