Essen. Das Geschäft der insolventen Fakt AG ist seit Freitag stillgelegt, die Büros verwaist. Und keiner weiß, was von den neuen Eigentümern noch kommt.
Als sie am Freitag dem „Ruhrturm“ leise Ade sagten, ihre Büroschlüssel zurückgaben, die Zugangskarten und die Dienst-Laptops, da dürfte sich mancher aus der Fakt-Belegschaft noch einmal suchend umgeschaut haben: Wo waren sie denn jetzt, die Retter aus Berlin? Wo blieb die Kavallerie aus der Hauptstadt, die sich doch neulich für eine Handvoll Euro die Fakt-Mehrheit gesichert hatte? Die vom „außergewöhnlichen Potenzial“ des Immobilien-Bestandes geschwärmt und von „vielversprechenden Gesprächen“ mit Gläubigern berichtet hatte – passend dazu diese kühne Meldung verbreitend: „Investor Semper F. UG plant Eigenverwaltung der FAKT AG“.
Was klang wie der Versuch, das eingestürzte Kartenhaus des insolventen Immobilienkonzerns im Alleingang wieder aufzubauen, hält der vom Gericht eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter bis zum Beweis des Gegenteils offenbar für großspuriges Blabla, er drückt sich nur deutlich gewählter aus: „Am Vorgehen des vorläufigen Insolvenzverwalters ändert sich nichts“, lässt Gregor Bräuer also mit Blick auf die vollmundigen Ankündigungen einen Sprecher formulieren. Er sei „nicht auf eine Eigenverwaltung angesprochen worden“, so Bräuer, und zudem lag ihm „bis zuletzt keine Eigenverwaltungsplanung vor“.
Montag früh war das.
Nur bis zu 10.000 Euro an „frischem Geld“? – Da müssen Eingeweihte lachen
Dass der Versuch, den Insolvenzverwalter auszubooten und das Ruder lieber selbst in die Hand zu nehmen, bislang nicht mehr als ein leeres Versprechen ist, löst bei denen, um deren Existenz es geht, einigermaßen Befremden aus. Dass die Rettungsrakete nicht zündet, liegt dem Vernehmen nach aber wohl auch an der großen Skepsis bei den verbliebenen Fakt-Verantwortlichen selbst: Dem neuen Eigentümer, der es nicht mal für nötig hielt, sich öffentlich zu präsentieren, sondern ein Makler-Unternehmen als Emissär vorschickte, trauen sie offenbar nicht über den Weg. Und fühlen sich durch erste vorgelegte Kalkulationen in dieser Haltung nur noch bestärkt.
Denn nur bis zu 10.000 Euro wollen die neuen Eigentümer für den Anfang an „frischem Geld“ locker machen, ein Sümmchen, das manchem Kenner der Materie angesichts der sonstigen Fakt-Dimensionen allenfalls ein wirres Lachen entlockt. Alles in allem steht die Gruppe schließlich mit gut 285 Millionen Euro in der Kreide.
Drei Gläubiger stehen mit Darlehen von zusammen 188 Millionen Euro im Feuer
Größter Gläubiger ist dabei mit nicht weniger als 99 Millionen Euro der „Emerald Fund S.C.A. SICAV-FIS“, der gleich für sechs Fakt-Vorhaben, vom Shamrockpark in Herne bis zum Hansa Center in Bottrop, Geld locker machte. Gefolgt von einem weiteren Fonds, „DRC European Real Estate Debt III No. 4 S.à.r.l.“, mit einem Darlehen von 59 Millionen Euro für den Essener „Ruhrturm“ an der Huttropstraße. Dritter im Bunde der Groß-Gläubiger ist das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin, das mit immerhin 30 Millionen Euro im Feuer steht und das gemeinsam mit der Babcock Pensionskasse und anderen das Einkaufszentrum Marler Stern finanzierte – immerhin, wie alle anderen Geldgeber auch, grundbuchlich abgesichert.
Nicht nur beim Berliner Zahnärzte-Versorgungswerk wird man gleichwohl nervös, seit die Ende November 2022 fällige letzte Zinsrate in Höhe von mehr als zwei Millionen Euro ausblieb. Eine Anwaltskanzlei ist eingeschaltet, ein Ultimatum gesetzt: Bis zum vergangenen Freitag, 27. Januar, sollte der Betrag auf dem Konto eingehen, ansonsten drohe die Kündigung des kompletten Darlehens. Ob es dazu kam, muss einstweilen offen bleiben: Weder das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin noch die Babcock Pensionskasse mochten auf wiederholte Anfrage Stellung nehmen.
Bei einem Notverkauf gibt’s nur 150 bis 170 Millionen Euro Erlös – aber das wissen ja alle
Derweil brechen auch andernorts die Dämme: Die Volksbank Ruhr Mitte eG hat die Geschäftskonten der Fakt Immobilien-Tochter gekündigt, die Norddeutsche Landesbank stellte für das Gewächshaus-Projekt Kredite in Millionenhöhe fällig, und andere Geldgeber wollen ausdrücklich nur vom Klageweg absehen und stillhalten, wenn weitere Sicherheiten geliefert werden. Dabei lasten auf Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper („HSK“) nach Informationen dieser Zeitung schon jetzt Bürgschaften in Höhe von gut 24 Millionen Euro. Die gemeinsame mit einem ehemaligen Mitaktionär unterschriebene Patronatserklärung über 16 Millionen Euro ist da noch nicht einmal eingerechnet.
Mittendrin in diesem Schlamassel , so heißt es, gebe es allerdings auch ein paar Finanziers, die den Strohhalm von Arnold und Co. dankbar ergreifen – aus Sorge, mehr Millionen als unbedingt nötig zu verlieren. Tatsächlich, so warnt das Investment-Unternehmen Arnold stellvertretend für den neuen Fakt-Haupteigner, brächten Notverkäufe des immer noch üppigen Immobilien-Bestandes auf die Schnelle ja nur einen Bruchteil jener Summe ein, die sich mit deutlich mehr Muße im Verkaufsprozess erzielen ließe. In Zahlen: Auf gerade mal 150 bis 170 Millionen Euro schätzt Arnold Investments die Erlöse für den Fall eines Schlussverkaufs von der Immobilien-Rampe. Eine Summe, die deutlich unter den grundbuchlich gesicherten Forderungen von etwa 280 Millionen Euro läge und den Gläubigern hohe Verluste einbrächte.
Mit den beruflichen Daten gingen bei manchen am Ende auch private verloren
Allein: Das weiß auch der vorläufige Insolvenzverwalter, der deshalb schon erste Stillhalteabkommen mit Geldgebern vertraglich absicherte. Gläubiger Albulus etwa ließ sich auf eine solche „kalte Zwangsverwaltung“ beim Shamrockpark in Herne ein. Dies in der Hoffnung, dass man hier besser fährt, wenn alle die Nerven behalten, die Immobilie eine Zeit lang anständig gemanagt wird und Gras über die Sache wächst.
Bei anderen Objekten soll ähnlich verfahren werden. Zurück bleibt im Fakt-Archiv ein ganzes Konvolut von Akten aus genutzten, verpassten und zuletzt wohl oft falsch eingeschätzten Gelegenheiten, Geschäfte zu machen. Ob sich jemand aus der Vorstandsriege Haftungsansprüchen ausgesetzt sieht, dürfte der Insolvenzverwalter noch prüfen. Einige Mitarbeiter haben derweil ganz andere Probleme, weil im Zuge ihres beruflichen Abschieds von der Fakt offenbar versehentlich auch private Daten gelöscht wurden.
Wenn schon in der Pampe, dann aber auch richtig.