Essen-Kettwig. .

Viel Aufhebens möchte sie nicht machen. Ist ja schließlich nur ein runder Geburtstag, den sie am 29. Dezember feiert. Inge Rauch will einfach nett mit der großen Familie zusammen sitzen. Sicherlich gibt es Häppchen für die Geschäftsfreunde. Und Schluss.

So wird sich die Kettwiger Unternehmerin den Tag sicherlich vorstellen. Ob das wohl was wird? Aber letztendlich wird sie lieben, was passiert. Egal, was es ist.

Wichtig ist ihr immer die Familie. Dann kommt lange nichts. Dann das Unternehmen, mit Sitz im Teelbruch. Europäische Spezialitäten vertreibt es. Seit den 1960er Jahren. 1995 starb ihr Mann, Firmengründer Albert Rauch. Mit fünf Kindern und einer großen Verantwortung für R&S und die vielen Mitarbeiter war Inge Rauch plötzlich allein. Sie hat auch diese Aufgabe mit Bravour gemeistert. Und mit eiserner Disziplin.

Vielleicht hat das mit ihren Wurzeln zu tun. In Ostpreußen ist sie geboren. Am 25. Januar 1945 bei Minus 20 Grad und starkem Schneefall machte sich Herta Bressau mit ihren vier Töchtern auf den Weg nach Westdeutschland - die russischen Soldaten kamen immer näher. Mit dabei war die vierjährige Inge.

Das erste Ziel war die Küste Pommerns. Dort lag das Passagierschiff Wilhelm Gustloff. Karten für die Passage bekamen sie zwar, doch letztendlich war das Schiff hoffnungslos überfüllt. Es lief ohne die junge Familie aus.

Am 30. Januar wurde die Wilhelm Gustloff von einem sowjetischen U-Boot zerstört, über 9000 Menschen starben. Es war die größte Schiffskatastrophe der Geschichte.

Für Inge und ihre Familie ging die Flucht weiter und endete in Dissen am Teutoburger Wald. 1946 kehrte ihr Vater Fritz aus Dänemark zurück. Inge besuchte eine Sprachenschule, machte eine kaufmännische Lehre. Bei Ischebeck. Und die verkauften Herren-Oberhemden. Um die Erziehung seiner Töchter kümmerte sich Fritz Bressau nicht besonders intensiv, doch eine gute Ausbildung sollten sie haben. Als Lehrherr Ischebeck anmahnte, dass es für eine Bürokraft nicht notwendig sei, Sprachen zu lernen, warf Fritz Bressau einen wissenden Blick in die Zukunft: „Ja, aber Inge bleibt nicht bei ihnen nach der Lehre. Sie wird in die Welt gehen...“

Recht sollte er behalten. 1961 lernte sie Albert Rauch kennen. Noch ist er verheiratet. Inge geht nach Paris, kehrt aber nach Deutschland zurück und heiratet Albert Rauch 1973. Fünf Kinder hat das Paar. Oliver, Ingmar, Martina, Annette und Christine. Und mittlerweile gehören auch elf Enkelkinder zur Großfamilie.

Inge Rauch hat in der Firma das Ruder in der Hand, wird aber mittlerweile von ihrer Familie tatkräftig unterstützt. Ihre Vielseitigkeit und Wandlungsfähigkeit, die Lebensfreude und Neugierde faszinieren. Sie spricht mehrere Sprachen fließend, ist auf dem internationalen Wirtschaftsparkett ebenso zu Hause wie in der Bütt. Letzteres gern beim FSV Berleburg im Deutschen Haus. Den Karneval in Kettwig unterstützt sie seit vielen Jahren. Weiß um die soziale Aufgabe, die die Narrenvereine erfüllen. Kinder und Jugendliche fördern - das ist sowieso ihr Ding. Wann und wo es auch immer geht. Am liebsten ganz unbürokratisch.

Der Vollständigkeit halber: Inge Rauch feiert den 70. Geburtstag.