Essen. Schülerinnen und Schüler arbeiten die Schicksale von 52 KZ-Opfern auf, die auf dem Essener Parkfriedhof beigesetzt sind. Ausstellung eröffnet.

Eine neue Ausstellung im Haus der Essener Geschichte erinnert an die 52 KZ-Opfer, die auf dem Parkfriedhof im Stadtteil Huttrop ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Schon seit Jahren arbeiten Schülerinnen und Schüler des Burggymnasiums, der Unesco-Schule und des Viktoria-Gymnasiums die Biografien dieser Nazi-Opfer auf und geben ihnen ein Gesicht. Die Wanderausstellung ist bis zum 17. März am Ernst-Schmidt-Platz 1 zu sehen.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen]

Bereits ins siebte Jahr geht das Projekt „Wenn nur noch Steine bleiben“, das nicht-jüdische Opfer der Nazi-Diktatur aus Essen in den Mittelpunkt rückt. „Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten die Biografien der Opfer und leisten somit eine eminent wichtige Forschungsarbeit – und das alles ohne Netz und doppelten Boden“, sagt der Historiker und Projektleiter Thomas Hammacher. Weitere Projektpartner sind das Stadtarchiv und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Resonanz auf das Geschichtsprojekt sei enorm. „Mit diesem Erfolg haben wir nicht gerechnet“, sagt der Historiker. Insbesondere die Gedenkstätten der Konzentrationslager, in denen die Menschen durch Mörderhand zu Tode kamen, seien immer wieder dankbar für die Expertise der jungen Geschichtsforscher.

Anna Kuhlemann (28): Als „asozial“ abgestempelt und im KZ zu Tode gekommen

Um die aktuelle Ausstellung haben sich die Ex-Abiturienten Kien Nguyen, Nina Kalinka und Adam K. Osinski (alle Burg-Gymnasium) verdient gemacht, die Geschichtslehrerin Sabine Becker stand ihnen ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie das Team des Stadtarchivs.

Von den 52 KZ-Opfern auf dem Parkfriedhof haben sie 50 Biografien bereits vollständig aufgearbeitet. Anschaulich dokumentiert ist in der Ausstellung das Schicksal der Essenerin Anna Kuhlemann, die 1913 als erstes von vier Kindern eines Maurers auf die Welt kommt und 1942 – mit gerade einmal 28 Jahren – im Frauen-KZ Ravensbrück zu Tode kommt. „Ihre Kindheit verbringt sie in der Sternstraße 5“, heißt es im Ausstellungstext. 1936 bringt die Hausgehilfin in Bochum einen unehelichen Sohn zur Welt. Sie kommt mit dem Kind zurück zu den Eltern in die Sternstraße und geht einer geregelten Arbeit nach. Trotzdem wird sie am 16. Februar 1940 als „Asoziale“ ins KZ eingewiesen. Genau zwei Jahre später kommt sie dort ums Leben. Warum die Nazis die junge Essenerin als „Asoziale“ abstempeln und wie sie zu Tode kommt, bleibt vorerst ungeklärt.

Ein weiteres Beispiel aus der Ausstellung ist der Essener Otto Wenzel (Jahrgang 1918), der nicht einmal 24 Jahre alt wird und 1942 im KZ Flossenbürg zu Tode kommt. Sein Vergehen: Er ist Deserteur, ein Kriegsgericht verurteilt ihn zu drei Jahren Gefängnis. Bevor er diese Strafe verbüßen kann, kommt er 1940 in das Konzentrationslager, wo er zur Gruppe der „SAW-Gefangenen“ gehört. Die Abkürzung steht für Sonderabteilung Wehrmacht. Das einzige überlieferte Dokument ist Otto Wenzels Totenschein. Er ist datiert auf den 28. Juni 1942.

Grabanlage auf dem Parkfriedhof soll in lebendigen Erinnerungsort verwandelt werden

Die Wanderausstellung dokumentiert an der „Wand der Erinnerung“ die Namen von 137 KZ-Opfern. Neben den 82 Opfern aus den Grabanlagen Park-, Südwest- und Terrassenfriedhof sind auch die Namen der 55 Euthanasietoten mit aufgenommen, die ursprünglich auf dem Parkfriedhof beigesetzt waren. Zu den sogenannten vergessenen KZ-Opfern gehören auch Roma und Sinti, Homosexuelle und „Berufsverbrecher“.

In der Regel wurden die KZ-Opfer in Urnen beigesetzt, Jahre später kamen sie nach Essen zurück. Dass die Gräber der KZ-Opfer auf dem Parkfriedhof ein vergessener Ort sind und kaum wahrgenommen werden, ist ein hinlänglich bekanntes Defizit. Schon seit Jahren gibt es daher die Absicht, dies zu ändern und die Grabanlage in einen lebendigen Erinnerungsort zu verwandeln. Mit der Abschlussklasse der Friedhofsgärtnerinnen und -gärtner am Berufskolleg Essen-Ost ist 2019 ein erster Entwurf erarbeitet worden.

Danach soll die Rasenfläche zwischen den Gräbern durch Sandsteinplatten ersetzt werden, in die Namen von Konzentrationslagern wie Ravensbrück und Dachau, Flossenbürg und Bergen-Belsen eingraviert werden. In den Streifen zwischen Gräbern und Sandsteinplatten wird ein Metallband eingelassen mit den Namen der 55 Euthanasieopfer. Ein QR-Code ermöglicht den Zugang zu Online-Plattformen, in die die jeweils aktuellen Forschungsergebnisse zum Schicksal der KZ-Opfer eingespeist werden. „Die Anlage erhält ein neues Gesicht und soll ein offenes Gedenken ermöglichen“, sagt Historiker Hammacher, der allerdings einräumt, dass die Finanzierung noch nicht gesichert sei.