Essen. Seit einem Jahr ist die Emscher abwasserfrei. Die Wasserqualität ist besser, als es Experten erwartet hätten. Wie es mit dem Fluss nun weitergeht.
Die Enten waren die ersten. Wer nicht an der Emscher zu Hause ist, hätte womöglich darüber hinweggesehen. Doch wer dort wohnt oder den Fluss von ausgedehnten Spaziergängern kennt, der sah, dass sich etwas verändert hatte. Denn Enten auf der Emscher, das hatte es eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gegeben.
Anfang vergangenen Jahres ließen sich die ersten Wasservögel auf der Emscher treiben. Erst wenige Tage zuvor ließ die Emschergenossenschaft nicht ohne Stolz verkünden: Die Emscher ist nach rund 170 Jahren wieder abwasserfrei! Die Rückkehr der Enten war dafür ein für alle sichtbare Beweis.
Der Schadstoffgehalt des Emscherwassers ist vor einem Jahr schlagartig gesunken
Biologen und Chemiker der Emschergenossenschaft sahen es anhand ihrer Grafiken: Von einem auf den anderen Tag sanken die Werte, die Belastung der Emscher durch Phosphor ging um 50 Prozent zurück, die Belastung durch Ammonium gar um bis zu 75 Prozent. Beide Stoffe gelangen durch Ausscheidungen und Abfälle ins Wasser. Für Fische sind schon geringe Mengen Ammonium tödlich.
Seit Abwasser in einem riesigen Kanal verschwindet, den die Emschergenossenschaft von Dortmund bis Dinslaken graben ließ, sind nicht nur Enten zurückgekehrt, sondern auch Stichlinge, Bachflohkrebse und Hakenkäfer. Muscheln, Schnecken, Krebse und diverse Insekten dürften schon bald folgen. Denn die Wasserqualität nähert sich bereits dem Grenzwert, den die Europäische Union für eine gute Wasserqualität definiert hat, berichtet Mario Sommerhäuser, Biologe bei der Emschergenossenschaft. Und es klingt, als sei er von dem Tempo, in dem sich der Wandel der Emscher vollzieht, selbst überrascht.
Für Forscher der Universität Duisburg-Essen ist die Emscher ein Versuchslabor
Für Mario Sommerhäuser und seine Kollegen ist der Emscherumbau ein großes Versuchslabor. „Wann erlebt man schon mal die Geburt eines Flusses?“ Auch bei Forschern der Universität Duisburg-Essen hat die Metamorphose der Emscher längst Interesse geweckt.
Für Anwohner und Ausflügler ist der Emscherumbau vor allem ein Gewinn an Lebensqualität. Sie können es förmlich riechen: Der üble Geruch, der oft an langen und trockenen Sommern über der trübe dahinfließenden Emscher lag, ist verschwunden. „Mir ist nicht bekannt, dass es noch Beschwerden gab“, sagt Mario Sommerhäuser. Um den ärgsten Gestank einzudämmen, wurde dem Wasser Sauerstoff zugeführt. Das sei nicht mehr nötig. Das „Sauerstoffboot“, das für diesen Zweck bei Karnap in der Emscher lag, hat den Anker gelichtet.
Dennoch gibt es noch genug zu tun. Um den Phosphat-Gehalt weiter zu senken, wird die Emschergenossenschaft die Klärwerke entlang der Emscher mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe versehen, denn geklärtes Abwasser wird auch in Zukunft in den Fluss geleitet. Das ist aber nichts Besonderes. An so gut wie allen größeren Flüssen – auch an denen mit Trinkwasserqualität wie der Ruhr – gibt es Kläranlagen, die gesäubertes Wasser in die jeweiligen Gewässer zurückgeben.
Auch auf dem Emschergrund haben sich Schadstoffe abgelagert. In der Genossenschaftszentrale setzten sie darauf, dass die Belastung mit der Zeit weiter zurückgeht, weil Sedimente aufgewirbelt und davon getragen werden, wenn es zuvor stark geregnet hat und der Wasserspiegel steigt. Nur an besonders flachen Stellen soll die Emscher ausgebaggert werden, etwa unweit der Stadtgrenze am Klärwerk in Bottrop.
Für eine mäandernde Emscher fehlt auf Essener Stadtgebiet der Platz
Die Wasserqualität soll sich weiter verbessern. Darf man in der Emscher sogar eines Tages baden? Bei der Emschergenossenschaft zeigt man sich zurückhaltend. Bei Starkregen wird auch ungeklärtes Abwasser in den Fluss abgeschlagen, weil die Anlagen dann überlaufen. Man kennt das von der Ruhr, wo nach solchen Regentagen das Baden im Baldeneysee verboten ist.
Das Wasser der Emscher werde zudem bis zu 80 Prozent aus geklärtem Abwasser bestehen. Selbst mit einer vierten Reinigungsstufe der Kläranlage werde der Fluss in den nächsten 50 bis 100 Jahren keine Badewasserqualität erreichen. Schade.
Auch das steile Ufer birgt Gefahren. Doch mit den Jahren soll sich das Bild der Emscher verändern. Die Emschergenossenschaft wird den Fluss wieder in seinen naturnahen Zustand verwandeln, wo dies möglich ist. Auf Essener Stadtgebiet ist das Flussbett allerdings zu schmal, um es zu verbreitern, dafür fehlt es an Platz. Die Emscher wird hier nicht in einem breiten Bett mäandernd dahinfließen wie zu in alten Zeiten, aus Gründen des Hochwasserschutzes werden die Deiche bleiben.
Sie aber sollen nach den Plänen der Emschergenossenschaft zu beiden Seiten des Flusses neu gestaltet werden. Die Stufe etwa auf halber Höhe wird nicht mehr benötigt. Sie dient nicht etwa der Stabilität des Bauwerks, sondern als eine Art Wirtschaftsweg für Fahrzeuge und Rasenmäher.
Gemäht wird in Zukunft nicht mehr. Diese Stufe soll deshalb abgetragen werden, wodurch sich der Querschnitt des Emscherbetts vergrößert. Das Ufer soll gestaltet werden, dass durch Ausbuchtungen zumindest optisch der Eindruck entsteht, die Emscher fließe in sanften Kurven dahin.
Wie es zwischen den Deichkronen einmal aussehen könnte, lässt sich am Oberlauf der Emscher in Dortmund-Deusen bestaunen. Dort hat die Emschergenossenschaft eine zwei Kilometer lange Teststrecke angelegt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Für die Emscher in Essen sind das schöne Aussichten.