Essen. Regisseur und Festivalchef Tom Bohn holt Filmemacher aus aller Welt nach Essen. Was das „Snowdance Independent Film Festival“ zu bieten hat.
Wenn die Prognosen nicht ganz daneben liegen, dann hält sich sogar das Winterwetter ans Skript: Zum „Snowdance“-Start am kommenden Samstag könnten tatsächlich ein paar Flocken fallen. Und der, der da zum ersten „Schneetanz“ in Essen einlädt, wird vor der Lichtburg stehen und für eine ganz besondere Premiere sorgen: Tom Bohn, Film- und Fernsehregisseur, Festivalveranstalter, gebürtiger Wuppertaler, will ein neues, bedeutendes Filmemacher-Treffen in NRW etablieren. Vom 28. Januar bis zum 5. Februar geht das „Snowdance Independent Film Festival“ in Essen erstmals an den Start.
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Sundance, Raindance, Snowdance, so heißen sie also, die Treffen für unabhängige Filmemacher, die für ihr alljährliches Zusammenkommen bislang ins verschneite amerikanische Mormonen-Stammland Utah oder nach London reisten. Und nun eben nach Essen. Die Stadt soll ein bedeutender bundesweiter Festival-Standort werden, wünscht sich Bohn. Dass es dazu kommt, ist einem Zufallstreffen zu verdanken.
Zufallstreffen auf einer Party von Hendrik Streeck
Auf der Geburtstagsparty des bekannten Virologen Hendrik Streeck erzählt Bohn eines Abends von seinem Projekt und einem Platzproblem. Damals geht das „Snowdance Independent Film Festival“ noch im bayerischen Landsberg am Lech über die Bühne: Große Bergkulisse, aber zu wenig Platz für all die kreativen Menschen und Filme, die beim Snowdance dabei sein wollen. Unter den Party-Gästen ist auch Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen. Der kommt nicht nur aus dem Ruhrgebiet, sondern sogar aus einer Stadt mit ausgewählten Filmtheatern. Man tauscht sich aus, verabredet sich zum Gespräch. Und bald schon sind die Weichen gestellt für ein Festival, das anders sein will als die meisten: Mutiger, eigenwilliger, profilierter und vor allem unabhängig von den Mitteln der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender, Studios und Verleiher.
Tom Bohn ist es ernst mit dem Abnabeln von öffentlichen Fördertöpfen, auch wenn er selbst viele Jahre davon gelebt hat. Weit mehr als ein Dutzend „Tatort“-Folgen hat er in den vergangenen Jahrzehnten gedreht, mit Ulrike Folkerts als Lena Odenthal und Robert Atzorn als Hauptkommissar Jan Casstorff. Wenn man ihn fragt, hätte der 64-Jährige noch viele Ideen. Doch für Stoffe, die beim Publikum vielleicht auch mal anecken und Kontroversen auslösen könnten, sei kein Platz mehr im öffentlich-rechtlichen Programm. Oder kein Mut. Die Angst, es könne etwas anders verstanden werden, als es die politische Korrektheit erfordert, habe das Spektrum enorm verengt, sagt Bohn. Zu gleich gestrickt sehen seiner Ansicht nach inzwischen viele Werke aus, die durch die inhaltlichen Prüfungen staatlicher Gremien geschleust worden seien. „Da liegt viel brach.“
Festival zeigt Filme, die sich nicht in Sender-Vorgaben pressen lassen
Das Sundance Independent Film Festival will zeigen, was noch geht. Filme, die sich nicht in enge Genre-Kategorien und Sender-Vorgaben pressen lassen, sondern in vielerlei Hinsicht über den Tellerrand schauen wollen. Filme aus Armenien, Australien, Italien. Thriller, Dramen, Dokus, Horrorfilme, professionell gemacht und beispielhaft für das, ,„was möglich ist, wenn man die Schere im Kopf vergessen hat“, so Bohn.
Schwarz-Weiß-Denken ist ohnehin nicht Sache des gebürtigen Wuppertalers, der sich selbst ungern in Schubladen stecken lässt. „Ich sollte eigentlich Jurist oder Betriebswirt werden“, erzählt der dreifache Vater, der zwischenzeitlich auch für die FDP im Landsberger Stadtrat gesessen hat. Doch mehr als ein trockenes BWL-Studium inspirieren ihn in der Jugend kreative Lichtgestalten wie Joseph Beuys und Pina Bausch. Als er mit 18 eine Super-8-Kamera bekommt, beginnt er zu experimentieren. Und geht statt zum Film doch erstmal zum Bund, wird Leutnant der Reserve und dann Studioassistent bei „Dalli Dalli“.
Dass er damals raus muss aus dem Ruhrgebiet, ist keine Frage. „In NRW war in Sachen Film damals noch nichts los“. Bohn beginnt im München als Aufnahmeleiter fürs ZDF, sammelt in den USA beim berühmten Korrespondenten Dieter Kronzucker journalistische Erfahrungen und macht danach als Werbefilmer Karriere. Beim renommierten Cannes Lions Festival gibt es goldene und silberne Löwen und bald ergibt sich auch die erste Gelegenheit, Langfilme zu drehen und „Tatort“-Drehbücher zu schreiben. Fernsehspiele und Kinoproduktionen folgen.
Tom Bohns Kinofilm „Straight Shooter“ wurde in Duisburg gedreht
So kommt Bohn Ende der 1990er auch wieder ins Ruhrgebiet. In Duisburg dreht er „Straight Shooter“ mit Heino Ferch, Dennis Hopper, Katja Flint und Hannelore Hoger. Der Actionfilm versammelt die erste Garnitur der deutschen Film- und Fernsehgarde, wird aber nicht zum Kassenschlager. Dafür realisiert Bohn in den nächsten Jahren Herzensprojekte wie den Mystery-Thriller „Reality XL“zusammen mit Schauspieler Heiner Lauterbach, mit dem zusammen Bohn auch das Snowdance Independent Film Festival auf die Beine stellt.
Seit 2015 hat er das Indie-Treffen in Landsberg geleitet, pendelt seither zwischen Bayern und Berlin und will nun doch zurück ins Ruhrgebiet, wo er noch soviel Potenzial sieht. „Hier kann man noch etwas in Gang setzen.“
Gut vernetzt ist Bohn dabei in jedem Fall. Schauspieler Hannes Jaenicke hat sich ebenso in Essen angesagt wie Peter Lohmeyer und Harald Krassnitzer, der eine Hauptrolle im Eröffnungsfilm „Taktik“ hat. Mehr als 50 Lang- und Kurzfilme stehen dann bis zum 5. Februar auf dem Programm, dazu kommen Netzwerktreffen, eine Fassbinder-Retrospektive, ein bundesweiter Schauspielwettbewerb im Grillo-Theater und ein Casting-Workshop. Bohn hat viel vor. Schon in fünf Jahren soll Snowdance zu den bundesweiten Top-3-Festivals zählen.
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Die Filme laufen in der Lichtburg (mit Sabu, Kettwiger Straße 36) und im Astra Theater (mit Luna, Teichstraße 2).
Der Eintritt kostet 9/erm. 7 Euro, das Tagesticket 16/erm. 14 Euro und das Festivalticket für alle Filme 75/erm. 68 Euro.
Alle Informationen und das Programm stehen im Internet: www.snowdance.net