Essen-Bergerhausen. Was Superhelden mit einer Kunsttherapeutin aus Bergerhausen zu tun haben. Und wie ein Duisburger Institut Essener Kindern kostenlos helfen will.

Alice Nierentz aus Bergerhausen leitet am gemeinnützigen Institut für soziale Innovationen (ISI) in Duisburg das Vorhaben „We are Superheroes!“ für benachteiligte Kinder und Jugendliche. Das Modellprojekt wird seit 2020 von der Aktion Mensch gefördert und wendet sich mit seinem kostenlosen Angebot nun auch an Essener Einrichtungen und Jugendhilfe-Träger. Nierentz selbst verbindet in ihrer Projektarbeit zwei persönliche Leidenschaften: die Arbeit mit Kindern und die Liebe zur Kunst und zum Theater.

Bühnen- und Kostümbildnerin am Essener Grillo- und Aalto Theater

Institut für soziale Innovationen

Das Institut für soziale Innovationen (ISI) wurde 2008 in Duisburg gegründet und ist als gemeinnützig anerkannt. Weitere Informationen zum ISI-Konzept unter: www.soziale-innovationen.de

Am Projekt „We are Superheroes!“ interessierte Einrichtungen können sich direkt an Alice Nierentz wenden:

Das Modellprojekt ist für die Teilnehmer mit keinerlei Kosten verbunden.

Seit gut 20 Jahren arbeitet Nierentz als freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin, hatte Aufträge unter anderem am Grillo-Theater – etwa in Ibsens „Volksfeind“ unter der Intendanz von Anselm Weber –, am Aalto Theater und an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Ein Jahrespraktikum dort sollte nach der Schule den weiteren Weg der gebürtigen Kettwigerin vorzeichnen: das Studium der Kunstgeschichte, Grafik und Malerei in Marburg, den Wechsel zur Kunstakademie Düsseldorf und das Zweitstudium zur Bühnen- und Kostümbildnerin. Noch heute kooperiert sie häufig mit dem Düsseldorfer Haus, wenn sie als Freischaffende theaterpädagogische Projekte umsetzt. „Ich mag die Kombination Kinder und Theater sehr gerne. Das ist eine spannende Aufgabe – und eine wichtige.“

Vorgängerprojekt mit dem WDR-Kinderrechte-Sonderpreis ausgezeichnet

Eine Aufgabe, die die 45-Jährige in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut hat: „Ich war schon immer psychologisch interessiert, auch als Bühnen- und Kostümbildnerin muss man sich in die Figuren und ihre Geschichte einarbeiten. An dem Punkt wollte ich weitermachen.“ Sie ließ sich an der Duisburger „Zukunftswerkstatt therapie kreativ“ zur Kunst- und Gestaltungstherapeutin fortbilden und stieg 2016 als Honorarkraft beim ISI-Projekt „Aufrichten!“ ein – einem Unterstützungsangebot für syrische Geflüchtete, das 2018 mit dem WDR-Kinderrechte-Sonderpreis ausgezeichnet wurde. Dem Nachfolger, das 2020 gestartete und von der Aktion Mensch geförderte Modellprojekt „We are Superheroes!“ – „Wir sind Superhelden!“ – steht sie mittlerweile als Projektleiterin vor.

Kostenlose Stärkungsangebote für benachteiligte Kinder und Jugendliche

„In diesem Projekt möchten wir teils schwerstbenachteiligten Kindern und Jugendlichen einen geschützten Raum zur Entfaltung bieten. Kindern, die beispielsweise Gewalt in der eigenen Familie erfahren, Traumata durchlebt haben und denen es deshalb schwerfällt, eine Bindung zu anderen Menschen aufzubauen.“ Kein, wie Nierentz ausdrücklich betont, therapeutisches Angebot, obwohl alle Mitarbeiter traumasensibel geschult sind, sondern ein mental stärkendes. Und vor allem: ein kostenloses, das Schulen ebenso offensteht wie Einrichtungen und Trägern der Jugendhilfe.

Kindern Vertrauen zurückgeben auch mithilfe von Kunstaktionen - das versucht das Projekt „We are Superheroes!“, das Alice Nierentz auch in Essen umsetzen will.
Kindern Vertrauen zurückgeben auch mithilfe von Kunstaktionen - das versucht das Projekt „We are Superheroes!“, das Alice Nierentz auch in Essen umsetzen will. © ISI

„Wir arbeiten kreativ mit den Kindern, nutzen Kunst, Musik und Tanz, gehen raus in die Natur oder kochen gemeinsam. Es geht darum, Kindern und Jugendlichen, die, ich sag das jetzt einfach mal ganz deutlich, in ihrer Ursprungsfamilie zu Klump geprügelt wurden oder kein Essen bekommen haben, Vertrauen zurückzugeben – vor allem in sich selbst, in ihre eigene Würde und ihre eigene Wirksamkeit, aber eben auch in andere Menschen.“

Projekt soll von Duisburg aus nach Essen ausgeweitet werden

Bislang war „Superheroes“ vor allem in Duisburg unterwegs – „wir haben hier sehr gute Kooperationen mit der Caritas und der Diakonie aufgebaut“. Künftig möchte Nierentz jedoch auch Angebote in ihrer Heimatstadt Essen realisieren. „Verbände und Träger, Schulen, der Kinderschutzbund oder Kinderheime können sich gerne an mich und ISI wenden, damit wir gemeinsam erarbeiten, mit welchen Ideen wir auf die Kinder und Jugendlichen zugehen können. Wir setzen hier einen wirklich sehr breiten Fokus und wollen uns anders als in anderen ISI-Projekten nicht allein auf den Bereich Schule konzentrieren.“ Die Finanzierung durch die Aktion Mensch, resümiert sie, sei bis 2024 gesichert, „auf die Teilnehmer kommen also keinerlei Kosten zu“. Ausgerichtet ist das Konzept auf Kinder ab dem Grundschulalter bis hin zu jungen Erwachsenen im Alter von 21 Jahren.

Team um die Kunsttherapeutin aus Essen-Bergerhausen arbeitet in Kleingruppen

Aber was bedeutet „kreative Stärkung“ nun eigentlich genau? Nierentz lächelt. „Letztlich vor allem, dass den Kindern und Jugendlichen eigene Entscheidungen zugetraut werden, dass man nicht über sie, sondern gemeinsam mit ihnen entscheidet. Dass sie Selbstvertrauen kennenlernen und sich selbst als Mensch wahrnehmen und wertschätzen.“ Gearbeitet wird deshalb in kleinen Gruppen, falls notwendig auch in Einzelsettings – „anders geht es auch gar nicht, denn nur so kann man wirklich jeden einzelnen sehen und allen gerecht werden“.

Während das ISI-Projekt „Superheroes“ nun also die nächsten Schritte geht, fühlt sich Alice Nierentz ganz persönlich „irgendwie angekommen“: „Ich bin von Natur aus ein neugieriger Geist, ich will immer lernen. Deshalb habe ich jetzt auch noch die Ausbildung zur Körpergestalttherapeutin und zum systemischen Coach drangehängt. Und deswegen bin ich irgendwann auch so ein bisschen vom Theater weg, auch wenn das immer ein Teil von mir und meiner Arbeit sein wird. Tatsächlich sind die Arbeit mit Kindern und meine große Liebe zu Kindern mein Fundament. Ich will Kindern helfen, traumatische Erlebnisse zu überwinden und Anerkennung zu finden. Und daran kann dann auch ich selbst wachsen.“