Essen. Ein Abend mit Komiker Kurt Krömer ist nichts für empfindsame Gemüter. Warum ihn das Publikum in der Essener Lichtburg trotzdem feiert.

Eigentlich hätte Kurt Krömer am Dienstagabend ins Bett gehört statt auf die Bühne. Aber wer will die Verabredung mit seinen Fans ausgerechnet am Valentinsabend schon absagen? 1200 Zuschauerinnen und Zuschauer waren schließlich in die restlos ausverkaufte Essener Lichtburg gekommen, um den arg verschnupften Berliner Aggro-Komiker live zu erleben. Der hatte sich nach eigenen Angaben für den Auftritt vollgestopft mit allem, was die Pharmaindustrie hergibt. Und so wusste man bisweilen nicht so ganz, was nun Fieberwahn und was ganz normale Krömer-Koddrigkeit war, die ihn an diesem Abend wieder rhetorisch ordentlich heiß laufen ließ. Motto des Abends: „Die Gönnung steigt.“

Kalt duschen fürs Klima – nicht mit Krömer!

Krömer, der ja eigentlich Alexander Bojcan heißt, aber für sein Publikum vollends in der Rolle des Comedy-Anarchos aufgegangen ist, ätzt und witzelt dabei so kompromisslos wie entlarvend gegen den Zeitgeist, was man mögen muss. Kalt duschen fürs Klima? Nicht mit ihm, sagt Krömer. Was man auf Talkshowsofas sage, das müsse man ja privat nicht wirklich in die Tat umsetzen. So kann er denn auch nur lachen über die von manchen geführte Klage über vermeintliche Denk- und Sprechverbote, weil er sie selber konsequent ignoriert. Die hitzig geführte Rassismus-Debatte rund um die Winnetou-Bücher findet er ebenso Humbug („is doch kacke jewesen, die Geschichte“), wie dieses Bedachtsein auf Political Correctness. Nun gut, „Heil Hitler“ dürfe man nicht mehr sagen, „aber mir fehlt’s auch nicht“, ist so ein Krömer-Spruch.

Das Programm gleicht dabei einer Lose-Blatt-Sammlung, mit Themen, die Krömer scheinbar wahllos aus dem Stapel herausfischt. So kommt er vom auf der Bühne eindrucksvoll vorgeturnten Beineverknoten beim Bidetbad im Hotelzimmer auf die Bockwurstfinger von König Charles III., plaudert im nächsten Moment über die gescheiterte Umsiedlung des Meisennests aus dem hauseigenen Briefkasten, um gleich darauf einen Zuhörer in der ersten Reihe nach seinem letzten Besuchstermin beim Urologen zu verhören.

Der Bauch darf ruhig mal rausgucken: Kurt Krömer spricht auch gerne mal über körperliche Unzulänglichkeiten – inklusive des ausgedünnten Haupthaares.
Der Bauch darf ruhig mal rausgucken: Kurt Krömer spricht auch gerne mal über körperliche Unzulänglichkeiten – inklusive des ausgedünnten Haupthaares. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Im männlichen Genitalbereich ist denn auch so mancher Scherz angesiedelt, den Krömer an diesem Abend gern auch mal auf eigene Kosten macht – und beispielsweise beherzt über seine Impotenz spricht. Seit er sich 2021 in seiner Grimmepreis ausgezeichneten Show „Chez Krömer“ als depressiv geoutet hat, weiß man so einem Abend ja nie, welches Volks- und Männerleiden der Berliner als nächstes aus dem gesellschaftlichen Schattendasein herausholt, inklusive der offensiv ins Kameralicht gerückten Plauze und dem dünn gewordenen Haupthaar.

Sein Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“ hat es 2022 auf die Bestsellerliste geschafft. Wer es am Dienstagabend mit in die Lichtburg gebracht hat, darf zum Signieren auf die Bühne kommen, wird aber gleich wieder so streng angeherrscht wie die vorwitzige Einzel-Applaudiererin in Reihe 2 („Haste Klatschtourette oder wat?“). In manchen Momenten gleicht dieser Provokateur im Gewand eines Sparkassenangestellten dabei einer Comedy-Domina, die genau weiß, wie man das Publikum an die Kandare nehmen muss.

„Ich war 25 Jahre auf Tour und habe nie eine Pause gehabt“

Weil so einer als ideales Bollwerk gegen gezielte Spaßattacken daherkommt, wird Kurt Krömer auch bei der 4. Staffel der Amazon-Serie „LOL: Last One Laughing“ dabei sein, verkündet er am Dienstagabend die noch taufrische Nachricht. Dabei will er doch endlich mal ausruhen. „Leute, das ist jetzt, glaube ich, die 44. von 63 Shows dieser Tour. Die geht noch bis Juni. Und dann höre ich auf. Ich war 25 Jahre auf Tour und habe nie eine Pause gehabt“, bekennt Krömer, bevor er noch eine Weile weiter über jugendlichen Haschkekskonsum und Pornokanäle im Hotelfernsehen plaudert. Nach zwei Stunden beendet er den Auftritt so TV-Show reif, wie er ihn mit Einspielermusik und Herzchenkonfettikanone begonnen hat – im weißen Frotteebademantel und womöglich in vorfreudiger Erwartung eines Erkältungsbads.