Essen/Mülheim. Die „Schutzgemeinschaft Fluglärm Essen/Mülheim“ will erreichen, dass die Zahl der Flugbewegungen sinkt. Mut macht ihr eine Klage auf Sylt.
Im Streit um die Zukunft des Flughafens Essen/Mülheim zündet die „Schutzgemeinschaft Fluglärm“ eine weitere Eskalationsstufe: Der eingetragene Verein bereitet nach eigenen Angaben derzeit eine Klage vor. Das Ziel sei es, den Flughafen dazu zu bewegen, die Zahl der Flugbewegungen zu reduzieren, so dass Anwohner besser vor Lärm geschützt werden, sagt Reiner Fuchs, Mitglied der Schutzgemeinschaft und selbst Anrainer.
Die Gelegenheit zu einem Rechtsstreit böte sich eher zufällig, wie Fuchs einräumt. Die Schutzgemeinschaft war von der Bundesvereinigung gegen Fluglärm auf ein Urteil des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts aufmerksam gemacht worden. Dieses hatte im September 2019 einer Klage gegen den Flughafen Westerland auf Sylt stattgegeben.
Der Flughafen Westerland muss dafür sorgen, dass der Dauerschallpegel sinkt
Die beiden Klägerinnen, die auf der Nordseeinsel Immobilien im Ort Keitum besitzen, fühlten sich durch den Fluglärm gestört. Zu Recht, urteilte das Gericht. Der Flughafen muss nun dafür sorgen, dass die Grundstücke der Klägerinnen während der Betriebszeit des Airports zwischen 6 Uhr und 22 Uhr nicht länger einem Dauerschallpegel von mehr als 55 dB(A) ausgesetzt sind.
Anders als am Flughafen Essen/Mülheim landen und starten auf Sylt auch Flugzeuge mit Düsenantrieb. Dennoch sieht der Rechtsbeistand der Schutzgemeinschaft gute Chance, dass eine Klage ebenfalls erfolgreich ausgehen wird. Denn: Die Zahl der Flugbewegungen sei in Westerland mit rund 7800 pro Jahr relativ gering. Zum Vergleich: In Essen/Mülheim waren im vergangenen Jahr rund 58.000 Flugbewegungen gezählt worden, davon entfielen rund 44.000 auf einmotorige Propellermaschinen.
Laut der Lärmkartierung der Stadt Essen aus dem Jahr 2016 ist im Umfeld des Flughafens Essen/Mülheim niemand einem Dauerschallpegel von mehr als 55 dB(A) ausgesetzt. Die Berechnung basiert auf rund 37.000 Flugbewegungen. Die Lärmkartierung von 2011 nannte noch 13.694 Betroffene, die mit mehr als 55 dB(A) beschallt wurden. Basis dieser Berechnung waren seinerzeit rund 44.500 Flugbewegungen.
Die Schutzgemeinschaft fürchtet, dass der Flugbetrieb auf Dauer zementiert wird
Angesicht der 58.000 Flugbewegungen im Jahr 2019, geht die Schutzgemeinschaft davon aus, dass es deutlich mehr Betroffene gibt als noch 2011. Ob es so ist, wäre wohl vor Gericht durch einen Gutachter zu klären.
Fest steht: Die Schutzgemeinschaft legt den Fokus nicht ohne Grund gerade jetzt auf das Thema Fluglärm. In Mülheim hat sich, wie berichtet, eine politische Debatte um eine vorzeitige Verlängerung des Erbbaurechtsvertrags mit der Luftschifffirma WDL entzündet. Der Pachtvertrag läuft 2024 aus. Die Stadt Mülheim möchte bis 2034 verlängern – mit der Option den Flughafen darüber hinaus weiterzubetreiben. Der noch gültige Ratsbeschluss, den Flugbetrieb 2034 einzustellen, wenn die gerichtlich verbrieften Rechte der Sportflieger des Aero-Clubs auslaufen, wackelt also gehörig.
Offener Brief
In einem offenen Brief an die Mitglieder des Essener Stadtrates appelliert die Schutzgemeinschaft Fluglärm Essen/Mülheim, bei den im Mülheimer Rat vertretenen Parteien zu intervenieren und vorzeitige Verlängerung des Erbbauvertrages mit dem Luftschiffunternehmen zu verhindern. Aus Sicht der Stadt Essen hat weiter eine optimale Nutzung des Flughafengeländes aus Gewerbe, Wohnen und Grünflächen Priorität.
Die Schutzgemeinschaft fürchtet, die WDL könnte daraus einen Rechtsanspruch ableiten, sollte es zu einer Vertragsverlängerung kommen. Der Flugbetrieb wäre zementiert, dessen weiterer Ausbau nur eine Frage der Zeit, warnt Waldemar Nowack und fragt: Warum diese Eile? Soll doch 2021 der Masterplan zur zukünftigen Nutzung des Flughafen-Areals vorliegen.
Der Sprecher der Schutzgemeinschaft gibt selbst die Antwort auf seine Frage: Bevor sich nach der Kommunalwahl möglicherweise neue Mehrheiten bilden, wolle Mülheim Fakten schaffen – und die Stadt Essen vor vollendete Tatsachen stellen.