Essen-Rüttenscheid. Schräg- oder Längsparken? Hecke oder Bäume? Busse oder Räder? Wie es mit der neuen Fahrradstraße Wittekindstraße in Rüttenscheid weitergeht.
Die Diskussion um die geplante neue Fahrradstraße Wittekindstraße geht weiter. Zentraler Knackpunkt ist die Anzahl der zukünftigen Parkplätze vor Ort. Die marode Wittekindstraße muss zwischen der Wittenberg- und der Rüttenscheider Straße auf einer Länge von gut einem Kilometer umfassend saniert werden. In diesem Zusammenhang soll der Abschnitt zwischen Rüttenscheider und Walpurgisstraße an das Hauptroutennetz des städtischen Radverkehrs angebunden und als Fahrradstraße ausgewiesen werden.
Nach Planung der Stadt Essen würden 22 Parkplätze wegfallen
Während in der Bezirksvertretung (BV) II am vergangenen Donnerstag (26.1.) ein Vorschlag aus der Bürgerschaft – die direkte Anbindung der Siedlung Altenhof II für Radfahrer von der Wittenbergstraße aus – die ungeteilte Zustimmung von Verwaltung und Ortspolitik fand, blieb die künftige Anzahl der Parkplätze an der Wittekindstraße Hauptdiskussionspunkt. Derzeit sind es 167, konkret: 102 ordentliche und 65 geduldete.
Nach dem Umbau soll es insgesamt 145 ordentliche Stellplätze geben. Und damit, wie die Verwaltung betonte, 43 mehr als zuvor. Eine Positivrechnung, die jedoch nur dann aufgeht, wenn man zwischen ordentlichen und geduldeten Parkplätzen unterscheidet. Rein rechnerisch sind es nach dem Umbau letztlich 22 Plätze weniger. Strittig ist insbesondere der Bereich an den so genannten Eisenbahnerhäusern, also den Hausnummern 3 bis 21.
Essener Amt für Straßen und Verkehr: Mehr Parkplätze bedeuten schmalerer Gehweg
Hier gibt es derzeit 61 Parkplätze. Im Zuge der Arbeiten müssen jedoch 18 geduldete Stellplätze hinter einer Hecke sowie 36 ordentliche Parkplätze entfallen. Neu geschaffen werden sollten – neben einer neuen Hecke – an dieser Stelle 26 Längsparkplätze. So zumindest sahen es die bisherigen Pläne der Verwaltung vor. Zu wenig für die rund 60 Wohnungen in diesem Bereich, meinten Anwohner und Teile der Ortspolitik – und regten im Dezember die Prüfung einer Variante mit Schrägeinstellplätzen an. Die macht an dieser Stelle tatsächlich insgesamt 40 Parkplätze möglich und damit 14 mehr als bei einer Längsaufteilung.
Zudem wäre – statt einer Hecke – Platz für sechs neue Bäume. Rainer Wienke, Fachbereichsleiter im Amt für Straßen und Verkehr, machte in der Sitzung jedoch auch explizit auf die Nachteile dieser Variante aufmerksam: eine geringere Restbreite des Gehwegs von 2,20 Metern bzw. lediglich 1,50 Metern, wenn man den Überhang der parkenden Fahrzeuge mit einrechne, sowie den Wegfall der Hecke, „die wir an dieser Stelle durchaus als prägendes Element sehen, weil sie die Häuser vom Verkehr abschirmt“.
CDU: „Haben ein für alle Verkehrsteilnehmer stimmiges Gesamtpaket geschnürt“
Nicht zu befürchten sei hingegen eine „unmittelbare Gefährdung“ der Radfahrer durch rückwärts ausparkende Fahrzeuge. Zum einen gebe es an dieser Stelle „kaum Parkwechselverkehr“, zum anderen – „und das ist ja eine Besonderheit unserer Fahrradstraßen in Essen“ – seien die Radfahrer in der Mitte des Fahrstreifens unterwegs, „also dort, wo die Piktogramm-Kette ist“ und damit weit genug entfernt von ausparkenden Fahrzeugen. Wienke: „Wir haben hier außerdem einen Dooring-Bereich von 75 Zentimetern, der auf jeden Fall ausreichend ist.“ Der Begriff Dooring bezeichnet Radfahr-Unfälle, die aus dem Öffnen von Autotüren resultieren.
Eine Alternative, die die CDU-Fraktion im Bezirk II durchweg überzeugte. Fraktionsvorsitzender Markus Panofen: „Wir waren ja tatsächlich anfänglich nicht hundertprozentig sicher, ob an dieser Stelle überhaupt eine Fahrradstraße eingerichtet werden sollte. Doch wenn wir die Schrägparkplätze umsetzen, haben wir im Grunde ein für alle Verkehrsteilnehmer stimmiges Gesamtpaket geschnürt.“
Grüne: Schrägparkplätze auf neuer Rüttenscheider Fahrradstraße gefährden Radfahrer
Zurück zum ursprünglichen Vorschlag mit Längseinstellplätzen möchte hingegen die Grünen-Fraktion und verwies hier nicht zuletzt auf Verwaltungsvorschriften und Handreichungen der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte. Darin heißt es, dass bei der Neueinrichtung einer Fahrradstraße keine Schrägeinstellplätze geschaffen werden sollen oder mindestens eine Sicherheitszone von 1,10 Metern sicherzustellen ist.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Malte Lantin: „Es reicht nicht zu sagen, wir treten der Arbeitsgemeinschaft bei, sondern man muss auch danach handeln und kann nicht, wenn es ernst wird, hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleiben.“ Die Schrägparkplatz-Variante gefährde gerade die schwächsten Verkehrsteilnehmer – Radfahrer und Fußgänger. Der Lösungsvorschlag der Grünen: Längsparkplätze und eine Anwohnerparkregelung.
SPD: Planungen für neue Rüttenscheider Fahrradstraße haben Nachteile für den ÖPNV
„Nicht zielführend im Hinblick auf den Modal Split“ sind die Vorschläge aus Sicht der SPD im Bezirk II. Die geplante kombinierte Bus-Rad-Spur im Eingangsbereich der Wittekindstraße beeinträchtige, erläuterte Bezirksvertreterin Barbara Hofmann, unter Umständen die Taktung des ÖPNV und mache diesen „ein Stückweit unattraktiver“. Zudem habe die SPD bereits im März vergangenen Jahres darum gebeten, die Einrichtung eines „Quartiers-Parkhauses“ zu prüfen. „Darauf habe ich bis jetzt noch keine Antwort bekommen.“ Gerade im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der Radfahrer durch rückwärts ausparkende Pkw sollten, so Hofmann, jedoch alle Alternativen abgewogen werden.
Durchaus kompliziert gestaltete sich nach gut einstündiger Debatte schließlich die Abstimmung: Schlussendlich äußerte die BV II mehrheitlich Bedenken gegen die Planung in der vorgelegten Form und sprach sich – ebenfalls mehrheitlich – stattdessen für eine Umsetzung der Schrägparkplatz-Variante aus. Einstimmig fiel hingegen das Votum mit Blick auf die Anbindung der Siedlung Altenhof II aus; diese Pläne sollen weiterverfolgt werden. Als nächstes entscheidet nun der Verkehrsausschuss am 9. Februar über die Pläne für die Wittekindstraße.
Interessengemeinschaft Rüttenscheid: Anwohner bevorzugen Schrägparkplätze
Für Rolf Krane, Vorsitzender der IG Rüttenscheid (IGR), ist das Votum der Bezirksvertretung ein Erfolg vor allem für die Anwohner: „Es ist schön, dass die Politik jetzt den Belangen der unmittelbar Betroffenen folgt. Es geht hier schlussendlich um Demokratie: Man kann nicht über die Köpfe derer entscheiden, die es ausbaden müssen, und dieser Verpflichtung ist die Politik jetzt nachgekommen.“
Die IGR hatte sich gemeinsam mit dem Bürgerforum Rüttenscheid frühzeitig in die Diskussion um die Sanierung der Wittekindstraße eingeschaltet und die Sachlage für die Anrainer, „die gut ein Jahr lang nicht wussten, was los ist“, transparenter gestaltet. Zugleich habe man sich jedoch auch gegen anfängliche Bedenken von Seiten der Politik stets für die Einrichtung einer Fahrradstraße stark gemacht – „und zwar mit Sachargumenten, nicht mit Ideologie“.
Krane selbst hatte gut ein Jahr lang umfangreiche Messungen vor Ort vorgenommen, um vor allem die Schrägstellplatz-Variante mit Daten zu unterfüttern. Gemeinsam mit dem Bürgerforum Rüttenscheid hatte die IGR zudem eine Umfrage unter den Anwohnern initiiert, um deren Präferenzen abzufragen: Längsparkplätze und Hecke oder Schrägparkplätze? Letztere lagen im Ergebnis deutlich vor der von der Verwaltung vorgeschlagenen Variante.