Essen-Kettwig. Wenn ein Pferd Schaum spuckt, nähert sich der Karneval in Essen-Kettwig seinem Höhepunkt. Was Graffiti und das Kinderheim damit zu tun haben.
Wenn am Sonntag um 14.11 Uhr der Kettwiger Karnevalszug Richtung Altstadt startet, dann ist auch ein ganz besonderer, knallbunter Themenwagen mit dabei: In einer Graffiti-Aktion hat der Kettwiger Spray-Künstler Matthias Scheidig gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen des Kinderheims St. Josefshaus das Gespann aus Traktor und ehemaliger Kutsche gestaltet. Und zwar passend zum diesjährigen Motto, das – ganz wie es zur Mentalität des Karnevals gehört – nicht allein für Spaß sorgen, sondern auch zum Nachdenken anregen will.
Nachhaltigkeit ist Thema im Kettwiger Karneval
Verhüllt von Kopf bis Fuß: Mit Staubmasken und in Ganzkörper-Staubanzügen ging es dieser Tage für zehn Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren an die Spraydosen – und ans Werk. In einem gemeinsamen „Brainstorming“, wie Scheidig es zusammenfasst, hatten sich alle Beteiligten vorab auf das übergeordnete Thema geeinigt. „Ich habe dann auf dem Wagen und den Seitenteilen für den Traktor entsprechende Motive vorgezeichnet, die die Kids dann farblich gestaltet und ausgemalt oder auch um eigene Elemente ergänzt haben.“
Mit weiteren Details ist Scheidig zurückhaltend, vor dem Umzug am Sonntag soll nicht zu viel verraten werden. Frederik Schmülling, Bereichsleiter im Kinderheim und zuständig für die Organisation, lässt sich zumindest das Motto entlocken: Nachhaltigkeit. „Das ist ja generell ein wichtiges, globales Thema. Und wir haben im Vorfeld alle gemeinsam überlegt, wie sich das am besten auf einem Karnevalswagen umsetzen lässt.“
Kettwiger Kinderheim stellt Wagen- und Fußgruppe
Beteiligt hätten sich diesmal Kinder und Jugendliche „aus allen Bereichen des Kinderheims“, also sowohl aus der Tagesgruppe als auch aus dem vollstationären Bereich. Nicht als Muss oder Pflichtaufgabe, sondern freiwillig. „Wir haben gefragt, wer Lust hat und beim Gestalten dabei sein will.“ Und wer dabei war, der darf zum Umzug am Sonntag dann auch auf dem Wagen mitfahren, alle anderen karnevalsbegeisterten Jecken des Kinderheims begleiten das knallbunte Gefährt als Fußgruppe.
Nicht zum ersten Mal finden sich Scheidig und das St. Josefshaus für eine solche Aktion zusammen. „Wir gestalten eigentlich regelmäßig zum Umzug einen gemeinsamen Wagen“, sagt der Künstler. Seit wann genau? Da geraten alle Beteiligten ein wenig in Stocken, nicht zuletzt die Corona-Pause hat die zeitliche Erinnerung ein wenig durcheinandergewirbelt. „Zum fünften oder sechsten Mal“, versucht es schließlich Ingmar Rauch zu präzisieren. Er ist Inhaber von Wagen und Trekker und zugleich Prokurist des Kettwiger Familienunternehmens Rauch, das die gesamte Aktion sponsort.
Familienunternehmen Rauch stellt Wagen und Wurfmaterial
Neben dem Gefährt sorgt das Traditionsunternehmen, das sich mittlerweile unter der Marke Gourmet Scouts über die Gartenstadt hinaus einen Namen in Sachen Wurst- und Fleischdelikatessen gemacht hat, auch für Wurfmaterial und Material für die Kostüme. Popcorn, Bonbons, Schokolade, Brause und Salami-Snacks – hier kommt dann doch die Firmentradition durch – hat Rauch in diesem Jahr besorgt. „Schätzungsweise 150 Kilogramm.“ Anders gesagt: Wurfmaterial im Wert rund 10.000 Euro, denn nicht nur die Kids auf dem Wagen, sondern auch die Mitglieder der Fußgruppe, sollen zum Umzug „kräftig austeilen können – denn das ist schlussendlich das Schönste für alle Teilnehmer“, so Rauch.
Vom Junggesellenabschied zum Karneval
Und wie kommt ein Prokurist an Trekker und Wagen? Rauch lacht. „Wir haben Islandpferde und haben eine eigene Wiese. Dafür habe ich den Trecker bei mir zu Hause. Und der Wagen ist eigentlich eine richtige Kutsche, an die wir eine Deichsel angebaut haben. Die ursprüngliche Idee war, damit Junggesellenabschiede zu feiern. Das haben wir auch gemacht – aber jetzt sind wir alle verheiratet. Und dann kamen wir irgendwann auf die Idee, ob wir das Gespann nicht im Karneval zur Verfügung stellen sollen.“
Karnevalszug in Kettwig
Der Kettwiger Karnevalszug startet am Sonntag, 19. Februar, um 14.11 Uhr am Edeka-Parkplatz an der Güterstraße und nimmt dann die gewohnte Strecke durch die Kettwiger Altstadtgassen. So geht es zunächst in die Hauptstraße, dann in die Wilhelm- und Freiligrathstraße zum Freiligrathplatz. Von dort zieht der närrische Lindwurm über Kirchfeld- und Hauptstraße zur Schulstraße. Dann gibt es nochmals die Runde über Freiligrathstraße/-platz, Kirchfeldstraße, Hauptstraße bis zum Supermarkt Rewe.
Gesagt, getan. Aktuell setzt Matthias Scheidig im Nachgang selbst noch einmal die Dose an, um Details herauszuarbeiten. Bis zum Ende der Woche sollen die Seitenteile am Traktor montiert und der Wagen fertig geschmückt sein. Traditionell gehört dazu auch ein nachgebauter Pferdekopf, der – dank Stromgenerator am Gespann – wie immer kräftig Schaum spucken wird. Und noch etwas verrät Rauch: „Bei der Deko und auch bei den selbst gemachten Kostümen der Kinder wird ganz viel Verpackungsmüll recycelt, den wir hier in den vergangenen Wochen extra gesammelt haben.“
Eigene Kostümwerkstatt im Kettwiger Kinderheim
Tatsächlich haben die Teilnehmer, berichtet auch Schmülling, in einer eigenen Kostümwerkstatt in den vergangenen Tagen kräftig gewerkelt. Um für sich selbst Kostüme herzustellen, aber auch für alle anderen im Haus, die noch eines brauchen. „Tenor in diesem Jahr war, dass nichts neu gekauft wird, sondern wir das Ganze nachhaltig angehen.“ Die Zusammenarbeit mit Scheidig und Rauch begeistert den Bereichsleiter im St. Josefshaus hörbar: „Das ist wirklich eine tolle Aktion. Denn sie ermöglicht den uns anvertrauten Kindern, zum Karneval in Kettwig nicht nur draußen Bonbons zu fangen, sondern selbst auch Bonbons zu werfen – und dadurch ein noch mal größerer Teil von Kettwig zu sein. Wir sind mittendrin statt nur dabei. Und das ist klasse. Denn manchmal geht es unseren Kindern einfach auch mal nicht so gut. Aber diese ganze Sache und dieser Tag bringen Freude und Spaß in ganz vielen Teilen.“