Essen. Besuch in Essens größtem Kostüm-Geschäft kurz vorm Karnevals-Wochenende: „Pilot“ und „Stewardess“ sind ausverkauft, denn „sexy wollen alle“.
Essens größtes Kostüm-Geschäft, „karnevalswierts“ an der Altendorfer Straße, hat am Freitag vor dem jecken Wochenende um 11.42 Uhr keine Clown-Nasen mehr. Kommt noch neue Ware? „Im Lager sind noch sechs Rollcontainer, aber ob die dabei sind, kann ich nicht versprechen“, sagt Filialleiterin Sarah Kirstein und räumt stapelweise künstliche Wimpern in knisternder Plastikfolie nach.
Also, mal sehen: Kuh-Ganzkörperkostüme derzeit nur noch in großen Größen, Plastikschwerter alle weg, die Reihen der pinken Tüll-Röckchen stark gelichtet, außerdem werden aus dem einst üppigen Bestand der Piloten- und Stewardess-Kostüme empfindliche Verluste gemeldet. Oder kurz gesagt: „Die sind alle weg“, sagt Sarah Kirstein, „und die bekommen wir auch sicher nicht mehr ‘rein.“
In diesem Jahr im Trend: Stewardessen und Piloten
Dass Kostüme aus der Berufswelt „Flugpersonal“ in diesem Jahr besonders beliebt sind, hat mit dem Kino zu tun. „Da war doch der Film Top Gun Maverick“, erinnert die Kostüm-Expertin und zählt auf, was noch gut geht in diesem ersten richtigen Karnevals-Jahr nach drei Corona-Pleiten: „Allgemein Tiere, besonders Giraffen.“ Als Ganzkörperkostüm? „Auch als Kleid.“ Unterdessen ergreift im Gang nebenan ein Vater die letzte Pippi-Langstrumpf-Perücke, die Tochter, schätzungsweise fünf Jahre, atmet auf. Am Ende des Ganges prüft ein Herr kritisch sein Spiegelbild, er trägt einen Napoleon-Hut. Und Mitarbeiter Saif (22), extra für diese Tage angestellt, schleppt eine Kiste mit lang ersehntem Inhalt an: neue Plastikschwerter!
„An diesen Tagen beschäftigen wir mehr Personal als sonst“, berichtet die Filialleiterin. Sie will ja keine Geschäftszahlen ausplaudern. Aber sie widerspricht ausdrücklich nicht, wenn man sie mit der Vermutung konfrontiert: Ein Laden wie, nunja, „karnevalswierts“ – könnte es sein, dass der gut und gerne 90 Prozent seines Jahresumsatz zwischen Altweiber und Aschermittwoch macht? Womit sich die Frage aufdrängt, was an den anderen 358 Tagen im Jahr passiert. „Naja, es gibt Halloween, Motto-Parties, Junggesellenabschiede . . . wir haben durchaus das ganze Jahr zu tun“, sagt die Filialleiterin.
Indianer sind seit Jahren nicht mehr so gefragt
Sie steht vor einer langen Kleiderstange, auf der noch auffällig viele Indianerwesten und -hosen hängen. Die Diskussion, die seit Jahren geführt wird, ob Kostüme wie „Indianer“ noch zeitgemäß sind – spielen die im Geschäft eine Rolle? „Bei Indianern durchaus, die sind schon länger nicht mehr so gefragt.“ Und die Debatte um Sexismus im Karneval? Schlüpfrige Kostüme? Die Geschäftsfrau schüttelt energisch den Kopf: „Nein, das merken wir gar nicht. Alle wollen sexy Kostüme – Nonnen mit Netzstrümpfen, Playboy-Bunnies, Krankenschwestern.“ Knapp und kurz sollen die Textilteile dann sein, tief ausgeschnitten, viel Haut wird gezeigt. Einerseits. Und wenn’s draußen regnet? Der gute, alte, durchsichtige Poncho, der das Kostüm vor Nässe schützt, ist auch immer gefragt, auch wenn er nicht ganz so sexy daherkommt. Und noch ein Verkaufsklassiker, in diesem Jahr auch schon lange ausverkauft: „Der 80er-Jahre-Jogginganzug in Neonfarben. Geht immer und ist jetzt komplett vergriffen.“