Essen. Die größten Anteilseigner des Immobilienkonzerns schlagen stiekum ihre Anteile los. Rettet das die Fakt und Hubert Schulte-Kemper vor der Pleite?
Vier Euro. Fehlen da nicht noch ein paar Nullen? Für vier Euro bekommt man ja nicht mal eine Schachtel Zigaretten, höchstens ein gepflegtes Glas Pils im Restaurant. Oder einmal Currywurst mit Pommes rot-weiß in der Imbissbude. Doch mehr als vier Euro waren wohl nicht zu holen für jene Anteilseigener der insolventen Fakt AG, die den Essener Immobilienkonzern jetzt über Umwege einem Berliner Investor zugeschustert haben. Der verspricht, die abgestürzte Firma am seidenen Überlebensfaden zu halten – und ihrem in Bedrängnis geratenen Gründer und ehemaligen Vorstandschef Hubert Schulte-Kemper aus der Schlinge zu verhelfen. Gestern noch pleite. Und heute gerettet?
Wenn’s denn so wäre – der Deal dürfte als echtes Husarenstück des 76-jährigen Ex-Bankers und Immobilien-Managers Schulte-Kemper in die Annalen eingehen, ein Trick à la Houdini, bei dem sich „HSK“ dank auswärtiger Finanziers ebenso kunstvoll wie überraschend aller Fesseln der Zahlungsunfähigkeit entledigt.
Ein Verkauf allein bringt erstmal nichts ein. Nötig ist „frisches Geld“ der Investoren
Der vorläufige Insolvenzverwalter der Fakt-Gruppe zeigte sich, was diese Aussichten angeht, auf Anfrage am Freitag eher zurückhaltend bis skeptisch: „Ein Gesellschafter kann seine Anteile an einer insolventen Gesellschaft grundsätzlich jederzeit verkaufen“, ließ der Düsseldorfer Anwalt Gregor Bräuer über einen Sprecher mitteilen: Der Verkauf habe aber „erst einmal keinen Einfluss auf das Insolvenzverfahren, da damit ja nicht gleichzeitig die Insolvenzgründe beseitigt werden“.
Helfen könnte wohl nur, was man in der Finanzbranche gemeinhin so schön „fresh money“ nennt: „frisches Geld“, mit dem die drängendsten Gläubiger-Interessen befriedigt und die nötigsten Zins- oder Mietzahlungen einstweilen beglichen werden können. Wie viel Geld der Investor dafür mitbringen müsste, ist völlig unklar. Nur den großen Rahmen hatte der Insolvenzverwalter am Mittwoch im Rahmen einer Belegschaftsversammlung der Fakt AG skizziert: „Das gesamte Gebilde zu übernehmen“, so hatte Bräuer dort gespottet, „hieße, jemand lädt sich 300 Millionen Euro Schulden auf: Herzlichen Glückwunsch!“.
An allen möglichen Hürden vorbeisteuern: ein Lehrstück in Sachen Gesellschaftsrecht
Ist die Berliner MSH Projekt UG, ein Unternehmen der DL Deutscher Lombard GmbH, zu etwas Ähnlichem in der Lage? „UG“, so lautet die Kurzform für eine in der Haftung beschränkte Unternehmergesellschaft; es ist, wenn man so will, die kleinere Schwester einer herkömmlichen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), in diesem Fall laut Handelsregister in Berlin-Charlottenburg ausgestattet mit einem Grund- oder Stammkapital von überschaubaren 4500 Euro.
Wie die alten Anteilseigener ihre zu Hunderttausenden zählenden Anteile an die kleine Firma in der Hauptstadt weiterreichten, das, so heißt es in Unternehmenskreisen, könnte beinahe zum Lehrstück fürs Fach Gesellschaftsrecht dienen. Denn der Ehrgeiz lag offenbar darin, den Deal vorbei an allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vorbei am Insolvenzverwalter und allen möglichen Zustimmungs-Pflichten einzustielen.
Mehr als symbolische Euro gibt’s nicht: Der Laden ist schließlich dem Untergang geweiht
Das geht laut Fakt-Satzung, wenn die Anteile an ein „verbundenes Unternehmen“ veräußert werden, und als solches diente die FinanCert GmbH, eine der Familien-Gesellschaften der Schulte-Kempers. Diese gründete dieser Tage kurzerhand eine Beteiligungs-Tochter und verkaufte ihr für den symbolischen Wert von einem Euro – der Laden ist ja schließlich dem Untergang geweiht – ihre 27.967 Fakt-Aktien.
Drei andere Anteilseigner taten es gleich: die HSK Finanzmanagement GmbH von Ex-Fakt-Vorstandschef Hubert Schulte-Kemper steuerte 422.041 Aktien bei, Miteigentümer Norbert Boddenberg immerhin noch 218.530 Aktien und die SK Activ GmbH – auch sie aus dem Familien-Verbund – weitere 27.967. Und jeder bekam einen Euro. Für zusammen 696.505 von 850.000 Aktien, das sind knapp 82 Prozent.
Halten die neuen Geldgeber Schulte-Kemper und Co. bei Bürgschaften den Rücken frei?
Sehr viel mehr hätten es aus steuerlichen Gründen gar nicht sein dürfen, und als am Montag dieser Woche (9. Januar) all die Verkaufsverträge abgewickelt, der Geschäftsführer der neuen Firma bestellt und die Beteiligungs-UG schlussendlich an die Berliner MSH Projekt UG verschoben war, da müssen nach diesem Beurkundungsmarathon im Büro des Essener Notars Markus Haggeney die Füllfederhalter regelrecht geglüht haben.
Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper dürfte bei dieser Gelegenheit zugleich das Herz im Leibe gelacht haben, kann er doch den Klagen wegen gezogener Millionen-Bürgschaften jetzt womöglich etwas gelassener entgegensehen. Der Grund für diese neue Zuversicht ist nach Gerüchten aus dem Unternehmen einem Vertrags-Passus zu verdanken, nach dem die Investoren mit all jenen Geldgebern verhandeln wollen, an die „HSK“, aber auch andere Beteiligte, sich mit persönlichen Bürgschaften oder Patronatserklärungen „ausgeliefert“ hat. Wie das enden kann, hatte am Donnerstag ein Prozess vor dem Essener Landgericht gezeigt, bei dem Schulte-Kemper per Versäumnisurteil zur Zahlung von einer Million Euro nebst Zinsen an einen Kreditgeber verdonnert worden war.
Der Berliner Investor – am Ende nur die Zwischenstation für einen großen Geldgeber?
Solcherlei Zahlungen, so der Plan, könnte fortan der Investor übernehmen, nachdem er die Gläubiger zuvor vielleicht auch in ihren Ansprüchen heruntergehandelt hat. Und wenn man auf diese Weise erst einmal wieder Luft zum Atmen gewinnt, das Unternehmen Fakt wieder in geordneten Bahnen lenkt, lasse sich auf Sicht womöglich auch wieder Geld verdienen. Die vier Verkäufer jedenfalls sollen zu ihrem einen Euro, wenn’s denn gut läuft, noch den einen oder anderen dazuverdienen. Ein sogenannter Besserungsschein macht’s möglich.
Kenner der Finanz-Szene vermuten, dass der Berliner Investor MSH Projekt UG wie auch die Muttergesellschaft Deutscher Lombard bei alledem womöglich nur eine Zwischenstation sind, und hinter dem Fakt-Verkauf ein deutlich größeres Geldhaus steckt. Schließlich geht es um zig Millionen Euro, die auf die Schnelle lockerzumachen sind, bevor Ende Januar das Aus der Fakt AG dräut.
„Semper F.“ – in Treue fest oder die augenzwinkernde Abkürzung für die Fakt
Nur dann könnten Schulte-Kemper und Co. halbwegs sicher sein, dass den Versprechungen für millionenschwere Geld-Zuflüsse auch Taten folgen. Immerhin, im Namen der Tochtergesellschaft, die derzeit die 82 Prozent Fakt-Anteile bündelt, ist die Zuversicht schon fest verankert: Semper F. UG heißt die Unternehmung, das könnte als Abkürzung für „Semper fidelis“ („In Treue fest“) stehen, oder auch für Semper Fakt.
Für immer Fakt? Mal schauen.