Essen. Im Streit um eine Million Euro, die Hubert Schulte-Kemper einem Finanzier schuldet, blieb er dem Gericht fern. Und kassiert ein Versäumnisurteil.

Sieben Minuten reden, acht Minuten warten. – Gemessen an der Summe, um die es heute Mittag in Saal N 205 des Essener Landgerichts geht, entpuppt sich der Termin als reichlich unspektakuläre Angelegenheit. Eigentlich hätte Hubert Schulte-Kemper, der Gründer und langjährige Chef des Essener Immobilienkonzerns Fakt AG, hier um eine Million Euro aus seiner Privatschatulle streiten sollen. Geld, das ein Risikofinanzierer ihm aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft abknöpfen will. Doch „HSK“, wie er gemeinhin genannt wird, bleibt an diesem regnerischen Donnerstag dem Gericht fern – und kassierte ein Versäumnisurteil.

Nun muss er also die Million zahlen, nebst fünf Prozent Zinsen seit Juli vergangenen Jahres, so beschloss es die 6. Zivilkammer unter Leitung des Vorsitzenden Richters Stefan Ostheide. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, was bedeutet, dass bereits die Zwangsvollstreckung betrieben werden könnte, obwohl der Richterspruch noch nicht rechtskräftig ist. Schulte-Kemper kann bis zwei Wochen nach Zustellung noch Einspruch einlegen.

Bei Gericht beantragte Schulte-Kemper, man möge ihm einen „Notanwalt“ besorgen

Doch mehr noch als die juristischen Feinheiten sind es die Begleitumstände, die alle Beteiligten bei diesem Termin stutzen lassen: HSK hatte sich krankgemeldet, aber kein Attest vorgelegt, wie der Vorsitzende Richter irritiert anmerkt und das als „unentschuldigtes“ Fehlen wertet. Und der Fakt-Frontmann scheute vielleicht auch deshalb das sonst jederzeit gesuchte Licht der Öffentlichkeit, weil er nach eigenem Bekunden partout keinen Anwalt fand, der bereit gewesen wäre, ihn in der Sache zu vertreten.

Fand keinen Anwalt, der ihn wegen der fälligen Bürgschaft vor Gericht vertreten wollte: Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper, der deshalb bei Gericht beantragte, man möge ihm einen „Notanwalt“ zur Seite stellen.
Fand keinen Anwalt, der ihn wegen der fälligen Bürgschaft vor Gericht vertreten wollte: Fakt-Gründer Hubert Schulte-Kemper, der deshalb bei Gericht beantragte, man möge ihm einen „Notanwalt“ zur Seite stellen. © FAG

Bei Gericht beantragte Schulte-Kemper deshalb auf den letzten Drücker, man möge ihm doch einen sogenannten „Notanwalt“ nach Paragraf 78b der Zivilprozessordnung beiordnen – entlarvendes Eingeständnis für einen, der seine Kontakte zu Anwälten und Notaren sonst in Dutzenden zählte. Dass auf dem Gerichtsaushang noch die Oberhausener Rechtsanwaltsgesellschaft Aurantia als seine Prozessbevollmächtigte genannt wird, spielt an diesem Donnerstag keine Rolle: Dort gehört Dirk Buttler zum Team, Schulte-Kempers Nachfolger im Vorstand diverser Fakt-Gesellschaften.

Die Kammer findet „nichts in der Akte, was dem Anspruch der Klägerin entgegensteht“

Ob HSK sich selbst einen Gefallen getan hat, weil er bei Gericht mit Abwesenheit glänzte, muss offen bleiben: Die Zivilkammer jedenfalls, die nach der üblichen Viertelstunde Karenzzeit ein Versäumnisurteil spricht, möchte sich die vergeblichen Bemühungen um einen anwaltlichen Beistand gern belegen lassen. Und sieht ansonsten „nichts in der Akte, was dem Anspruch der Klägerin entgegensteht“.

Danach muss der Fakt-Gründer für einen Drei-Millionen-Euro-Kredit an sein Unternehmen haften, der – weil die Raten nicht rechtzeitig beglichen wurden – inzwischen gekündigt und fällig gestellt wurde. Während der Fakt-Kredit bis auf weiteres ein Thema für den vorläufigen Insolvenzverwalter ist, haftet Schulte-Kemper persönlich wegen einer Bürgschaft in Höhe von einer Million Euro. Die hätte die Obotritia Capital KGaA in Potsdam gern – samt Zinsen, versteht sich.

Wie angesichts weiterer möglicher Bürgschafts-Klagen die Aussichten dafür stehen, dazu mag die Klägerseite sich nicht groß äußern. Sascha Kern, Chief Risk Officer bei der Kreditplattform creditshelf solutions GmbH, und Albrecht Prestel von der Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, rücken nach nicht einmal einer halben Stunde wieder ab. Der Anwalt will die Straßenbahn zum Hauptbahnhof nehmen. Womöglich muss er darauf länger warten, als aufs Urteil.